Gedenken

Mittwoch, 25. September 2013 um 20:33 Uhr

Dr. Hans-Friedrich Bartig gelang es in der Lehre, die Bedeutung philosophischer Überlegungen vergangener Epochen in die heutige Zeit zu übersetzen. Er hat das Institut für Philosophie und den Studiengang Kulturpädagogik (heute Kulturwissenschaften) mitgegründet; das bei Bürgern, Studierenden und Wissenschaftlern geschätzte Philosophische Kolloquium mitentwickelt. Eine Erinnerung.

Die Universität Hildesheim trauert um Dr. Hans-Friedrich Bartig, der 32 Jahre lang das Leben und Studieren am Institut für Philosophie geprägt und entscheidende Entwicklungen der Universität Hildesheim mitgestaltet hat, ist am 12. September im Alter von 77 Jahren verstorben.

Hans-Friedrich Bartig wurde 1936 in Braunschweig geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Wilhelm-Gymnasiums studierte er Philosophie, Germanistik und Geschichte in Bonn, Innsbruck und München, erwarb 1961 das Lizentiat und wurde 1968 in München zum Dr. phil. promoviert. Von 1964 bis 1969 war er als wissenschaftlicher Assistent verantwortlich für das Programm der Akademie für Erwachsenenbildung, St. Jakobushaus in Goslar. Von 1969 bis 2001 stand er in den Diensten der Universität Hildesheim und ihrer Vorgängerinstitutionen. Begonnen hat er an der PH Alfeld als wissenschaftlicher Assistent, pensioniert wurde er als Akademischer Direktor der Universität Hildesheim.

Aus seiner Zeit in Goslar am Jakobushaus brachte er die Kontakte mit, die eine seither ungebrochene Tradition des Instituts für Philosophie begründen sollten: In jedem Wintersemester veranstaltet das Institut dort ein Wochenend-Seminar. Zum nächsten Goslar-Seminar 2014 zu Platons Symposion wäre er sehr gerne noch einmal mitgekommen, der Text gehörte mit zu seinen liebsten.

Eine weitere von ihm mitbegründete und weiterentwickelte Tradition – die auch heute noch das Institut und universitäte Leben prägt – ist das Philosophische Kolloquium, eine interdisziplinäre Ringvorlesung, die inzwischen seit über 100 Semestern durchgehend veranstaltet wird und von Hans-Friedrich Bartig auch nach seiner Pensionierung noch als Gast und Referent besucht wurde.

Schwerpunkte seiner Forschung und Lehre waren, ausgehend von den Diskussionen um 1968, zunächst Herbert Marcuse und Karl Marx, der Maoismus und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Christentum. Später interessierte er sich zunehmend für die Geschichte der Philosophie, insbesondere die Antike, für praktische Philosophie und philosophische Ästhetik. Über viele Jahre hinweg hat er regelmäßig Seminare und Lesungen zu Dantes Divina Commedia veranstaltet und kontinuierlich dazu geforscht. Ausdruck fand dies in seiner überzeugenden Studie zu den Dioskuren in der Commedia „feltro e feltro“ im Dante-Jahrbuch. Immer interessierte ihn auch die Verbindung von Philosophie und Kunst. So war die Kunst der italienischen Renaissance auch das Thema seiner Gastprofessur in Lahore (Pakistan) im Herbst 2005. Seine Arbeit „Bewegung und Augenblick in Michelangelos Jüngstem Gericht“ zeigt, wie es ihm dabei gelang, das Diskursive in der Kunst aufzuweisen.

Von der innigen Vertrautheit mit der Antike zeugt seine Homer-Interpretation Priamos im Zelt des Achilleus. Seinen Freunden ist schließlich zu verdanken, dass auch seine Paradigmatische Gedichtinterpretation zu „Ein männlicher Briefmark“ von Joachim Ringelnatz veröffentlicht wurde, ein Vortrag im Philosophischen Kolloquium, der seinen scharfsinnigen Witz und Humor trefflich zum Ausdruck bringt. Hans-Friedrich Bartig hielt nicht viel davon, unnötig zu publizieren. Aber es liegen zahlreiche Vortragsmanuskripte vor, und es ist zu hoffen, dass eine Auswahl davon noch zur Veröffentlichung kommt. Ihr Gedankenreichtum würde uns auf Dauer beschenken.

Generationen von Studierenden haben Hans-Friedrich Bartig viel zu verdanken. Er war ein wunderbarer Lehrer, dem es gelang, die Bedeutung philosophischer Überlegungen vergangener Epochen in die heutige Zeit zu übersetzen und ihnen Leben einzuhauchen.

Er hat die Geschichte der Universität Hildesheim über Jahrzehnte hinweg nicht nur erlebt, sondern auch geprägt und als Mitbegründer des Studiengangs Kulturpädagogik (heute Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis) die Entwicklung des Fachbereichs II entscheidend beeinflusst.

Wir danken ihm für sein Leben am Institut, dem er auch nach seiner Pensionierung noch herzlich verbunden blieb. Wir werden ihn vermissen.


Die Verbindung von Philosophie und Kunst, der Maoismus, das Christentum, die Geschichte der Philosophie bis zu Dantes Divina Commedia: Eine Erinnerung an Dr. Hans-Friedrich Bartig.