Untertitel im Film: „Gesprochene Sprache ist viel schneller“

Freitag, 06. Mai 2016 um 21:38 Uhr

Was macht ihr denn da? Ein Nachmittag im Medientextlabor der Uni: Die Studentinnen Priska Mere und Laura Keiser untertiteln einen Film. Wie das geht, erzählen sie im Interview.

Ein Nachmittag am Sprachen-Campus. Ein gelber Strich zeigt einen Schnitt an. Ein blauer Text-Balken endet unmittelbar nach einem gelben Strich. Der Untertitel ist einfach noch zu kurz.

„Wir wollen nicht unmittelbar nach einem Schnitt mit einem Untertitel rausgehen“, sagt Hansjörg Bittner und zeigt auf einen Computer. „Deshalb machen wir das Ganze noch ein bisschen länger, wir müssen die Ausblendzeit des Untertitels neu einrichten“. Der Übersetzungswissenschaftler steht im Medientextlabor der Universität Hildesheim zwischen Computern und Kopfhörern und berät Studierende bei der Produktion von Untertiteln. An diesem Vormittag ist eine Studierendengruppe aus Indonesien angereist – um das Untertiteln von Filmen zu lernen. Sie lernen im Tandem, jeweils mit einer Hildesheimer Studentin. Isa Lange traf zwei Studentinnen, die gemeinsam einen Film untertiteln.

Nachgefragt bei…

… Priska Mere, 21, studiert in Yogyakarta, Indonesien, Deutsch als Fremdsprache, lernt die Filmuntertitelung in Hildesheim

… Laura Keiser, 21, studiert Übersetzen mit den Sprachen Englisch und Spanisch an der Universität Hildesheim

Was macht ihr gerade?

Priska: Wir produzieren eine Untertitelung für einen Film. Ich lerne das gerade in Hildesheim, ich finde es super, etwas Neues zu lernen. Der Film ist in englischer Sprache.

Laura: Der Film heißt „Last letter home“. Eine Ehefrau schreibt sich Briefe mit ihrem Mann, der im Krieg ist. Wir übersetzen jetzt gerade einen Abschnitt des Films auf Deutsch und produzieren Untertitel, etwa: „Ich warte auf dich mit offenen Armen und ich werde mich um dich kümmern.“

Was ist eine Herausforderung beim Produzieren von Untertiteln? Hat man als Übersetzerin zu wenig Platz? Schließlich müsst ihr gesprochene Sprache in Schrift umsetzen – und der Film läuft ja weiter.

Laura: Das Problem ist: Die gesprochene Sprache ist viel schneller als die geschriebene Sprache. So habe ich meist ein Platzproblem. Ich muss die Untertitel also möglichst kurz halten, damit der Leser den Text in einer gewissen Geschwindigkeit noch lesen kann.

Priska: Genau, das ist schwierig. Ich muss aufpassen auf die Zeit. Der Untertitel darf nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz sein.

Laura: Eine andere Schwierigkeit: Manche Leute, die zum Beispiel einen englischsprachigen Film anschauen, haben nur Grundkenntnisse in Englisch und schalten daher deutsche Untertitel an. Dann erwarten sie natürlich, dass die Untertitel möglichst genau und nah an der Ausgangssprache übersetzt sind.

Welche Rolle spielen Untertitel im indonesischen Fernsehen und Film?

Priska: Ich habe gehört, dass in Deutschland viele Filme synchronisiert werden. Bei uns in Indonesien gibt es auch Filme, die synchronisiert werden, aber das ist eher selten, vor allem weil es viel Geld kostet. Ich schaue Filme in der Originalsprache und lese die englischen oder indonesischen Untertitel, um den Film zu verstehen. Es gibt bei uns auch Kinoabende, in einer Art „Kino-Café“ können wir so Deutsch lernen: Wir schauen gemeinsam deutschsprachige Filme, zum Beispiel „Das Labyrinth des Schweigens“. Es gibt so viele tolle Filme. Die meisten der deutschen Filme sind mit englischen Untertiteln verfügbar.

Du bist an der Universität Hildesheim, um das untertiteln zu lernen?

Priska: Meine Studienreise wird vom DAAD unterstützt. Wir beschäftigen uns mit der Untertitelung und Medientexten. Ich mag das Thema sehr. Ich denke gerade: Ich möchte hier in Hildesheim auch studieren! Ich finde das cool, hier zu arbeiten. Ich bin jetzt im Bachelorstudium.

Hast du die deutsche Sprache auch mit Filmen gelernt?

Priska: Ich lerne gerne Sprachen. Ich lerne durch Filme, durch Musik und Youtube-Videos. Für mich funktioniert Sprache nur, wenn ich höre und spreche. Nur lesen reicht nicht aus. Deshalb ist so eine Studienreise gut, ich treffe viele Menschen.

In Deutschland werden viele Filme synchronisiert. Dann fällt eine Sprache weg, die Originalsprache ist dann aus dem Film verschwunden. Weshalb lernst du das Untertiteln im Medientextlabor in Hildesheim?

Laura: Mir macht das Untertiteln einfach Freude, ich übersetze gerne. Ich glaube, es kann Menschen helfen, eine Sprache zu erlernen, wenn sie Filme in der Originalsprache mit Untertiteln anschauen. Die Sprache in Untertiteln ist besonders, auch die Sprache in Hörfilmen ist sehr dicht.

Wie geht es für dich nun weiter?

Laura: Ich habe im letzten Jahr im Ausland studiert, im spanischen Cordoba. Erst habe ich nur aus Spaß einige Dolmetsch-Kurse besucht, ich möchte mich in dem Bereich spezialisieren.

Das klingt interessant, vielleicht dolmetschst du einmal die Rede der Bundeskanzlerin.

Laura (lacht): Oh ja, das wäre toll – ob ich das so weit schaffe?

Die Fragen stellte Isa Lange.

Info: Austausch mit Universität in Indonesien

Haben einen Studierendenaustausch organisiert: Sri Megawati (Yogyakarta) und Hansjörg Bittner (Hildesheim). Foto Isa Lange/Uni Hildesheim

Hansjörg Bittner bildet an der Universität Hildesheim Fachleute für Untertitelung aus. Deutschland sei ein „typisches Synchronisationsland“, die skandinavischen Länder hingegen nutzen weit mehr Untertitel. In Indonesien hat Bittner Vorträge zur Untertitelung gehalten und Kontakte zu indonesischen Kollegen aufgebaut. In seiner Habilitation befasst sich Bittner mit Übersetzungsqualität. „Eine Übersetzungslösung ist nur so gut wie die Argumente, die sich für sie ins Feld führen lassen“, sagt der Übersetzungswissenschaftler.

„Wir lernen die deutsche Sprache auch mit Musik, mit Literaturverfilmungen. Medien sind eine Chance. Dann aber sind persönliche Begegnungen und Gespräche wichtig, deshalb führt uns die Studienreise nach Hildesheim“, sagt die indonesische Dozentin Sri Megawati, die im Wintersemester 2015/16 mit 15 Studierenden nach Deutschland gereist ist.

In Hildesheim ist Indonesisch zwar kein Sprachenschwerpunkt. Aber: „Wir wollen weiterhin mit Kollegen aus dem Ausland zusammenarbeiten, um Erkenntnisse aus der Übersetzungswissenschaft auszutauschen“, so Bittner. Studierende aus Hildesheim gehen für Auslandssemester vor allem nach Spanien, Frankreich und in englischsprachige Länder.

Kurz erklärt: Medientextlabor

Im Medientextlabor der Universität Hildesheim lernen Studierende an 40 Computerarbeitsplätzen, die mit moderner Software ausgestattet sind, Filme zu untertiteln und Medientexte zu übersetzen. Sie üben das Synchronisieren und bereiten Internetseiten für Menschen mit Behinderungen auf. Für Sehgeschädigte erstellen die Studierenden etwa in Zusammenarbeit mit dem Bayrischen Rundfunk Audioeinführungen für Hörfilme, für Hörgeschädigte bereiten sie Texte in Leichter Sprache auf. Die angehenden Medienübersetzer bringen komplexe Sachverhalte – etwa Gesetzestexte – verständlich zum Ausdruck.

Kurz erklärt : Studiengang „Medientext und Medienübersetzung“

Seit 2011 lernen Studierende der Universität Hildesheim im Masterstudiengang „Medientext und Medienübersetzung“ den Umgang mit und die Bearbeitung von Medientexten in sehr unterschiedlichen Kontexten. Sie untertiteln Filme aus anderen Sprachen, üben sich im Synchronisieren, organisieren die mediengestützte Unternehmenskommunikation und bereiten Medienprodukte für Menschen mit Behinderungen auf. In Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Rundfunk und dem  Bayrischen Rundfunk erstellen Studentinnen und Studenten zum Beispiel Audioeinführungen für Hörfilme oder untertiteln Filme.

Kurz erklärt: Barrierefreie Kommunikation in Hildesheim

Prof. Nathalie Mälzer entwickelt mit Studierenden Hörfilme und Übertitel für das Theater. Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim

Am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim liegt ein Arbeitsschwerpunkt im Bereich „Barrierefreie Kommunikation“. Die Universität bildet im Medientextlabor Fachleute für „Barrierefreie Kommunikation" aus.

An der Universität Hildesheim wurde die bundesweit erste Forschungsstelle zu Leichter Sprache aufgebaut, an der wissenschaftliche Arbeiten und praktische Projekte umgesetzt werden. Die Leichte Sprache – ein Zusatzangebot zum Originaltext – helfe allen Leuten, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, sagt Professorin Christiane Maaß. Die Medienlinguistinnen bereiten an der Uni Fachtexte und Formulare von Behörden verständlich auf. In Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Justizministerium werden zum Beispiel Rechtstexte übersetzt.

„Untertitel und leichte Sprache sind auch für Menschen hilfreich, die neu in einem Land ankommen und die deutsche Sprache erst erlernen. Filme mit Audiodeskription beschreiben Handlungen und schildern Situationen in prägnanter, stilistisch abwechslungsreicher Weise. So kann man seine Sprachkenntnisse sowohl beim Lesen von Untertiteln als auch beim Hören von Audiodeskriptionen verfeinern“, sagt Professorin Nathalie Mälzer. Der Hildesheimer Doktorand Maher Tyfour etwa schaut den Sonntagskrimi stets in der Hörfilmfassung – die dichte Sprache im „Tatort“ sei „atemberaubend“. Der junge Mann, der zuvor in Syrien studiert hat, erweitert mit solchen Hörfilmen auch seinen Wortschatz.

Medienkontakt: Pressestelle der Uni Hildesheim (Isa Lange, presse@uni-hildesheim.de, 05121.883-90100)


Die Studentinnen Priska und Laura befassen sich im Medientextlabor der Uni Hildesheim mit barrierefreier Kommunikation. Eine Gruppe Studierender ist aus Yogyakarta/Indonesien angereist, um in Hildesheim das Untertiteln von Filmen zu erlernen. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim