Die Arbeit an der Umsetzung einer tiefgreifenden Studienreform beschäftigt die Hochschulen in Deutschland und Europa nunmehr seit Ende der 1990er Jahre. An der Stiftung Universität Hildesheim sind mittlerweile alle Studiengänge auf das neue System gestufter Studiengänge (Bachelor/Master) umgestellt. „Gleichwohl machen die anhaltenden Diskussionen in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit deutlich, dass eine wirklich gehaltvolle Umsetzung des Bologna-Prozesses eines langen Atems aller beteiligten Institutionen und Akteure bedarf“, betont Prof. Dr. Toni Tholen, Vizepräsident für Lehre und Bologna-Koordinator der Stiftung Universität Hildesheim und ergänzt: „Nach einer ersten Phase der strukturellen Implementierung der gestuften Studiengänge sollen nun stärker die inhaltlichen Aspekte eines guten Studiums und einer qualitativ verbesserten Lehre in den Mittelpunkt gestellt werden.“
Mehr als 220 Expertinnen und Experten aus Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Musik- und Kunsthochschulen, Ministerien sowie Studierende diskutierten am 24. und 25. März 2011 bei der Auftaktveranstaltung des Projekts nexus der HRK an der Stiftung Universität Hildesheim über ausgewählte Fragen der Studienreform. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt unterstützt die Hochschulen bei der Entwicklung und Verbreitung neuer Konzepte und guter Praxisbeispiele in zentralen Handlungsfeldern der Studienreform. Dazu zählen der Abbau von Mobilitätsbarrieren, der Umgang mit Diversität, die Entwicklung eines bedarfsgerechten Angebots von Masterstudiengängen, die Arbeitsmarktrelevanz sowie die Reform der Lehramtsausbildung. „Die Fehler, die im Rahmen der Studienreform im Einzelnen und im Großen gemacht wurden, sollen ganz konkret angesprochen und Lösungswege gefunden werden. Probleme dürfen nicht unter den Tisch gekehrt werden. nexus ist ein Kommunikations- und Informationsprojekt“, betonte Ministerialdirigent Peter Greisler, Bundesministerium für Bildung und Forschung.
„Wir führen derzeit eine besonders intensive Diskussion über die Qualität in der Lehre“, so Prof. Dr. Johanna Wanka, niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, die die Gründe für diese Debatte in der stark auf Forschung fokussierten Exzellenzinitiative und der Studienreform sieht. Wanka forderte, dass die Lehrkompetenz in Berufungsverfahren stärkere Berücksichtigung finden müsse.
„Bei der Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge ging es um viel mehr als um ein neues Etikett. Akademische Lehre hat eine neue, tiefere Bedeutung erhalten. Der Kompetenzbegriff steht im Mittelpunkt. Die Studierenden sollen nicht einfach nur Wissen akkumulieren, sondern Können entwickeln“, so die Präsidentin der HRK, Prof. Dr. Margret Wintermantel. Die Umwandlung von der Wissensakkumulation zur kompetenzorientierten Lehre müsse die „gesamte Studiengangsgestaltung verändern“, dies wurde nicht immer hinreichend erkannt. Die Präsidentin der HRK betonte, dass „die Hochschulen in Deutschland Enormes geleistet haben“, würdigte die Innovationskraft des Hochschulstandorts Deutschland, bemängelte aber auch die finanziellen Rahmenbedingungen. Der Wissenschaftsrat hat nach einer Feststellung aus dem Jahr 2006 eine um mindestens 15 Prozent erhöhte Kapazität für Lehre und Beratung, d.h. mindestens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, als erforderlich angesehen. Ein Bedarf, der durch den 11. Studierendensurvey 2011 bestätigt wurde.
„nexus wird sich stärker um die inhaltlichen Aspekte der Studiengangsgestaltung kümmern. Wie viel Freiraum ist im Studium überhaupt möglich? Wir müssen eine eigenständige, selbstverantwortliche Form des Studierens wieder intensivieren.“ Derzeit sei ein erfreulicher Zuwachs an Studierenden zu verzeichnen. Auch aufgrund der „demografischen Krise wird es aber notwendig sein, dass, wenn wir die wissensbasierte Gesellschaft ernst nehmen, die Hochschulen Angebote für eine vielfältigere Studierendenschaft machen“, erläuterte die HRK-Präsidentin. Neue Studiengangsmodelle seien notwendig, die sich verstärkt an Berufserfahrene, Teilzeitstudierende mit Familie oder Studierende mit Migrationshintergrund richten.
„Wir wollen verbessern, wir wollen ändern, wir wollen korrigieren. Aus dem sehr großen Freiheitsverständnis des früheren Studiums ist eine zu große Einengung im Rahmen der Studienstrukturreform geworden. Wir justieren die Studiengänge gewissermaßen neu, um wieder mehr Freiräume zu schaffen. Allerdings gibt es ein Problem mit den Akkreditierungsagenturen, die teilweise von den Hochschulen zu detaillierte Modulhandbücher verlangen“, erläutert Prof. Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich, Präsident der Stiftung Universität Hildesheim, die derzeitige Situation und fügt hinzu: „Der Bologna-Prozess wird nie abgeschlossen werden. Studiengangsreform ist eine Daueraufgabe von Hochschulen, die derzeit auf der Prioritätenliste oben steht.“
Die Bemühungen und Neuerungen im Prozess der Umsetzung der Bologna-Reform seitens der Stiftung Universität Hildesheim haben in der Region, aber auch überregional Resonanz gefunden. So hat die Hochschulrektorenkonferenz die Aktivitäten als Beispiele guter Praxis veröffentlicht. „Eine besondere Freude und Ehre war nun die Entscheidung der Hochschulrektorenkonferenz, ihr neues, vom BMBF für vier Jahre gefördertes Programm nexus im Rahmen einer Auftaktveranstaltung an unserer Universität auszurichten“, zeigt sich Vizepräsident Tholen erfreut. Die Stiftungsuniversität Hildesheim hat in den vergangenen zwei Jahren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Qualität von Studium und Lehre nachhaltig zu verbessern. „Dabei hat sie von Anfang an auf den Dialog zwischen Lehrenden und Studierenden gesetzt. Unter anderem durch die Einführung eines Dies academicus und eines differenzierten Evaluationsverfahrens, in dem nicht nur die Lehrveranstaltungen, sondern auch ganze Studiengänge und die Studienbedingungen evaluiert werden. Die Rückmeldungen der Studierenden sind die Grundlage für Empfehlungen zur Verbesserung der Qualität in den Studiengängen und in den Serviceeinrichtungen“, erklärte Vizepräsident Tholen.