Nach der Mittagspause, in der man sich endlich mal wieder in kleinen Grüppchen zusammentun und austauschen konnte, anstatt in einem virtuellen Pausenraum herumzuirren, haben Hannah Mitera und ich zunächst die Erkenntnisse aus unserem Projekt vorgestellt, aus dem unter anderem verschiedene Aktionen in Bezug auf Wissenschaftskommunikation sowie ein Impulspapier hervorgegangen sind.

Daran schloss sich die Podiumsdiskussion an, bei der die Gäste Sara Reinke, Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Medien der Uni Hildesheim, Tarek Abu Ajamieh, Leiter des Wissenschaftsressorts der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, Anna Henschel, Projektmanagerin bei Wissenschaft im Dialog, und Anna Müllner, Biologin und Bloggerin, unter der Moderation von Sylvia Jaki zunächst über die Aspekte von „guter“ Wissenschaftskommunikation diskutierten. Genannt werden hier insbesondere die Aspekte Vertrauen und Transparenz, auch über den wissenschaftlichen Prozess, dialogisches Formate, „lieber wenig richtig als viel falsch kommunizieren“ (Reinke) und die Übertragung von Begeisterung – denn diese ist das Nachhaltigste an der Wissenschaft, so Müllner, und auch Henschel stimmt zu, dass Wissenschaftler:innen über die Vermittlung von Emotionen zwar nicht immer jede Zielgruppe, aber zumindest einen Teil davon erreichen können. Bezüglich Zielgruppen stellt Reinke fest, dass jede eigene Bedürfnisse hat, was die (An-)Sprache angeht und Abu Ajamieh wirft die Frage in den Raum, wieso es eigentlich nicht wöchentliche Coronapodcasts in verschiedenen Sprachen gab, um zumindest diese Zielgruppen abzudecken.
Doch wer sollte eigentlich kommunizieren? Wissenschaftler:innen selbst und/oder (Wissenschafts-)Journalist:innen? Während Henschel dafür plädiert, dass Wissenschaftler:innen ihre Forschung kommunizieren, um sie sichtbar und öffentlich zugänglich zu machen, ist Reinke der Meinung, dass nicht jede:r in der Wissenschaft kommunizieren sollte, weil es neben einer fachlichen auch einer kommunikativen (Medien-)Kompetenz bedarf, die wiederum häufig eher aufseiten des Journalismus besteht. Henschel bringt daraufhin den Wunsch nach Medien- und Kommunikationstrainings ein und auch Müllner meint, dass Wissenschaftler:innen in ihrer Kommunikation unterstützt werden sollten. Abu Ajamieh seinerseits wünscht sich bei der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Journalismus zudem, dass von der Wissenschaft klarer kommuniziert wird, warum etwas für die Öffentlichkeit relevant ist. Gefahren bei der Kommunikation, insbesondere im Krisenkontext, liegen dabei in der Verbreitung bzw. Erkennung von Desinformationen. Eine wirkliche Lösung gibt es dafür bisher nicht; Schulen und Universitäten sollten den Umgang mit Quellen lehren, so Reinke, aber ein gewisser Prozentsatz von Menschen, die Fakten nicht glauben wollen, muss wohl leider akzeptiert werden, meint Abu Ajamieh.

Die so wichtige Verbindung zwischen Journalismus und Wissenschaft soll auch durch das Science Media Center sichergestellt werden, das der Redakteur Phillip Jakobs in seinem Vortrag vorstellt. Die unabhängige Institution soll (Wissenschafts-)Journalist:innen bei der Berichterstattung tagesaktueller Ereignisse mit Evidenz und Fakten aus den Wissenschaften unterstützen. Dafür arbeiten mehrere Redakteur:innen zu verschiedenen wissenschaftlichen Themen wie Medizin und Lebenswissenschaften, Klima und Umwelt, Energie und Mobilität sowie Digitales und Technologie, holen ausgewiesene Expertisen zu Studien und komplexen Sachverhalten ein, fördern den Austausch innerhalb des Netzwerkes und agieren so im Rahmen der Institution als Intermediär für den Austausch von Informationen und den Dialog zwischen Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit. Auch Jakobs empfiehlt Forschenden, wie auch Jennifer Müller zu Anfang, mit ihren Themen auf Journalist:innen zuzugehen; wichtig ist dabei, dass sie bei ihrem jeweiligen Fachgebiet bleiben und Forschungserkenntnisse bestenfalls von politischer Kommunikation trennen.

Eine weitere Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse zu kommunizieren und einen Diskurs darüber zu öffnen, stellen Blogs dar. Karin Schumacher, Ärztin und Autorin des Blogs Medicine and more auf SciLogs, erzählt mir im Interview, inwiefern Corona das Bloggen zeitaufwendiger gemacht hat und die Entscheidung für oder gegen das Verfassen eines neuen Artikels beeinflusst. Durch die starke Polarisierung des Themas, insbesondere in Bezug auf die Impfdebatte, ist die Anzahl der Kommentare allgemein und der negativen im Spezifischen rasant angestiegen. Plötzlich ist es nötig, die Kommentarsektion zu moderieren – ein Mehraufwand, den Schumacher so vorher nicht kannte. Obwohl sie ihre Artikel so neutral wie möglich schreibt, Quellen und Nachweise sowohl im Beitrag als auch bei der Reaktion auf Kommentare angibt, gibt es immer Menschen, die sich nicht von ihrer Meinung abbringen lassen. Auch Schumacher plädiert daher dafür, dass der Umgang mit seriösen Quellen und vertrauenswürdigen Informationen bereits in der Schule vermittelt werden sollte. Trotz zeitraubender Diskussionen – zum Teil sind es Hunderte von Kommentaren – empfindet sie das Bloggen als wichtiges Format der Wissenschaftskommunikation, weil es ein tieferes Einsteigen in die Materie ermöglicht.

Marlene Heckl, ebenfalls Bloggerin auf SciLogs (Marlenes Medizinkiste), widmet sich neben dem Bloggen noch einem anderen Format der Wissenschaftskommunikation mit einer deutlich jüngeren Zielgruppe: dem Videoportal TikTok. Als „Seelendoc“ betreibt die Ärztin Aufklärung zu psychischen Erkrankungen und psychologischen, aber auch allgemeinen medizinischen Themen im Kurzvideoformat. Wissenschaftlich komplexere Themen kommuniziert sie gern in Form von Videoreihen, also mehreren kurzen Videos zum gleichen Thema. Auch bei TikTok müssen Kommentare, wie auch teilweise bei SciLogs, moderiert und eingeschätzt werden. Anhand einiger Beispiele zeigt sie unterschiedliche Kategorien von Kommentaren auf, auf die es entsprechend zu reagieren gilt. Neben Lob und konstruktiver Kritik auf der einen sowie Beleidigungen und Spott auf der anderen Seite schweifen einige Diskussionen auch in ganz andere Themenbereiche oder sogar bis in Verschwörungserzählungen ab. Es gibt aber auch interessierte Nutzer:innen, die ernstgemeinte Fragen stellen, Hinweise auf mögliche Fehler geben und Quellennachweise einfordern. Heckl empfindet gerade letztere als wichtiges Mittel, um Falschinformationen bestmöglich entgegenzuwirken.

Mit diesem letzten Vortrag endet ein spannender WissKomm-Tag mit vielen inspirierenden Menschen, interessanten Perspektiven und konstruktiven Diskussionen. Begleitet wurde das Programm von Anja Weiss, die live Graphic Recordings zu jedem Beitrag erstellt hat. Im Namen des gesamten Projektteams noch einmal ein großes Dankeschön an alle (virtuell und präsent) Anwesenden für den gelungenen Austausch!