Hildesheim statt Erasmus+

Mittwoch, 07. Oktober 2020 um 15:31 Uhr

Ein unbekanntes Land erkunden, eine andere Kultur kennenlernen, eine neue Sprache lernen und vielen Menschen begegnen – so stellte sich die Umweltstudentin Ronja Ranft ihr Auslandssemester mit Erasmus+ vor. Doch von ihren Auslandsplänen im nächsten Semester musste sie wegen der Corona-Pandemie vorerst abrücken. Mara Schrey von der Pressestelle der Uni befragte sie zu ihrer Situation.

Ronja, aufgrund der Corona-Pandemie kannst du deinen Auslandsaufenthalt im nächsten Semester nicht antreten. Was war dein Plan?

Mein Plan war, im Winter ein Semester in Portugal, am Instituto Politécnico in Beja, zu studieren. Ich wäre in diesem September dort hingefahren und wäre ungefähr bis Januar geblieben. Dort hätte ich Veranstaltungen an der Uni besucht, aber natürlich auch Portugal erkundet, mich umgeguckt und wäre ein bisschen in den Nachbarländern gereist.

Wie wird das kommende Semester für dich aussehen, jetzt, wo feststeht, dass du es nicht in Portugal verbringst?

Stattdessen werde ich hier in Hildesheim „normal“ weiterstudieren – so, wie es im Moment aussieht, in einem weiteren Onlinesemester.

Wie geht es dir damit, dass du hier und nicht im Ausland sein wirst?

Ich finde es super schade, dass dies erstmal nicht möglich ist. Vor allem, weil ich auf jeden Fall im Wintersemester ins Ausland möchte, und es für mich keine Option ist, einfach im nächsten Sommersemester nach Portugal zu gehen – selbst, wenn das bis dahin wieder möglich sein sollte. Bei mir im Studiengang werden im Sommer viele praktische Seminare und Exkursionen angeboten, die ich nicht verpassen möchte. In der Situation, in der wir gerade sind, bin ich aber froh, dass alles abgesagt worden ist und ich mich nicht entscheiden musste. Was soll ich in Portugal, wenn dort alle Veranstaltungen nur online stattfinden, ich niemanden treffen kann und allein im Studierendenwohnheim sitze? Mir geht es darum, Leute zu treffen und das Land kennenzulernen. Wenn das wegen der Corona-Pandemie alles nicht möglich ist, finde ich es besser, hier in Hildesheim zu bleiben.

Dir wurde die Entscheidung abgenommen?

Die Partneruni in Portugal hat von sich aus abgesagt. Im Mai sagten sie, es tue ihnen leid, aber alle Auslandssemester würden erstmal nicht stattfinden. Sie schrieben, dass sie dies aufgrund der aktuellen Situation für sicherer und sinnvoller halten würden. Damit hatte ich schon gerechnet. Vorher wusste ich allerdings nicht, ob ich die Entscheidung selbst treffen muss, und es hat gedauert, bis ich Infos bekommen habe.

Hättest du das Auslandssemester angetreten, wenn es nicht seitens der Partneruni abgesagt worden wäre?

Ich denke nicht. Vermutlich hätte ich sonst in Portugal im Studierendenwohnheim gesessen, was wahrscheinlich ziemlich leer gewesen wäre und hätte von dort aus an Onlineseminaren teilgenommen (lacht) – weit weg von Zuhause und in einem unbekannten Land, wo ich niemanden kenne. Das ist nicht der Grund, warum ich ein Auslandssemester machen möchte. Wenn die Universität den Aufenthalt nicht abgesagt hätte, hätte ich selbst versucht, das Semester zu verschieben - auch, weil unklar ist, wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickelt. Wenn die zweite Welle kommt, während ich in Portugal bin, müsste ich wieder nach Hause oder würde dort im Ausland feststecken. Ich hätte es deshalb auf jeden Fall abgesagt.Aber ich bin froh, dass die Entscheidung offiziell von oben kam.

Warum wolltest du gerne ein Semester im Ausland, beziehungsweise in Portugal, studieren?

Ins Ausland wollte ich, um nochmal ein anderes Land kennenzulernen. Ich reise generell gerne und finde es immer schön, längere Zeit an einem Ort zu verbringen, um den Ort und die Leute dort ein bisschen kennenlernen zu können. Deswegen hätte sich ein Auslandssemester im Studium angeboten. Speziell in Portugal ist die einzige Partneruni für meinen Studiengang. Und weil ich noch nie in Portugal war, fand ich es spannend, dort ein Semester zu verbringen.

Worauf hast du dich besonders gefreut?

Viele Leute aus allen möglichen Ländern kennenzulernen, mit denen man gemeinsam das Land erkunden kann. Ich hatte auch Lust, eine neue Sprache zu lernen und habe angefangen, Portugiesisch-Stunden zu nehmen.

Was waren deine ersten Gedanken in Bezug auf das Auslandssemester, als im März die Grenzen und Universitäten geschlossen wurden? Was ging dir durch den Kopf?

Zunächst dachte ich, naja, das Auslandssemester ist noch ganz lange hin, erstmal abwarten, was passiert. Aber dann wurde mir relativ schnell klar, dass die Corona-Situation nicht so schnell vorbei sein wird. Bis ich Klarheit hatte, ob das Auslandssemester stattfindet oder nicht, dauerte es dann. Das war eine generelle Phase der Ungewissheit. Niemand wusste, wie sich die Lage entwickelt, was natürlich ein bisschen ungünstig war. Verbringt man ein halbes Jahr im Ausland, möchte man vorher die Zeit dort planen. Wenn aber unklar ist, ob der Aufenthalt überhaupt stattfinden kann, ist das natürlich schwierig. Ich habe dann alles auf mich zukommen lassen. Diese Unsicherheit bezog sich schließlich auf alle Bereiche.

An wen konntest du dich in dieser Situation wenden? Wo hast du Tipps und Hilfe bekommen?

Am Anfang habe ich erstmal abgewartet und dachte mir, dass die Universität hier oder die Partneruni in Portugal mir Bescheid geben würden, falls sie neue Informationen haben. Dann habe ich beim International Office nachgefragt, aber dort wusste auch niemand etwas. Nachdem immer mehr Zeit ohne neue Infos vergangen war, habe ich mich persönlich bei der Partneruniversität erkundigt. Ich hätte mich ansonsten irgendwann dort einschreiben müssen. Zufälligerweise kam dann ein paar Stunden später die offizielle Mail, dass alle Auslandssemester komplett abgesagt wurden - nicht als Antwort auf meine Mail, sondern an alle Austauschstudierenden.

Waren zu dem Zeitpunkt schon Kosten für dich entstanden?

Das Einzige, was ich schon in Anspruch genommen hatte, war der Sprachkurs an der Volkshochschule. Wenn man mit Erasmus+ ins Ausland geht, kann man an einem Sprachkurs teilnehmen. Die Kosten werden übernommen und da muss ich auch nichts zurückzahlen, obwohl ich erstmal nicht ins Ausland gehe. Ansonsten hatte ich noch nichts konkret organisiert. Ich hatte noch keinen Flug oder eine Zugfahrt gebucht und auch kein Zimmer gemietet. 

Weißt du schon, ob du dein Auslandssemester in einem der kommenden Semester nachholen wirst oder kannst?

Das geht auf jeden Fall. Ich kann das Auslandssemester um bis zu zwei Semester verschieben. Zwar muss ich mich nochmal anmelden, aber das ist eine formale Sache. Den Platz habe ich für die kommenden Semester sicher, wenn ich ihn in Anspruch nehmen möchte. Ich könnte mir vorstellen im übernächsten Wintersemester nach Portugal zu gehen, also ein Jahr später als geplant. Aber endgültig entschieden habe ich mich noch nicht. Die Frist geht bis Januar, dann muss ich mich anmelden. Ich überlege noch, ob ich das Auslandssemester um ein Jahr oder in den Master verschiebe.

Der Verlauf einer Pandemie lässt sich nicht vorhersagen. Angenommen die universitäre Lehre würde in einem Jahr oder in zweien immer noch digital stattfinden - würdest du ein „digitales Auslandssemester“ eventuell in Betracht ziehen?

Nein, es geht mir nicht hauptsächlich um die Kurse, die an der Universität in Beja angeboten werden – dann würde ich so etwas eventuell in Betracht ziehen. Bei mir steht die soziale und kulturelle Erfahrung in einem anderen Land im Vordergrund. Diese während eines Onlinesemesters zu machen, ist einfach nicht wirklich möglich.

Wie wirkt sich die aktuelle Situation und die Verschiebung deines Auslandssemesters auf dein weiteres Studium aus?

Im Moment kann ich viele Kurse nicht machen, weil sie praktisch sind und deshalb nicht stattfinden konnten. Nächstes Semester studiere ich dann „normal“ weiter und kann mir eventuell mehr anrechnen lassen als das im Auslandssemester der Fall gewesen wäre. Aber, wenn ich den Aufenthalt dann in einem Jahr nachhole, wäre das nicht mehr in der Mitte, sondern am Ende meines Studiums. Die Frage ist, wie viel Sinn das vom Studium an sich machen würde, falls ich dann keine Kurse mehr brauche, um mein Studium abzuschließen. Trotzdem würde es sich wegen der Erfahrungen lohnen, die ich dort machen kann. Ich hoffe, man darf das - noch ein paar Zusatzkurse belegen, auch wenn man offiziell keine Kurse mehr braucht.

Was würdest du anderen Studierenden raten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie du?

Das finde ich schwierig zu beantworten, weil sich solche Situationen im Endeffekt immer unterscheiden. Ich denke, dass es im Moment Sinn macht, sich nicht zu sehr auf eine Sache festzulegen, einfach, weil unklar ist, wie sich die Situation weiterentwickelt. Im Zweifelsfall würde ich mich bei der Partneruni erkundigen und im International Office nachfragen, ob es Neuigkeiten gibt. Ich fürchte aber, dass sich nicht viel machen lässt und die beste Strategie ist, abzuwarten was passiert, die Dinge auf sich zukommen zu lassen und Ruhe zu bewahren.

 

Instituto Politécnico de Beja
Das IPBeja, eine Partneruni der Universität Hildesheim, befindet sich in Südportugal in der Stadt Beja. Quelle: www.ipbeja.pt

 


Ronja Ranft studiert Umweltsicherung (B. Sc.) im vierten Semester an der Universität Hildesheim. Foto: Privat

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