„Empowerment und Integration zugleich“

Montag, 24. Juli 2023 um 15:29 Uhr

Vom 17. bis 21. Juli fand die vierte Sommerschule des Sprachlernprojekts für geflüchtete Schüler*innen an der Universität Hildesheim statt. Auch wenn die Sommerschule diesjährig nur eine anstelle von zwei Wochen andauerte, bot sie vielen jungen Erwachsenen ein Sommerprogramm zum Erlernen der deutschen Sprache.

Das Projekt startete 2015 an der Universität Hildesheim und wird seit 2016 an der Grundschule Nord und der Walter-Gropius-Berufsschule durchgeführt. Jedes Jahr beteiligen sich am Sprachlernprojekt ungefähr 80 (Lehramts-)studierende der Universität, um 200 Geflüchteten Deutsch beizubringen. Das in diesem Kontext gebotene Sommerprogramm in Form einer Sommerschule, die dieses Jahr zum vierten Mal an der Universität stattfand, ermöglichte 30 Schüler*innen verschiedener Sprachniveaus und Altersklassen praxisbezogenes und themenorientiertes Lernen, primär in Kleingruppen: „Es ist eine tolle Chance für die Jugendlichen, ist Empowerment und Integration zugleich“, erläutert Lehrerin Hannah Kubesch, für die im Umgang mit Geflüchteten neben dem Sprachunterricht auch psychologische Themen im Raum stehen, etwa der Umgang mit traumatischen Erfahrungen. „Wir möchten, dass sie in unserem Unterricht nicht nur sprachlich wachsen, sondern auch persönlich. Viele Kinder erlauben sich das Träumen und Wünschen nicht, obwohl es so wichtig für die eigene Lebensgestaltung und Kreativität ist“, führt wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrerin Johanna Scholz aus.

Hierzu zählt zum Beispiel der 20-jährige Adnan, der vor zwei Jahren mit seiner Familie aus dem Irak floh, erst seit einem Jahr Deutsch lernt. Sein Hörverständnis ist gut, nach zwölf Jahren des Englischlernens ist für ihn auch die Auseinandersetzung mit der deutschen Grammatik kein großes Hindernis. Neben der Schule sucht er aktuell nach einem Minijob als Lieferdienst. Nächstes Jahr strebt er seinen Hauptschulabschluss an, dann den Realschulabschluss. Sein Ziel: Meister für Kfz-Mechatronik werden.

Das Lernen ist genauso wie die Lebensentwürfe und Träume seitens der Schüler*innen in einer subtilen Ernsthaftigkeit verhaftet: Der Klassenraum simuliert gewissermaßen das echte Leben. Das Lerntagebuch, das die Schüler*innen etwa täglich schreiben sollen, lehrt sie nicht nur das Formulieren im Perfekt; der Akt des gegenseitigen Korrigierens trägt zur Teamfähigkeit bei und vor allem zu einer offenen Fehlerkultur.

Jedes Semester wird eine neue Gruppe von (Lehramts-)studierenden der Universität Hildesheim für den Sprachunterricht von geflüchteten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sowie für die Arbeit in einem von Diversität geprägten Arbeitsfeld ausgebildet. Hierfür werden in einem begleitenden Seminar die fachlichen Grundlagen vermittelt und im praktischen Teil des Projekts Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund unterrichtet. Das Projekt wird zur Hälfte über Drittmittel finanziert und zur Hälfte durch das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur; vorerst gesichert ist die Finanzierung bis September 2025.


Annette Luetzel und Hannah Kubesch während einer theoretischen Einheit zu Yoga. Fotos: Viktoria Helene Ong

Hannah Kubesch. Foto: Viktoria Helene Ong

Lernbrücke. Foto: Viktoria Helene Ong