Mit einer Antrittsvorlesung zum Thema "Kritik der Kunst - Kritik der Kritik" schloss Dr. Beatrix Nobis, wissenschaftliche Angestellte im Institut für bildende Kunst und Kunstwissenschaft, ihr Habilitationsverfahren im November 2003 ab. Die Kommission verlieh ihr die venia legendi für "Kunstwissenschaft und Kunstkritik der Moderne".
In ihrem Vortrag widmete sich die Referentin dem Rezensenten als Instanz der Meinungsbildung und Meinungsmanipulation. Am Beispiel des Künstlerbiographen Joachim von Sandrart, der 1675 eine Sammlung von Atelierberichten veröffentlichte, wurde das Verfahren des Kritikers, ein subjektives Geschmacksurteil durch eine vermeintlich objektive Berichterstattung zu verschleiern, erläutert. Geht man davon aus, dass der Rezensent und selbstverständlich auch der Künstler an die ästhetischen Verbindlichkeiten ihrer Zeit gebunden sind, so stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, die "voraussetzungslose Unbefangenheit" vor einem Kunstwerk zu gewinnen, die Kant einst als Bedingung zur Wahrnehmung des "Unvergleichbaren" forderte. Ist es die sokratische Skepsis, die den Abstand gewährt, den der Betrachter zu Kunst einnehmen muss, um ein Urteil jenseits aller Moden und Konventionen fällen zu können? Oder muss der Rezensent sich in die Intention des Künstlers versetzen, wie es Richard Wollheim in seiner "Kritik der Wiedergewinnung" forderte, demnach seine Stellungnahme "innerhalb des Rahmens formulieren, den der Künstler, bewusst oder unbewusst, anerkennen könnte"? Im Vergleich vermeintlich ähnlicher, doch unter grundsätzlich verschiedenen geistigen und biographischen Bedingungen entstandener Kunstwerke, wie der von Paul Klee, dem Psychiatriepatienten Adolf Wölffli und dem "Dilettanten" Henri Rousseau, ging die Referentin der Frage nach, ob das Stilmittel des "Kindlichen", das Paul Klee so virtuos einsetzte, möglicherweise nur von Kindern spontan erkannt und gewürdigt werden kann,und ob eben dieses geistreiche Spiel, das Klee in seinen Bildern mit der Gestaltungskraft des Naiven treibt, es nicht erforderlich macht, dass der Kritiker eine vergleichbare Gestimmtheit besitzt für die enge Verwandtschaft von Schabernack und Schrecken.
In ihrem Vortrag widmete sich die Referentin dem Rezensenten als Instanz der Meinungsbildung und Meinungsmanipulation. Am Beispiel des Künstlerbiographen Joachim von Sandrart, der 1675 eine Sammlung von Atelierberichten veröffentlichte, wurde das Verfahren des Kritikers, ein subjektives Geschmacksurteil durch eine vermeintlich objektive Berichterstattung zu verschleiern, erläutert. Geht man davon aus, dass der Rezensent und selbstverständlich auch der Künstler an die ästhetischen Verbindlichkeiten ihrer Zeit gebunden sind, so stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, die "voraussetzungslose Unbefangenheit" vor einem Kunstwerk zu gewinnen, die Kant einst als Bedingung zur Wahrnehmung des "Unvergleichbaren" forderte. Ist es die sokratische Skepsis, die den Abstand gewährt, den der Betrachter zu Kunst einnehmen muss, um ein Urteil jenseits aller Moden und Konventionen fällen zu können? Oder muss der Rezensent sich in die Intention des Künstlers versetzen, wie es Richard Wollheim in seiner "Kritik der Wiedergewinnung" forderte, demnach seine Stellungnahme "innerhalb des Rahmens formulieren, den der Künstler, bewusst oder unbewusst, anerkennen könnte"? Im Vergleich vermeintlich ähnlicher, doch unter grundsätzlich verschiedenen geistigen und biographischen Bedingungen entstandener Kunstwerke, wie der von Paul Klee, dem Psychiatriepatienten Adolf Wölffli und dem "Dilettanten" Henri Rousseau, ging die Referentin der Frage nach, ob das Stilmittel des "Kindlichen", das Paul Klee so virtuos einsetzte, möglicherweise nur von Kindern spontan erkannt und gewürdigt werden kann,und ob eben dieses geistreiche Spiel, das Klee in seinen Bildern mit der Gestaltungskraft des Naiven treibt, es nicht erforderlich macht, dass der Kritiker eine vergleichbare Gestimmtheit besitzt für die enge Verwandtschaft von Schabernack und Schrecken.
Anhand ihrer langjährigen Erfahrung als Feuilletonistin beurteilte die Referentin die Möglichkeit, im Tagesgeschäft des Journalismus zu einer angemessenen Beurteilung zeitgenössischer Kunst zu finden, eher skeptisch. Sie schilderte an einigen Beispielen, dass die "Kritik der Kritik", die sich in den Reaktionen des Publikums und der betroffenen Künstler und Agenten oftmals vehement Luft verschafft, auch zu Opportunismus und Indifferenz führen kann. Auch wies sie darauf hin, dass sich die Kritik der Kunst manchmal auch den Regeln der Kritik der Kritik zu beugen hat: Jakob Burckhardt, dessen im 19. Jahrhundert entworfenes Rangsystem der Stilformen und Epochen unantastbar schien und der sich am Ende seines Lebens verbittert vor den "Bildungsparvenüs" zurückzog, die ihm seine Autorität streitig machten, kann als eine solche dem Zeitgeist geopferte Figur gewertet werden. Die ihm nachfolgenden "Königsmacher", etwa in Gestalt des Pariser Flaneurs Apollinaire, oder der Polemiker Tucholsky, Carl Einstein und Karl Krauss, verzichteten meist auf eingehende Begründungen ihrer Verrisse, besaßen jedoch einen untrüglichen Instinkt für das Neue, Genialische, Provokative. Zwischen diesen Polen, der verantwortungsbewussten, in Erfahrung und Wissenschaft begründeten Kritik und dem scharfzüngigen Aburteilen von flauen und epigonalen künstlerischen Positionen kann sich der Kritiker auch heute noch bewegen. Er kann, so die Referentin, allerdings auch resignieren und eine Kunsttheorie entwerfen, mit der er sich vielleicht unsterblich macht. Nur eins ist ihm dann nicht mehr vergönnt: Die Genugtuung, eine kleingeistige künstlerische äußerung genussvoll in Grund und Boden schreiben zu dürfen.