Making of: Wissenschaftler und Studenten zeigen, wie Kunst entsteht

Freitag, 21. Juni 2013 um 16:41 Uhr

Mehr als ein Nebenprodukt: Kulturwissenschaftler der Universität Hildesheim fordern „mehr Aufmerksamkeit für die Entstehungsbedingungen von Kunst“. Bis zum 29. Juni tagen sie auf dem Kulturcampus.

Sind Proben im Theater ein Nebenprodukt, eine Zwischenstation um zur eigentlichen Aufführung zu gelangen? „Der Entstehungsprozess hat eine wichtige Stellung in der Gegenwartsästhetik eingenommen“, sagt Stefan Krankenhagen, Professor für Kulturwissenschaft und Populäre Kultur an der Universität Hildesheim. „Populäre und medial verbreitete Formate wie Casting-Shows machen die Zuschauer zu vermeintlichen Zeugen, wie Stars heute konstruiert werden; Take-outs auf DVDs erzählen als Bonus-Material mehr als nur über die Entstehung eines Filmes. Sie wirken immer auch als ein eigenständiges ästhetisches Produkt.“

Auch Stefanie Diekmann, seit 2012 Professorin für Medienkulturwissenschaft, fordert „mehr Aufmerksamkeit für die Entstehungsbedingungen von Kunst“. Der Film sei ein klassisches Medium, um das „Making of“ zu zeigen. Früher  orientierte man sich dabei oft an Biographien; so erzählen historische Künstlerfilme über van Gogh und Rembrandt und aktuelle Produktionen über Abromovic und Meese, „wie sie das gemacht haben“. „Der Entstehungsprozess ist mehr als nur eine Hintergrundinformation“, verdeutlicht Diekmann. Heute greifen Produktion, Werk und Rezeption ineinander.

An der Universität Hildesheim entsteht seit einigen Jahren institutsübergreifend ein Forschungsschwerpunkt über das „Davor" eines künstlerischen Produkts. Die Professoren Annemarie Matzke und Jens Roselt beobachten Probenprozesse im Theater, Professorin Bettina Uhlig untersucht im neu aufgebauten Bilddidaktischen Forschungsstudio, wie Kinder Bilder anschauen, darüber sprechen, Bilder produzieren. Sie arbeitet eng mit Schulen in Hildesheim zusammen. Volker Wortmann nimmt Trailer, Out-Takes, Bonusmaterial und Interviews unter die Lupe – welche Hintergrundinformationen liefern sie zum Film?

Kulturwissenschaftlerinnen und Kulturwissenschaftler der Universität Hildesheim laden ein zu einer Konferenz über die Entstehungsprozesse in den Künsten. „Making of. Beobachtung und Inszenierung ästhetischer Produktionsprozesse“ findet vom 27. bis 29. Juni auf dem Kulturcampus Domäne Marienburg statt. Die Konferenz startet mit dem Vortrag „Record, Ticket, Backstage-Pass. Warenform und Bühnenarbeit" von Diedrich Diederichsen (Wien) am Donnerstag um 19:15 Uhr. Neben Vorträgen werden am Freitag unterschiedliche Gesprächsformate in der Auseinandersetzung mit „Making Of“-Darstellungen im Film erprobt. Am Samstag geht es vor allem um die Frage: Wie entsteht Literatur? So diskutieren ab 15:00 Uhr im Werkstattgespräch „Über die Beobachtung der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Schreiben" John von Düffel, Klaus Siblewski, Thomas von Steinaecker und Thomas Klupp.

Außerdem geben Studierende der Master-Studiengänge „Kulturvermittlung" und „Inszenierung der Künste und der Medien" sowie der Bachelor-Studiengänge „Szenische Künste“ und „Kulturwissenschaft und Ästhetische Praxis“ Einblicke in aktuelle Studienprojekte. Die Praxispräsentationen laufen am Samstag von 13:00 bis 15:00 Uhr an verschiedenen Orten des Kulturcampus. In „Making of. Mein Leben" produzieren Studenten derzeit ein Hörstück mit autobiografischem Material von Hildesheimer Bürgern. „Dabei überlagern sich Stimmen und Effekte aus vier Boxen, zum Beispiel erzählt eine ältere Hildesheimerin, wie sie aus Griechenland nach Deutschland kam und die Sprache mit Hilfe von Märchen gelernt hat", erzählt Student Marco Barsda. Im Laufe der Tagung kann man in einem anderen Studienprojekt erleben, wie sich die Räume auf der Domäne verändern, so Studentin Annika Winkler.

Zum Abschluss der Konferenz werden am 29. Juni ab 19:30 Uhr öffentlich in der Kirche zum Heiligen Kreuz (Brühl, Hildesheim) Kompositionen, Performances und Filme aufgeführt, die das Entstehen von Musik zum Thema machen. Studierende des Musik-Instituts haben sich diesen Fragen angenähert: Nehmen wir Musik als Werk oder als Prozess wahr? Ist Musik das, was der Hörer draus macht? Wer komponiert dann eigentlich? Der Komponist, der Interpret, der Zuhörer? Können Künstler sich vom klassischen Konzertbetrieb lösen? Filme zeigen den Kompositionsprozess, Fluxusstücke werden aufgeführt, die mit den Rahmenbedingungen des Musikbetriebes spielen. Die Studenten spielen Kompositionen, die mit den Mythen des genialen Komponisten (John Cage: Four), des romantischen Klavierhelden (Stefan Prins: Piano Hero #1) und dem freien Interpreten (Alan Hilario: Wait for further instructions) aufräumen und dem Hörer Räume öffnen: für eigene, ungewöhnliche Hörerfahrungen.


An der Uni Hildesheim entsteht seit einigen Jahren ein Forschungsschwerpunkt über das „Davor" eines künstlerischen Produkts. Foto: Andreas Hartmann/Projektsemester 2012

An der Uni Hildesheim entsteht seit einigen Jahren ein Forschungsschwerpunkt über das „Davor" eines künstlerischen Produkts. Foto: Andreas Hartmann/Projektsemester 2012