Parteikommunikation im Zeitalter von Social Media

Dienstag, 12. Mai 2020 um 10:35 Uhr

Dr. Mario Datts, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Politikwissenschaft der Universität Hildesheim, erforscht die Parteikommunikation im Zeitalter von Social Media. In Hildesheim forscht und lehrt der Politikwissenschaftler in der Arbeitsgruppe Politik und Internet. Er hat jüngst in einer empirischen Untersuchung die Facebooknutzung durch die Kreisverbände der deutschen Parteien erforscht.

Was bewegt Politiker und Parteien dazu, soziale Medien als Kommunikationskanal zu nutzen, welche Erwartungen und Konsequenzen sind damit verbunden?

Der Politikwissenschaftler Dr. Mario Datts von der Forschungsgruppe Politik und Internet am Institut für Sozialwissesnchaften der Universität Hildesheim spricht im Interview über die Parteikommunikation im Zeitalter von Social Media und liefert wichtige Erkenntnisse.

Herr Dr. Datts, in Ihrer Dissertation „Parteikommunikation im Zeitalter von Social Media“ untersuchen Sie die Präsenz kommunaler Parteiverbände im Social Web und identifizieren zentrale Nutzungsgründe. Können Sie uns diese nennen? Was veranlasst Parteien dazu, die sozialen Medien für ihre Kommunikation einzusetzen?

Es ist interessant, dass auch die untersten Parteigliederungen neue Informations- und Kommunikationskanäle, wie Facebook, Twitter und WhatsApp nutzen. Dies zeigen die Ergebnisse meiner Untersuchung. Hierzu gab es bislang ja keine Erkenntnisse. Generell weiß man nur sehr wenig über die Parteiaktivitäten in den Kommunen – und das obwohl die Kommune gemeinhin als Trainingsfeld der Demokratie gilt und ihr dementsprechend eine immens wichtige Rolle für unsere Gesellschaft beigemessen wird. Ohne an dieser Stelle zu sehr ins Detail gehen zu wollen, deuten meine Ergebnisse darauf hin, dass Parteien soziale Medien dafür nutzen, um ganz verschiedene Ziele zu erreichen. Das eine, alles überlagernde Ziel, dass durch die Nutzung von Facebook und Co. erreicht werden soll, gibt es meines Erachtens nach nicht. Einerseits kann ich für die Kreisverbände der deutschen Parteien zeigen, dass die wahrgenommenen Erwartungshaltungen vonseiten der eigenen Mitglieder von Bedeutung für die Entscheidung sind Social Media zu nutzen. Dies belegt, dass die Parteien in Deutschland noch immer eine starke Mitgliederorientierung aufweisen und das Parteien sehr genau beobachten, welche Erwartungen an sie herangetragen werden. Richtigerweise müsste man hier wohl von vermuteten Erwartungshaltungen sprechen, denn die Parteien können genau genommen gar nicht wissen, ob diese Erwartungen tatsächlich existieren. Darüber hinaus geht es aber auch um die Beeinflussung der Wählerinnen und Wählern und für einige Kreisverbände wohl nicht zuletzt auch darum, die als unfair berichtend wahrgenommenen klassischen Massenmedien zu umgehen. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Parteien in urbanen und von vielen jungen Menschen bewohnten Gegenden aktiver kommunizieren, als Parteien in eher ländlichen Gebieten. Dies mag damit zusammenhängen, dass Parteien in städtisch geprägten Regionen mehr Feedback auf ihre Aktivitäten erhalten und dadurch ein zusätzlicher Nutzungsanreiz entsteht – das Gefühl, dass die eigenen Botschaften auf Resonanz stoßen scheint also nicht ganz unwichtig zu sein.

Welche Erfolge können dadurch erzielt werden?

Gerade die AfD erhält extrem viel Resonanz auf ihre Social Media Aktivitäten. Dies kann ich in meiner Studie zweifelsohne belegen. Dadurch kann sie ihre Botschaften, vorbei an den klassischen Massenmedien, als den traditionellen „Gatekeepern“, an ihre Mitglieder, Wähler und Sympathisanten transportieren – und das ohne eine kritische Einordnungen durch Dritte. Die Möglichkeit der direkten Kommunikation mit den Zielgruppen ist für Parteien wie die AfD sicherlich sehr wichtig und sie glaubt sicherlich auch an den Erfolg ihrer Strategie, wie einige andere Parteien auch. Ich hatte eben ja davon gesprochen, dass die Parteien offenbar viele Vermutungen darüber anstellen, was von ihnen erwartet wird. Ganz ähnlich dürfte es sich mit allen Zielen verhalten: es geht meines Erachtens nach nicht so sehr um harte Fakten, sondern darum ob eine Partei glaubt ihre Ziele mit Social Media erreichen zu können – oder ob sie das eben nicht glaubt. Denn generell ist es sehr schwer zu messen, welche Erfolge Parteien durch die Nutzung sozialer Medien tatsächlich erzielen können, da man beispielsweise für die Messung ob nun das Ziel der Wählerbeeinflussung erreicht wurde, umfangreiche Daten ebenjener Wähler bräuchte, die man überdies noch sinnvoll mit den Kommunikationsaktivitäten der Parteien im Social Web in Verbindung bringen müsste und zahlreiche andere Einflussfaktoren, wie den Einfluss der Berichterstattung der klassischen Massemedien, herausrechnen müsste. Ein, gerade für Deutschland, schwieriges Unterfangen – schließlich dürfen Forscher hier aus guten Gründen nicht auf Wählerdaten zugreifen. Die jüngsten Wahlerfolge von Akteuren, die ganz gezielt soziale Medien nutzen, wie beispielsweise Donald Trump in den USA und die AfD in Deutschland, deuten allerdings darauf hin, dass soziale Medien durchaus einen Unterschied machen können. Jedoch muss die Nutzung von Facebook, Twitter, Instagram und Co. in eine übergreifende Kommunikationsstrategie eingebettet werden, um zu funktionieren. Das haben die schlechten Wahlergebnisse von Michael Bloomberg im Verlaufe des Vorwahlkampfes der Demokraten gezeigt, dem es trotz der Investitionen von hunderten Millionen US-Dollar in Facebook-Werbung nicht gelungen ist einen signifikanten Anteil der Wähler von sich zu überzeugen.

Wie schätzen Sie die Zukunft einer Partei ein, die sich sozialen Medien gegenüber verschließt?

Ich denke, dass es tatsächlich darauf ankommt, wie die übergreifende Kommunikationsstrategie eines politischen Akteurs ausgestaltet ist. Das Beispiel des Grünen-Vorsitzenden Rober Habeck, der trotz seines Rückzugs aus dem Social Web zu den beliebtesten deutschen Politikern gehört, zeigt, dass politische Akteure auch ohne soziale Medien erfolgreich sein können. Auf der anderen Seite wissen wir, dass soziale Medien gerade für die jüngere Generation zentraler Bestandteil ihrer Routinekommunikation ist und das viele Personen ihre politischen Informationen inzwischen nicht zuletzt über Facebook und Co. beziehen. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass Parteien, die ganz gezielt auf Social Media setzen, wie die AfD, extrem hohe Resonanzwerte auf ihre Botschaften erzielen, kann man durchaus die Frage stellen, ob es sich eine komplette Partei leisten kann sich den sozialen Medien gänzlich zu verschließen. Man kann die Auswirkungen eines kompletten Rückzugs einer Partei ja an einem fiktiven Beispiel einmal durchspielen: wenn ein junger Mensch Mitglied in einer Partei werden will, ist es sehr wahrscheinlich, dass er sich zunächst einmal im Social Web über deren Aktivitäten informieren will. Er erwartet Fotos und Videos von Veranstaltungen sowie prägnante Botschaften der politischen Ziele jener Partei. Findet er diese Partei weder auf YouTube, noch auf Facebook oder Instagram so wird dies, gelinge gesagt, wohl erstmal für Irritationen bei ihm sorgen. Ob sich dieser junge Mensch anschließend noch die Mühe macht gezielt nach einer Parteiwebsite zu suchen oder zum Telefonhörer greift, um sich beim Ortsvorsitzenden über Mitmachmöglichkeiten zu informieren, würde ich stark bezweifeln. Überdies sollte man auch bedenken, dass gerade jene Akteure stark auf die sozialen Medien setzen, die gängige Überzeugungen und Werte kritisch sehen und diese ganz offen angreifen. Man könnte daher die These vertreten, dass jene Parteien, die den Aktivitäten von AfD, Pegida und Co. kritisch gegenüberstehen diesen in einem Resonanzraum, der für viele Menschen von immenser Bedeutung ist, engagiert entgegentreten müssten. Dies geschieht meines Erachtens nach nicht – zumindest nicht auf der kommunalen Ebene, wie ich in meiner Untersuchung zeigen kann.

Lesen Sie das ganze Interview hier [Nomos-Verlag].


Mario Datts forscht in der Arbeitsgruppe Politik und Internet am Institut für Sozialwissenschaften. Foto: privat

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