Mit 17 in den Hörsaal

Freitag, 14. Oktober 2011 um 10:06 Uhr

Mit 17 an die Uni – die zwei jüngsten Studentinnen fühlen sich nicht als Nesthäkchen oder Turbo-Schülerinnen. Die Altersspanne könnte breiter nicht sein: 1920 und 1993 – das sind die Geburtsjahre der ältesten und jüngsten Studierenden im Wintersemester 2011/12. An der Stiftung Universität Hildesheim haben sich im Vergleich zum Vorjahr rund 20 Prozent mehr Studienanfänger eingeschrieben. Die Universität geht davon aus, dass sie in diesem Jahr die Gesamtzahl von rund 6000 Studierenden erreichen wird.

1920 und 1993 – das sind die Geburtsjahre der ältesten und jüngsten Studierenden an der Stiftung Universität Hildesheim. In diesem Jahr feiert die Hochschule das 25-jährige Bestehen des Gasthörerstudiums. Während eine 91-jährige Gasthörerin aus Hildesheim an vier Veranstaltungen pro Woche teilnehmen wird – im vorigen Wintersemester waren dies die Vorlesungen aus den Bereichen Literatur, Philosophie, Geschichte und Kunst –, steht für Cindy Höhne aus Sachsen-Anhalt und Jacqueline Pringal aus Niedersachsen die Stundenplangestaltung noch bevor. Beide nehmen ihr Studium zum Wintersemester auf. Was sie verbindet? Mit ihren 17 Jahren sind sie die jüngsten Studierenden an der Universität.

Rund 80 Tutoren – Studierende aus höheren Semestern – aus allen Fachbereichen begleiten die Erstsemester ab Montag, 17. Oktober, beim Einstieg in das Studium und den Universitätsbetrieb. Die Tutoren werden auch den beiden 17-Jährigen bei der Stundenplangestaltung helfen, dafür wurden sie in Schulungen ausgebildet und auch für ggf. auftretende besondere Fragen minderjähriger Studierender sensibilisiert; im Studienverlauf gibt es keine Notwendigkeit besonderer Regelungen für die unter 18-Jährigen. Insbesondere die Begleitung in der Studieneingangsphase wurde in Hildesheim zum Start des Wintersemesters professionalisiert. „Ziel des Erstsemestertutoriums (EST) ist es, den Übergang von der Schule in die Hochschule zu erleichtern und vor allem eine Ansprache auf Augenhöhe sicherzustellen", betont Martin Scholz, Leiter der Zentralen Studienberatung, und ergänzt: „Die vielen Informationen müssen sortiert werden, insbesondere in den ersten Tagen. Ein Beispiel ist die Stundenplangestaltung. Gerade hier können die Studienanfänger von den Erfahrungen der älteren Studierenden profitieren."

„Wenn man mit 16 Jahren eine Lehre machen kann, warum sollte man nicht mit 17 studieren können? Die neue Bachelor-Master Studienstruktur erleichtert es zudem, die Studienwahl zu revidieren und nötigenfalls einen anderen Schwerpunkt zu wählen", sagt Prof. Dr. Werner Greve, Direktor des Instituts für Psychologie. „Sicher aber werden wir Lehrenden uns ändern müssen, und uns methodisch auf die jünger werdenden Studierenden einstellen.“

Das Abitur hat Cindy Höhne in der Tasche, im Dezember 2011 wird sie volljährig. Sie kommt aus Sachsen-Anhalt und nimmt an der Stiftung Universität Hildesheim ihr Lehramtsstudium mit den Fächern Mathe und Sport auf. „Ich weiß noch nicht genau, was beim Studium auf mich zukommt und ob es sich sehr von der Schule unterscheidet. Dass ich die jüngste Studentin in Hildesheim bin – damit habe ich keine Probleme. Ich war immer die Jüngste. Ich bin so aufgewachsen, immer ein Jahr voraus zu sein“, erzählt Cindy Höhne. Geboren wurde sie in der Lutherstadt Wittenberg, mit fünf Jahren wurde sie eingeschult und hat nach 12 Jahren ihr Abitur gemacht. „Ich habe mir im Studentenwohnheim ein Zimmer gemietet. Da ich drei Stunden mit dem Zug fahren müsste, wäre das zu weit, täglich zu pendeln. Es gab dabei keine rechtlichen Probleme, meine Mutter meldete sich telefonisch beim Studentenwerk, hat den Mietvertrag zusätzlich unterschrieben.“ „Unsere Tochter wird uns zu Hause fehlen. Ich selbst bin auch Grundschullehrerin und begann 1985 mein Studium nach der 10. Klasse, also mit 16 Jahren. Cindy hat jetzt ganz andere Möglichkeiten, um ein Studium erfolgreich zu absolvieren“, sagt Cindys Mutter und ergänzt: „Als die Studienplatzzusage aus Hildesheim kam, begann sofort die Suche nach einer Unterkunft und gemeinsam berieten wir ob eine WG oder ein Wohnheim in Frage kommen. Auf Grund ihres Alters und keiner positiven WG Zusagen entschlossen wir uns für die Beantragung des Wohnheimplatzes. Diesen bekamen wir ohne Probleme."

Die gebürtige Hildesheimerin Jacqueline Pringal wird im November volljährig. Sie gehört zu dem ersten Jahrgang, der in Niedersachsen das Abitur nach 12 Jahren absolviert hat. „Es ist eine große Veränderung. Ich fühle mich plötzlich erwachsener, obwohl ich noch so jung bin. Zur Schule würde ich jetzt nicht länger gehen wollen; auch wenn es anfangs komisch war, so schnell damit fertig zu sein. Ich sehe mich weder als Turbo-Schüler noch als Nesthäkchen. Man sollte nicht darüber urteilen, ob man mit 17,19 oder 23 studiert. Ich persönlich bin froh, dass ich so jung bin und jede Menge Zeit für die unterschiedlichsten Sachen habe. Jetzt freue ich mich auf das Studium in Hildesheim“, erzählt Jacqueline Pringal, die nun an der Universität „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ studiert. Zurzeit wohnt sie zuhause bei ihren Eltern in Bornum, ist aber auf der Suche nach einer kleinen Wohnung in Hildesheim. „Dann muss ich nicht jeden Tag weit fahren, spare viel Zeit und bin ich dann ja quasi „mitten im Geschehen", was für die Uni und für Freizeitbeschäftigungen optimal ist. Den Antrag auf Einschreibung an der Universität mussten ihre Eltern unterschreiben, da ihre Tochter mit 17 Jahren noch keine Verträge unterzeichnen darf.

Vor einigen Jahren waren minderjährige Studierende an den Hochschulen eine Rarität. Laut Statistischem Bundesamt zählte die Bundesrepublik vor zehn Jahren nur 233 Studierende unter 18 Jahren. In Niedersachsen war die Zahl der minderjährigen Studienanfänger bisher im niedrigen zweistelligen Bereich, an der Stiftung Universität Hildesheim waren seit 1992 sechs Studierende unter 18.

Brief der niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und Kultur an die Studierenden

Brief der niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und Kultur an die Lehrenden

Informationen zur Einführungswoche auf einem Blick

Pressestimmen zum Studienbeginn: Hildesheimer Allgemeine Zeitung


Mit 17 in den Hörsaal. Jacqueline Pringal studiert in Hildesheim „Internationale Kommunikation und Übersetzen“. Foto: Chris Gossmann

Mit 17 in den Hörsaal. „Es ist eine große Veränderung. Ich fühle mich plötzlich erwachsener, obwohl ich noch so jung bin", sagt Jacqueline Pringal, die ab Mitte Oktober in Hildesheim „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ studiert. Foto: Chris Gossmann