Bei Atelierbesuchen in England, Österreich und Deutschland sind Studierende der Kulturwissenschaften seit 2008 insgesamt 16 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern begegnet. „In den Künstlergesprächen im kleinen Rahmen hatten sie die Möglichkeit, direkt zu erfahren, wie die Künstler mit dem Medium Fotografie, mit seiner spezifischen Visualität und seiner Materialität arbeiten. Im Vergleich der unterschiedlichen Positionen zeigt sich, wie die Fotografie innerhalb der Bildenden Kunst seit den 1980er Jahren an Bedeutung gewonnen und wie sie sich in den vergangenen zehn Jahren immer mehr ausdifferenziert hat“, erklärt Dr. Torsten Scheid vom Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft der Universität Hildesheim. Er hat die Atelierbesuche im Rahmen von Lehrveranstaltungen angeboten, die wiederum im Magazin „Photonews“ in der Reihe „Lokaltermine“ professionell dokumentiert und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt wurden. „Die internationalen Künstler haben sich auf intensive Auseinandersetzungen mit den Studierenden eingelassen“, zeigt sich Scheid begeistert.
„Die Künstler erzählen von Orten, nehmen Standpunkte ein. Da ist zum Beispiel Oliver Boberg, der Modelle baut und sie anschließend fotografieren lässt. Boberg konstruiert Wirklichkeit, eine Häuserwand mit Alterungsspuren an der Fassade. Sein Atelier gleicht einer Modellbauwerkstatt – während Michael Reisch etwa seine digital bearbeiteten Großformatfotografien in den nüchternen Räumlichkeiten eines Architekturbüros produziert“, berichtet Scheid von den Atelierbesuchen. Thomas Dillmann hingegen erzeugt in seinem Maleratelier in monatelanger Arbeit Gemälde, die fotografischen Momentaufnahmen gleichen. „Die wohl ungewöhnlichste Produktionsstätte befand sich im Institut für Fleischhygiene und Lebensmittelwissenschaft der Veterinärmedizinischen Universität Wien, wo Edgar Lissel mit Bakterienkulturen als Bildmedien experimentiert“, so Torsten Scheid, auch Kurator der Ausstellung ist.
Seit Mitte Oktober bilden die Künstlergespräche die Grundlage für eine umfangreiche Grupppenausstellung „Points of View. Orte der Fotografie“ im Roemer- und Pelizaeus-Museum.
Auf etwa 600 qm Ausstellungsfläche werden bis Ende Januar 2013 Bilder von Orten und Nicht-Orten gezeigt, von Landschaften und urbanen Lebenswelten. Das Ausstellungsprojekt, das in Kooperation zwischen dem Kunstverein Hildesheim und dem Roemer- und Pelizaeus-Museum entstanden ist, konzentriert sich auf Kunst und Fotografie seit der Jahrtausendwende. Mit Oliver Boberg, Thomas Dillmann, Christoph Engel, Katharina Gaenssler, Christoph Girardet, Andreas Gefeller, Eva Leitolf, Edgar Lissel, Michael Reisch, Jörg Sasse und Hans Christian Schink sind elf international erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler vertreten.
Auf der Frankfurter Buchmesse wurde bereits ein zweisprachiger Katalog (dt./engl.), präsentiert, der ab Ausstellungsbeginn auch im Buchhandel erhältlich ist. Im Textteil sind neben einem Essay von Prof. Dr. Thomas Lange auch die vorausgegangenen Artikel zu den Lokalterminen versammelt. Sowohl bei der Ausstellungskonzeption als auch bei der Umsetzung der Publikation waren Studierende des Instituts für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft beteiligt.
Im Rahmen der Ausstellung ist eine Reihe von öffentlichen Gesprächen mit den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern geplant. Kooperationspartner dafür ist die Stiftung Universität Hildesheim mit dem Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft und dem Herder Kolleg.
Der erste Gesprächstermin mit Oliver Boberg findet am Mittwoch, 31. Oktober, um 18:00 Uhr in den Räumen der Ausstellung „Points of View. Orte der Fotografie" im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim statt.