Jochen Arnold über Musik und Religion

Donnerstag, 26. Juni 2014 um 14:04 Uhr

Wir können vom Klang eines Instrumentes, vom Zauber einer Stimme berührt werden. „Wenn ein Musikstück an Schnittstellen unseres Lebens eine Bedeutung gewonnen hat, weil es etwa Freude, Trauer oder Hoffnung auszudrücken vermochte, bleibt es oft untrennbar mit unserer Lebensgeschichte verbundener", sagt Jochen Arnold. Die Universität Hildesheim verleiht dem Theologen und Kirchenmusiker eine Honorarprofessur.

„Eine Honorarprofessur ist eine der wenigen Positionen in einer Universität, auf die man sich gar nicht bewerben kann, weil sie auch nie ausgeschrieben wurde. Man könnte fast sagen: Das passiert irgendwie“, sagt Jens Roselt, Professor für Theaterwissenschaft und Dekan des Fachbereichs „Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation der Universität Hildesheim. „Eine Universität bemerkt, dass es jemanden gibt, der sich durch seine berufliche Lebensleitung in besonderer Weise ausgezeichnet hat und parallel dazu der Universität nachhaltig verbunden war. Beides ist im Falle von Jochen Arnold in beeindruckender Weise der Fall, so dass jeder an diesem Verfahren Beteiligte als erstes fragte: Wieso sind wir darauf nicht schon früher gekommen?“

Jochen Arnold bietet seit 2006 regelmäßig Lehrveranstaltungen an den Instituten für evangelische Theologie sowie für Musikwissenschaft an, leitet seit vielen Jahren den Universitätschor Unicanto und gibt Chorleitungsunterricht. Seit zehn Jahren leitet er das Collegium musicum Hildesheim, gründete vor zwanzig Jahren das Ensemble Gli Scarlattisti. Sein Repertoire reicht von der Gregorianik bis zur Musik der Gegenwart. Seit 2004 ist Jochen Arnold Direktor des Michaelisklosters und „jemand, der die kirchenmusikalische Landschaft in der Region wesentlich mitprägt“, so Roselt. Arnold hat in Tübingen, Rom und Stuttgart Theologie und Kirchenmusik studiert. Er wurde 2003 mit einer Arbeit zur Theologie des Gottesdienstes in Tübingen promoviert und habilitierte sich an der Universität Leipzig mit einer Untersuchung zum Kantatenwerk Bachs. Seit Beginn seiner Leitungstätigkeit im Michaeliskloster kooperiert der Theologe eng mit dem Institut für Evangelische Theologie der Universität, ergänzt Martin Schreiner, Professor für Evangelische Theologie. „Dies schlägt sich in gemeinsamen Seminaren, Übungen, Exkursionen und Veröffentlichungen nieder und trägt wesentlich zur Polyvalenz unseres Faches bei. Es geht etwa um Themen wie Psalmen in Schule und Gemeinde, Mit dem Kirchenjahr leben, Liedersingen einüben, Liturgische Elemente oder Schulgottesdienste und Andachten.“

Jochen Arnold sprach anlässlich der Verleihung der Honorarprofessur am Mittwochabend (25. Juni 2014) über „Gottesklänge“ im Hohen Haus auf dem Kulturcampus Domäne Marienburg der Hildesheimer Uni. Seine Überlegungen zu einer Theologie der Musik beginnen beim Hören: Ein jugendlicher Amerikaner höre im Durchschnitt etwa fünf Stunden Musik am Tag. „Bei deutschen Kindern und Jugendlichen wird das nicht viel anders sein. Warum ist das so? Was ist die Faszination, die von Musik ausgeht? Wir können vom Klang eines Instrumentes, von den Farben eines Orchesters oder dem Zauber einer Stimme berührt werden. Wenn ein Musikstück an Schnittstellen unseres Lebens eine Bedeutung gewonnen hat, weil es etwa Freude oder Trauer, Liebe oder Hoffnung auszudrücken vermochte, bleibt es oft untrennbar mit unserer Lebensgeschichte verbunden“, so der Theologe.

Aber ist Musik auch ein religiöses Medium? Jochen Arnold sagt: „Gottesklänge haben eine Botschaft: die Botschaft, das Gott zu den Menschen kommt und sie liebt, werde im christlichen Gottesdienst mitgeteilt.“ Die Ausdrucksformen der Kirchenmusik reichen dabei von der Klage bis zum Lob. „Wenn ein Mensch singt und musiziert und dabei Gott lobt, geschieht das nicht nur mit der Stimme oder mit den Händen, sondern kommt von Herzen.“ Kirchenmusik eröffne neue Zugänge zu den Inhalten des Glaubens, geistliche Musik könne ein „erfrischendes Medium für viele“ sein und bleibe nicht in den Kirchenmauern stecken, sie kann Gemeinschaft stiften und Brücken in die Gesellschaft bauen. Dabei weist der Theologe auch auf die therapeutische Kraft von Musik hin: „Trommeln hilft Aggressionen abzubauen, wer eine Ballade oder einen langsamen Satz hört, kann zur Ruhe kommen. Diese seelsorgliche Dimension erweist sich am Kranken- oder Sterbebett als besonders tragfähig. Es geht um Trost und Zuspruch, um Raum für Trauer und Klage. Wer einmal am Sterbebett für einen Menschen einen Choral gesungen hat, und erleben durfte, wie die Kranke nochmals Mut fasst und ein Händedruck zu spüren ist, weiß, wovon ich rede.“

„Wenn sich Kirchen, Schulen, Musikschulen und Universitäten für musikalische Ausbildung einsetzen, dann tun sie unserer Gesellschaft und kommenden Generationen einen wunderbaren Dienst. Denn ohne unsere musikalische Kultur wären wir kühle Technokraten oder dröge Dumpfbacken“, so Arnold. Gegen den Abbau kultureller, musischer Bildung gelte es „Flagge zu zeigen“. Singen etwa, so Jochen Arnold, birgt enorme Potenziale im Blick auf unsere Gesundheit, Gehirn und Glücksgefühl. Langzeitstudien mit Kindern in der Adoleszenz belegen, dass an musikbetonten Schulen, die Ausgrenzung einzelner Schüler zu 50% weniger stattfindet und die Teamfähigkeit, die emotionale Stabilität gefördert werde. Dabei weist Arnold auf die Bedeutung der Vokalmusik hin: „Wir summen nicht nur wie die Bienen oder zwitschern wie die Vögel. Wir können singen, das ist ein ganzheitliches Kommunikationsgeschehen.“


Leidenschaft für Klänge: Jochen Arnold leitet seit vielen Jahren den Universitätschor Unicanto und gibt Chorleitungsunterricht. Foto: Roland Schneider

Leidenschaft für Klänge: Jochen Arnold leitet seit vielen Jahren den Universitätschor Unicanto und gibt Chorleitungsunterricht. Foto: Roland Schneider