"Ich habe österreichische Historiker bisher nur im Ausland getroffen", meinte Hans-Jürgen Schröder, im Rahmen einer Tagung, die sich mit dem Verhältnis von österreich und der Bundesrepublik 1945/49 bis 1995 befasste. Der emeritierte Professor der Universität Gießen war einer von 26 Tagungsteilnehmern, die nach Hildesheim gekommen waren, um vom 26. bis 28.11.2006 zu Ehren von Professor Rolf Steininger unter anderem die Machtverhältnisse zwischen beiden Staaten zu beleuchten.
Dabei habe es nicht nur eine Asymmetrie der Machtverhältnisse zwischen beiden Staaten, sondern seitens der deutschen Historiker auch eine "Arroganz der Macht" gegeben, ergänzte Schröder. Eingeladen hatte das Institut für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim. Die Tagungsleitung hatte der Hildesheimer Professor Dr. Michael Gehler und seine Innsbrucker Kollegin Dr. Ingrid Böhler.
Die vom Präsidenten der Universität Wolfgang-Uwe Friedrich und österreichs Botschafter Christian Prosl eröffnete Tagung wollte neue Perspektiven eröffnen, Grundlagen für Spezialstudien schaffen, interdisziplinäre Ansätze für eine vergleichende europäische Zeitgeschichte entwickeln, Zeitzeugenbefragungen nutzen sowie den Austausch zwischen deutschen und österreichischen Historikern intensivieren. "Ist das erste Nachkriegsjahrzehnt bereits relativ gut erforscht, so sind folgende Jahrzehnte noch überhaupt nicht aufgearbeitet", begründete Prof. Gehler. Historiker versuchten seiner Meinung nach daher über Vergleiche der komplexen Materie Herr zu werden. Während die Bundesrepublik Gründungsmitglied der EWG gewesen ist, gehörte österreich nur der EFTA an. 1995 führten die Wege wieder zusammen, als österreich der EU beitrat. Unter dem gemeinsamen Dach "Europa" seien die Beziehungen "zwangloser" geworden, hielt Gehler einleitend fest. Auch für die Forschung ergäben sich daraus Vorteile.
Verschiedene Strukturen und Beziehungen wurden im Rahmen der Tagung analysiert. Deutlich wurde, dass das Verhältnis zwischen Bundesrepublik und österreich nicht so problemfrei war, wie es der äußere Anschein zunächst vermuten lässt. Ein wesentliches Fazit der Tagung: Im Unterschied zur Epoche von 1866 bis 1938/45 existierte nach 1945 kein starkes gemeinsames Bewusstsein mehr. Der "Anschluss" von 1938 stand für ein "deutsches Europa". Sein Ende ermöglichte erst die Wiederaufrichtung und Existenz eines selbständigen österreichs. Die Anerkennung dieses neuen Staates durch die Bundesrepublik war letztlich auch Ausdruck für die Verlässlichkeit eines europäischen Deutschlands. Die Ergebnisse der Tagung werden 2007 veröffentlicht.
Kontakt:
Prof. Dr. Michael Gehler, Telefon 05121/ 883-540
E-Mail: gehler(at)uni-hildesheim.de