Können Sie von ihrem Werdegang erzählen?
Ich bin mit 15 Jahren von Südkorea nach Deutschland gezogen. Später habe ich dann in München Philosophie, Mathematik und Komparatistik studiert. Nach Abschluss meines Magisters musste ich aufgrund des Wehrdienstes für dreieinhalb Jahre zurück nach Korea. Dort war ich als Offizier und Dozent für Philosophie an der Koreanischen Militärakademie tätig. Damals habe ich auch angefangen, Werke von Nietzsche und Wittgenstein ins Koreanische zu übersetzen. In dieser Zeit wurde ich auf das Problem von der Übersetzung philosophischer Begriffe und Texte aufmerksam. Ich spürte eine tiefe Unstimmigkeit in meiner Muttersprache, die durch die Übersetzung europäischer Texte verursacht worden war. Die traditionelle philosophische Sprache, zum Beispiel jene des Buddhismus, war vollkommen entkoppelt von der „modernen“, das heißt europäischen, philosophischen Sprache.
Als ich aus Korea zurückkam, habe ich mich deshalb entschieden, mich von der rein europäischen Philosophie zu lösen. Das veränderte Promotionsprojekt war dann so interkulturell, dass ich es nur in Hildesheim realisieren konnte. So kam ich in Berührung mit dem DFG-Koselleck Projekt zur globalen Philosophiegeschichte – in diesem Kontext beschäftigte ich mich vor allem mit koreanischer Philosophiegeschichte. Jetzt arbeite ich auch als Übersetzer der Sprachen Deutsch, Englisch, Koreanisch und Altchinesisch - und lasse die Erkenntnisse aus dem Übersetzungsprozess in meine philosophische Forschung einfließen.
Wie würden Sie einem Laien auf dem Gebiet erklären, woran Sie forschen?
Interkulturelle Philosophie umfasst die Forschung an europäischen und außereuropäischen Traditionen – in ergänzender und vergleichender Perspektive. Die Philosophiegeschichten, die an europäischen Universitäten gelehrt werden, setzen meist den Ursprung des philosophischen Denkens im antiken Griechenland bei Thales. Damit wird suggeriert, dass in anderen Kulturen Philosophie vor Westkontakt als Disziplin nicht existierte. Diesem einseitigen Narrativ versuchen wir in Hildesheim entgegenzuwirken, indem wir andere Akteurinnen und Akteure integrieren, mehrere Ursprünge mitdenken und verschiedene Traditionen und Philosophien miteinander verflechten. Das ist ein Schwerpunkt meiner Forschung; der andere ist die Übersetzung von Philosophien zu reflektieren, insbesondere unter postkolonialen und dekolonialen Gesichtspunkten.
Woran forschen Sie aktuell?
Ich forsche an Übersetzungsgeschichte und an einer Sprachphilosophie der Übersetzung. Konkret interessiert mich gerade zum einen die Rezeption europäischer Texte in Ostasien seit dem 17. Jahrhundert: Diese Zeit großer philosophischer Desorientierung und Umorientierung, in der zwei philosophische Welten aufeinanderprallten, war äußerst folgenreich. Zum anderen möchte ich das Übersetzen philosophischer Texte in zweierlei Hinsicht reflektieren: Erstens in theoretischer, also sprachphilosophischer, Hinsicht: Welches Erkenntnispotential birgt es in sich, wenn man zwischen so weit auseinanderliegenden Sprachen hin und her übersetzt? Gibt es – außer der offensichtlichen Schwierigkeiten – auch einen Gewinn für die Philosophie? Und zweitens: Wie ist die Beziehung zwischen dem europäischen Denken und dem ostasiatischen Denken historisch zu verorten?
Zur Person:
JP Dr. Sool Park, geboren 1986 in Südkorea, studierte Philosophie, Mathematik und Komparatistik in München. Er lehrte Philosophie an der Koreanischen Militärakademie und promovierte anschließend 2021 an der Universität Hildesheim. Seit Oktober 2023 ist er Juniorprofessor für Interkulturelle Philosophie an der Universität Hildesheim. Er forscht vor allem zur deutschen und ostasiatischen Philosophie und ist als Übersetzer philosophischer und literarischer Werke tätig. So übersetzte er bereits Werke von Wittgenstein, Nietzsche, Novalis, Trakl und Hölderlin.