Franziska Schmidt

Franziska Schmidt

Unter die Lupe genommen: Corona-Forschung interdisziplinär

Das COVID-19-Virus geht uns alle etwas an: Auch wenn sich glücklicherweise bisher nicht jeder mit dem Virus ansteckt, so entgeht doch niemand seinem Einfluss. Der Wunsch nach Informationen, Handlungsempfehlungen und Sicherheit ist groß – doch können Wissenschaft und Politik diesen Bedarf erfüllen? Welchen Herausforderungen müssen sich die Bürger:innen in einer solchen Ausnahmesituation stellen, welche Konsequenzen sind zu beobachten und was kann die Wissenschaft zukünftig tun, um eine moderne, adäquate und verständliche Wissenschaftskommunikation zu gewährleisten? Diesen und weiteren Problemstellungen widmeten sich 11 Vortragende aus unterschiedlichen Disziplinen auf der InFoCoP-Tagung am 2. Juli 2021.

 

Nach einem Grußwort des Dekans eröffnete Petra Sandhagen von der Universität Hildesheim die Vortragsreihe mit den Fragen „Welchen Medien vertrauen wir und warum?“ Anhand ihrer Studie wird deutlich, dass die Wissenschaftskommunikation nicht nur auf das jeweilige Medium, sondern auch die entsprechende Zielgruppe ausgerichtet werden sollte. Dabei ist besonders die Sensibilisierung für Mediennutzung im Jugendalter von Bedeutung, um die Medienkompetenz der jungen Erwachsenen losgelöst von den familiären Gewohnheiten und somit ihr Vertrauen in bestimmte Informationsquellen zu stärken. Stefan Dreisiebner von der Karl-Franzens-Universität Graz konnte die allgemeine Zunahme der Mediennutzung während der Coronapandemie auch in seiner Studie zum Informationsverhalten nachweisen. Obwohl die allgemeine Zufriedenheit der Informationsversorgung während der Krise relativ hoch lag, berichteten Teilnehmer:innen der Studie auch von einem Gefühl des Information Overload, das eine geringere Mediennutzung zur Folge hatte. Diesem Balanceakt zwischen der Notwendigkeit der Informationssuche zur Bewältigung von Unsicherheit und der Informationsmeidung aufgrund von Überforderung widmete sich Elena Link von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Und auch anhand ihres Modells wird deutlich: Die Förderung des Risikobewusstseins spielt eine wichtige Rolle, um die Erkenntnisse der Wissenschaft einordnen und eigene Wissensdefizite besser einschätzen zu können.

 

Die Informationsmeidung war auch Gegenstand in der von Janine Brill vorgestellten Befragung der Universität Erfurt. So birgt eine intensive Berichterstattung, wie wir sie aktuell beobachten können, die Gefahr einer Themenverdrossenheit, die dazu führt, dass sich der Rückgriff auf das jeweilige individuelle Medienrepertoire verringert und somit gegebenenfalls wichtige Informationen ungesehen bleiben. Claudia Frick von der TH Köln schloss mit ihrem Vortrag an die Herausforderungen an, die entstehen, wenn die internen Kommunikationsprozesse der Wissenschaft plötzlich extern sichtbar werden. Widersprüchliche Ergebnisse und Streit-Diskurse sind fester Bestandteil der Wissenschaft – doch muss dies auch transparent nach außen kommuniziert werden. Andernfalls kann auch Verwirrung zu Informationsmeidung oder (schlimmer noch) Unmut führen, deren Auswirkungen im nächsten Block diskutiert wurde.

 

Katharina Christ von der Universität Trier eröffnete die Session mit einer Mixed-Methods-Studie zu Verschwörungstheorien und ihrer Glaubwürdigkeit. Dabei veranschaulichte sie anhand von Beispielen aus ihrem Videokorpus, dass sich die Video-Produzent:innen verschiedener multimodaler Muster und Glaubwürdigkeitsmarker bedienen, um ihren Theorien Nachdruck zu verleihen und Vertrauen zu erwecken. Tim Majchrzak von der Universitetet i Agder schloss sich mit der Hypothese an, dass die Ausbreitung von Corona durch Fehlinformationen begünstigt wird. Die aus den Ergebnissen der explorativen Studie abgeleiteten Empfehlungen beziehen sich insbesondere auf das Verständnis von sozialen Medien („social media listening“) und deren Ausrichtung auf das menschliche Informationsbedürfnis. Als weitere negative Auswirkung der Corona-Krise lässt sich die Hassrede im Netz identifizieren, mit deren Zunahme sich Lidiia Melnyk von der Friedrich-Schiller-Universität Jena auseinandersetzt. Sie wies darauf hin, dass die Krisensituation starke Emotionen und die Suche nach einem Sündenbock verstärkte und zeigte die Dynamik von Hate Speech in Bezug auf den Zeitverlauf, die Thematiken sowie die Zielgruppen in der Pandemie auf.

 

Im letzten Block stellte Christiane Zehrer von der Hochschule Magdeburg-Stendal ihre Untersuchung zur Informationsvermittlung durch „Corona-Schilder“ als multimodaler Zeichenprozess vor. Die Schilder stellen die kommunikative Herausforderung während der Pandemie sowohl bildlich als auch sprachlich dar: So müssen die Informationen der Ministerien und des Bundes bspw. auf wenig Platz zusammengefasst und regelmäßig an die neuen Beschlüsse angepasst werden. Den Herausforderungen institutioneller Kommunikation, hier besonders in Bezug auf Belgiens Mehrsprachigkeit, widmeten sich auch Vince Liégeois (Université de Bourgogne) und Jolien Mathysen (Universiteit Gent) in einer frame-semantischen Analyse. Anhand solcher Analysen kann aufgezeigt werden, wie auf sprachlicher Ebene versucht wird, ein vorschriftsgemäßes Verhalten in Bezug auf bestimmte Maßnahmen hervorzurufen.

 

Eine rundum gelungene Veranstaltung mit vielen interessanten Eindrücken und interdisziplinären Denkanstößen. Für uns als Wissenschaftler:innen und konkret für unser WInCO-Projekt steht natürlich die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation im Mittelpunkt. Wichtig ist es, einerseits die Gepflogenheiten der wissenschaftlichen Arbeit transparent zu machen und so ein grundlegendes Verständnis der Prozesse zu gewährleisten, und andererseits die forschungsspezifischen Inhalte verständlich und zielgruppengerecht für die breite Öffentlichkeit aufzubereiten. Dabei spielt sowohl die Zugänglichkeit über Open-Science-Lösungen, als auch die aktive Einbindung der Zivilbevölkerung eine Rolle, die von #WissKomm im Dialog bis hin zu Citizen Science reichen kann. Denn das Ziel ist klar: Gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie, aber auch generell braucht es Vertrauen in die Wissenschaft und einen regen Austausch mit allen Beteiligten – und genau dies hoffen wir mit unserem Projekt und insbesondere auf diesem Blog umsetzen zu können.

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