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Sport - Teilhabe - Perspektiven
„Sport hebt die Grenzen zwischen verschiedenen Hautfarben, Glaubensrichtungen und Nationalitäten auf.“, so lautet die heilsbringende Botschaft der Bundesregierung im Rahmen des Bundesprogrammes ‚Integration durch Sport’. Sport nimmt im politischen, aber auch im allgemein gesellschaftlichen Diskurs um Integration, Inklusion und Völkerverständigung augenscheinlich eine zentrale Position ein, die sich nicht zuletzt auch in seiner medialen Inszenierung widerspiegelt. Im ‚Nationalen Aktionsplan Integration’ der Bundesregierung (2012) ist der Sport prominent platziert: Er ist als eigenes Dialogforum seit 2007 fester Bestandteil. Dabei wird dem Sport grundsätzlich eine integrative Wirkung in zweierlei Hinsicht zugeschrieben. Es wird unterschieden zwischen der Integration in den Sport und der Integration durch Sport.
Integration in den Sport fokussiert die Erhöhung der Teilhabemöglichkeiten an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur, die neben dem damit verbundenen Bildungsgehalt im Sinne einer ganzheitlichen Bildung u.a. auch Aspekte der Gesundheitsförderung und somit einer Steigerung der Lebensqualität adressiert. Unter der Perspektive der Integration durch Sport verbirgt sich hingegen die Annahme, dass das gemeinsame Sporttreiben – und hier insbesondere im organisierten Vereinssport – vielfältige Möglichkeiten zur sozialen Interaktion auch jenseits von sprachlichen Barrieren biete, Gemeinschaftserleben ermögliche und sich im sportlichen Tun einen Kompetenzerwerb anbahne, der sich auf andere Gesellschaftsbereiche übertragen ließe.
Dieser recht eindimensionalen Sicht auf Sport als ‚Inklusionsmotor’ ist auf der anderen Seite seine segregierende Wirkung entgegen zu halten. In wohl keinem anderen gesellschaftlichen Bereich kann Misserfolg und Ausgrenzung so offensichtlich, körperlich gebunden und emotional besetzt erlebt werden, wie im Sport.
Unter dem focal point ‚Sport – Teilhabe – Perspektiven’ findet eine Auseinandersetzung mit genau dieser Dynamik des sportlichen Tuns im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion statt. Es wird eine kritisch-konstruktive, empirisch ausgerichtete und theoretisch reflektierte Diskussion der Chancen und Grenzen in Bezug auf Inklusions- und Exklusionsprozesse in und durch Bewegung, Spiel und Sport geführt. Kategorien, wie Fremdheit und Zugehörigkeit, aber auch bildungsbezogene Potenziale des Sports werden in Forschung und Lehre zu Bezugspunkten der Reflexion.
Ein weiterer Schwerpunkt verbirgt sich hinter dem Label ‚Spielräume schaffen’. Hier werden niedrigschwellige, bildungsorientierte sport- und bewegungsbezogene Praxisprojekte konzipiert, durchgeführt und evaluiert, die sich an verschiedene Zielgruppen (z.B. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund) richten.
Forschung
Sportlehrer_innen mit Migrationshintergrund: Bildungsintegrationsprozesse in Niedersachsen
Die aktuelle Diskussion um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund fokussiert einmal mehr das Misslingen der Bildungsintegration in Deutschland. Zuwanderer leben nach wie vor doppelt so häufig ohne Arbeitseinkommen wie Deutsche und sind fast doppelt so häufig dem Armutsrisiko ausgesetzt (vgl. Engels et al., 2012). Diese gesellschaftliche Problemlage ist in höchstem Maße bearbeitungswürdig und findet ihren Niederschlag in der politischen Diskussion: “Deutschland braucht mehr Lehrerkräfte mit Migrationshintergrund!” Oder “Migranten vor die Klasse!”; so oder ähnlich lauten die politischen Slogans, die schon seit einiger Zeit auf verschiedenen Bund- und Länderebenen zu vernehmen sind. Sie schließen damit an die Diagnose an, dass Deutschland nach wie vor im Hinblick auf die Bildungsintegration von Menschen mit Migrationshintergrund großes Entwicklungspotential aufweist – um es einmal positiv zu formulieren. Auch in Niedersachsen ist es ein erklärtes politisches Ziel, entsprechende Maßnahmen zur Förderung der Bildungsintegration und zur Erhöhung des Anteils an Lehrkräften mit Migrationshintergrund zu ergreifen.
Dem Sport wird im politischen Kontext schon quasi-traditionell ein hoher Integrationsfaktor in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund zugeschrieben. So stellt beispielsweise das Programm “Integration durch Sport” des DOSB ein durch das Bundesministerium des Inneren und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziell großzügig gefördertes Programm dar, das bereits seit Ende der 1980er Jahre besteht, stetig evaluiert und weiterentwickelt wird. Zwei zentrale Ziele werden durch diese Initiative verfolgt: Einmal die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Sport im Sinne der Ermöglichung einer gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft und somit auch an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur und andererseits die Integration durch Sport. Es wird aufgezeigt, dass Sport – und hier insbesondere der Vereinssport – vielfältige Möglichkeiten zur sozialen Interaktion auch jenseits von sprachlichen Barrieren biete, Gemeinschaftserleben ermögliche und im sportlichen Tun einen Kompetenzerwerb anbahne, der sich auf andere Gesellschaftsbereiche übertragen ließe.
Sportlehrkräfte mit Migrationshintergrund genauer in den Blick zu nehmen, kann also in mehrerlei Hinsicht gewinnbringend für die dargestellte Thematik sein. Entgegen der gängigen Perspektive, sich mit dem Scheitern der Bildungsintegration und den bildungsrelevanten Hürden zu befassen, werden hier genau jene in den Blick genommen, die zunächst einmal bildungsintegriert erscheinen. Es geht also darum, Gelingensfaktoren für Bildungsintegrationsprozesse zu rekonstruieren, um durch einen qualitativ-empirischen und biographisch ausgerichteten Zugang Erkenntnisse über die oben vorgestellten Annahmen zu gewinnen. Konkret stellen sich die Fragen, wie es gelingen konnte, das deutsche Bildungssystem erfolgreich zu absolvieren und welche Rolle der Sport dabei gespielt?
Projektverantwortliche:
Prof. Dr. Vera Volkmann
Pilotprojekt „FuNah“ – Fußball und Nachhilfe an der Gunzelin Schule (Peine)
gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Lokaler Aktionsplan der Stadt Peine)
Diese, zunächst als Pilotprojekt angesetzte Initiative umfasst ein kombiniertes Sport- und Lernangebot für die Kinder der 5. und 6. Klassen der Gunzelin Realschule in Peine.
Einmal wöchentlich wird auf dem Schulgelände zunächst eine außerschulische sportliche Beschäftigung (schwerpunktmäßig Fußball) von qualifizierten Sportstudierenden angeboten, auf die direkt im Anschluss eine individuelle Lernförderung durch dieselben Betreuer_innen folgt. Die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler spielen zu Beginn einer Veranstaltung erst nach gezielten Regeln und methodisch vielseitig ausgerichtet Fußball. Jede/r ist - völlig unabhängig vom sportlichen Können oder sonstigen Voraussetzungen - willkommen, muss sich jedoch für einen festgelegten Zeitraum zur regelmäßigen Teilnahme an beiden Veranstaltungsteilen (Sport UND Lernen) verpflichten.
Gemeinsam werden zu Beginn Verhaltensregeln erarbeitet und die Kinder zur selbständigen Beobachtung ihrer Einhaltung angehalten. Beim Sport entwickeln die Kinder unter Anleitung Werte wie Fair-Play, Gleichberechtigung, gegenseitiges Verständnis sowie Gruppenzugehörigkeit und Verbindlichkeit.
Im Anschluss an die sportliche Betätigung erhalten die Schülerinnen und Schüler von denselben Betreuer_innen individuelle Förderung und Unterstützung in den Schulfächern, in denen es eben noch nicht ganz so rund läuft. Die eher lockere Atmosphäre und das Miteinander vom Sporttreiben soll auch in dieser Phase erhalten bleiben – Lernförderung ohne Druck und Hierarchie, einfach als Miteinander und Arbeiten am gemeinsamen Ziel!
Kontakt: Info-funah(at)gmx.de
Projektverantwortliche:
Omar Fahmy, Dominik Feer
Prof. Dr. Vera Volkmann