Mutig sein und Hilfe annehmen, wenn alles zu viel wird

Mittwoch, 04. Juni 2025 um 12:49 Uhr

Eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Mitarbeitende in herausfordernden Situationen – das möchte Dr. Nora Lessing, Psychologische Psychotherapeutin und Suchtkrankenbeauftragte der Universität Hildesheim mit dem neuen Angebot der Psychologischen Beratung bieten. Ein Gespräch über mentale Gesundheit und wie Hilfe funktionieren kann.

Liebe Frau Lessing, wie kam es zu diesem Angebot?

„Im August vergangenen Jahres konnten die Mitarbeitenden der Verwaltungseinheiten in einem Workshop zur psychischen Gefährdungsbeurteilung ihre Belastungen im beruflichen Alltag sowie Wünsche an den Arbeitskreis Gesundheit platzieren. Daraus hat sich vor allem das Bedürfnis nach einer niedrigschwelligen psychologischen Anlaufstelle ergeben. Mit der Förderung der Hochschulleitung wurde anschließend das Beratungsangebot ins Leben gerufen. Ein Besprechungsraum für die Termine wird aktuell eingerichtet, sodass die Gespräche auf neutralem Boden stattfinden können.“

Wer kann zu Ihnen in die Psychologische Beratung kommen und wann?

„Die Psychologische Beratung ist für alle Mitarbeitenden der Universität. Dazu zählen selbstverständlich auch die Führungskräfte. Generell ist die Beratung auf individuelle Gespräche ausgelegt, Mediationsgespräche oder gemeinsame Termine im Team sind jedoch ebenfalls möglich, beispielsweise bei Konflikten in der Zusammenarbeit oder im sozialen Miteinander. Wann jemand entscheidet, den Schritt zu einem Gespräch zu gehen, ist ganz unterschiedlich, oft gehen dem lange Grübelprozesse voraus, vor allem, da Hilfeholen oftmals noch immer als ein Zeichen der Schwäche angesehen wird. Das ist es aber nicht. Wer beispielsweise mit Bauchweh zur Arbeit geht oder das Bedürfnis hat, einfach mit jemand „Externem“ über einen Konfliktfall oder Belastungssituation zu sprechen, sollte einen Termin vereinbaren. Denn je früher man sich der Thematik stellt, desto schneller können Lösungen gefunden werden, gemeinsam. Niemand sollte sich durch den Tag quälen.“

Mit welchen Themen können Mitarbeitende zu Ihnen kommen?

„Die Themen dürfen individuell sein. Es kann sich um Konflikte oder Stress bei der Arbeit, aber auch um private Belastungen handeln. Im Gespräch schauen wir gemeinsam, ob weitere Schritte zur psychischen Gesundheit erforderlich sind oder es reicht, die eigenen Sorgen mit einer unabhängigen Person zu besprechen. Oft ist das bereits der Fall. Selbstverständlich gilt die Schweigepflicht, die besprochenen Themen oder überhaupt die Teilnahme am Angebot werden nicht weitergegeben.

Wie erfolgt die Kontaktaufnahme und wie können sich Interessierte einen Beratungstermin vorstellen?

„Interessierte können sich per Mail über psychologische.beratung(at)uni-hildesheim.de melden. Ob das Thema bereits bei der Kontaktaufnahme oder erst im Termin platziert wird, ist den Mitarbeitenden selbst überlassen, wie auch die Entscheidung, ob der Termin online oder in Präsenz stattfinden soll. Empfehlung ist hier allerdings der Austausch in Präsenz, sodass ich persönlicher auf die Person eingehen kann. Die Termine dürfen während der Arbeitszeit stattfinden. Ein Gespräch dauert zunächst zwischen 50 und 60 Minuten, im Anschluss schauen wir gemeinsam, ob weitere Termine gewünscht sind. Die Gestaltung der Termine ist individuell angelegt, denn nicht alle Techniken funktionieren für alle Personen auf dieselbe Weise. Ob wir einfach ‚nur‘ sprechen oder es kleine Aufgaben für den Alltag gibt, entscheidet sich im Einzelfall.“

Wie unterscheidet sich Ihr Angebot von einer klassischen Therapie?

„Eine intensive Therapie ist in ihrer langfristigen und tiefergehenden Form, die sie erfordert, nicht das Ziel der Psychologischen Beratung. Dieses Angebot soll eine offene Tür für alle sein, die einen ersten Schritt in Richtung Hilfe gehen möchten. Ob dann noch weitere Schritte notwendig sind, ergibt sich im Gespräch. Die Mitarbeitenden können dabei dann auch unterstützt werden. Manchmal genügt es jedoch schon, sich einfach einmal jemandem anzuvertrauen, ein offenes Ohr zu finden oder bestimmte problematische Situationen von außen, mit einer fremden Perspektive durchzusprechen.“

Was sind die nächsten Schritte für die Weiterentwicklung des betrieblichen Gesundheitsmanagements an der Universität Hildesheim?

„Neben dem Angebot zur Psychologischen Beratung sollen verschiedene Workshops angeboten werden: Von Zeit- und Stressmanagement über Konfliktbewältigung bis zu Resilienztrainings gibt es viele Bereiche, an denen die Mitarbeiter selbst oder ein Team anknüpfen können, um den Arbeitsalltag und das soziale Miteinander positiv zu gestalten. Die Psychologische Beratung ist ein Teil der betrieblichen Gesundheitsförderung. Das betriebliche Gesundheitsmanagement umfasst jedoch alle Bereiche des Arbeitslebens. Dazu bin ich in enger Abstimmung mit den Kolleg*innen aus der Arbeitssicherheit und Brandschutz, dem betrieblichen Eingliederungsmanagement, der Personalentwicklung (Fort- und Weiterbildung) sowie dem Healthy Campus.“

Und zum Schluss: Was können Sie den Mitarbeitenden der Universität mitgeben?

„Als Teil der Leistungsgesellschaft tendieren wir oft dazu, über unsere persönlichen Grenzen zu gehen oder im Hamsterrad stecken zu bleiben, obwohl uns bereits bewusst ist, dass wir das nicht mehr können. Doch sich einzugestehen, dass man Unterstützung benötigt, zeugt von innerer Stärke.“

Alle Informationen zum Beratungsangebot sowie Kontaktmöglichkeiten gibt es hier.


Foto: Ineke Nithack