Während des viertägigen Seminars sprachen die Schüler mit Experten, hospitierten an Schulen und tauschten sich mit Lehrern und Lehramtsstudierenden mit und ohne Zuwanderungsgeschichte aus. „Ich möchte in Hildesheim herausfinden, ob der Lehrerberuf etwas für mich ist“, sagt der vietnamesischstämmige Quoc Bang Trinh, der die 11. Klasse einer IGS in Oldenburg besucht. „Ich möchte Lehrerin werden, bin mir aber unsicher, für welche Schulform. Ist das in anderen Bundesländern auch so geregelt, wie in Niedersachsen?“, wollte Mariam Sahab wissen. Sie hat afghanische Wurzeln und ist in Nordhorn aufgewachsen. Die 17-jährige Bilge Memertas aus Hannover möchte Grundschullehrerin werden und dabei auch als Vorbild wirken: „Ich will die Kinder mit Zuwanderungsgeschichte motivieren. Sie sollen sehen, dass auch Migranten erfolgreich sein können.“
„Alle Lehrerinnen und Lehrer, unabhängig von der Herkunft, sollten sensibilisiert werden, mit der Heterogenität im Klassenzimmer umzugehen. Sie sollten die Vielfalt als Chance begreifen, neue Sprachen und Kulturen kennenzulernen und dies nicht als Defizit und Problem abstempeln“, bekräftigt die angehende Lehrerin Derya Akdag. Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund eine Antwort auf die Heterogenität im Klassenzimmer? dieses Thema erforscht die 36-jährige Studentin in ihrer Masterarbeit an der Universität Hildesheim. Sie ist in Hannover geboren und aufgewachsen. „In meiner Familie wurde Türkisch gesprochen. Mein Vater kam als Gastarbeiter Ende der 1960er Jahre nach Deutschland.“
Bei der Auftaktveranstaltung des Schülercampus „Mehr Migranten werden Lehrer“ im Center for World Music erklärte Universitätspräsident Prof. Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich, Bildungsintegration zähle zu den herausragenden Profilelementen der Hochschule und wies auf das vom Senat ergänzte Leitbild hin. Dort heißt es: „Unser Land ist seit Jahrzehnten auch durch Immigration geprägt. Wir wollen konsequent dazu beitragen, die Bildungschancen von Menschen aus Einwanderungsfamilien weiter zu entwickeln, um ihre Integration zu fördern. Gleichzeitig erkennen wir ihre vielfältigen Erfahrungen an.“ Ob einzelne Projekte, Studiengänge, Professuren oder Stipendienprogramme – die Universität Hildesheim hat als eine der einzigen Hochschulen in Deutschland ein Paket an Maßnahmen geschnürt, um die Bildungschancen von Menschen aus Einwanderungsfamilien weiter zu entwickeln und ihre Integration zu fördern. Oberbürgermeister Kurt Machens bekräftigte: „Die Uni hat die Nase ganz vorn bei der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung.“ 2000 Lehramtsstudierende zählt die Universität Hildesheim, ein Schwerpunkt in der praxisnahen Lehrerausbildung liegt im Bereich Interkulturelle Kompetenz, Deutsch als Zweitsprache und Individuelle Förderung.
„Mit dem Schülercampus ‚Mehr Migranten werden Lehrer‘ will die ZEIT-Stiftung Oberstufenschüler mit ausländischen Wurzeln stärker für den Lehrerberuf motivieren“, so Dr. Tatiana Matthiesen, Leiterin Vielfalt und Bildung der ZEIT-Stiftung. Während der Anteil der Schüler nicht-deutscher Herkunft bundesweit bei über 60% liegt, fällt die Vielfalt im Lehrerzimmer deutlich geringer aus. Bundesweit wird der Anteil der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund auf 4-6 % geschätzt. Unter den Lehramtsstudierenden sind junge Menschen mit Migrationshintergrund mit nur 6% vertreten.
Der Schülercampus „Mehr Migranten werden Lehrer“ wurde 2008 von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius initiiert. Kooperationspartner des Schülercampus in Hildesheim sind die ZEIT-Stiftung, das Niedersächsische Kultusministerium, die Stiftung Universität Hildesheim, die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung, die TUI-Stiftung, die Sparkasse Hildesheim, die Bürgerstiftung Hildesheim. Unterstützt wird die Veranstaltung vom Netzwerk „Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte“ und dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration. Schirmherrin ist die Bundesministerin für Bildung und Forschung.
„Mehr Migranten sollen Lehrer werden", Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 30.11.2011
Foto-Galerie Schülercampus 2011
Uni-Journal November 2011, Schwerpunkt Bildungsintegration (PDF)