Freiheit der Künste: Wenn Künstlerinnen und Künstler bedroht werden

Donnerstag, 24. August 2017 um 09:25 Uhr

Der UNESCO-Lehrstuhl der Universität Hildesheim startet ein Fortbildungsprogramm für verfolgte Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturmanager. Ende August 2017 tagen Fachleute in Hildesheim und Berlin. 170 Bewerbungen aus 50 Ländern erreichten die Universität. „Bedrohung kann unterschiedlich ausfallen und reicht von Zensur bis zu Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung“, so der Kulturwissenschaftler Daniel Gad. „Mehr Dialog und Netzwerke sind dringend notwendig, um kulturpolitische Rahmenstrukturen zu schaffen, die Künstler schützen.“

Wo werden Künstlerinnen und Künstler verfolgt und sind gefährdet? Was sind die Ursachen? Wie ist die Gesetzeslage vor Ort? Wie werden Verletzungen dokumentiert? Wie wird darauf reagiert?  Wie können bedrohte Künstlerinnen und Künstler ihr künstlerisches Schaffen ausüben? Was bedeutet es, Künstler zu schützen?

Das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim startet Ende August 2017 das Programm „Arts Rights Justice“ und rückt damit das Schicksal verfolgter Künstlerinnen und Künstler und das Recht auf künstlerische Freiheit in den Fokus. Das Auswärtige Amt und das „International Cities of Refuge Network“ mit Sitz in Norwegen unterstützen die Arbeit.

Ab 24. August tagen an der Universität Hildesheim Kulturakteure unter anderem aus Ägypten, Syrien, Bangladesch, Ruanda, Irak, Sudan, Polen, Türkei, Frankreich, Iran, Mexiko, Algerien, Simbabwe und Kamerun. Unter den Teilnehmern sind Theaterregisseure, Schriftsteller, Menschenrechtsanwälte, Kulturmanager, Übersetzer, Musiker, Dichter und Journalisten, die Verfolgung und Repressionen erlebt haben und sich für künstlerische Freiheit einsetzen. Sie sind mutig und kritisch und bezahlen dafür einen hohen Preis. „Künstler sind wichtige Seismografen von Gesellschaften. Und diese Gesellschaften entwickeln sich in vielen Ländern zu autoritären Regimen und fürchten jede Form von Nonkonformität“, so die Einschätzung des Hildesheimer Kulturpolitikprofessors Wolfgang Schneider. „Auch wir Wissenschaftler haben hier eine Verantwortung, die  Gefährdung der Freiheitsrechte in der Demokratie zu beforschen und ihre Außerkraftsetzung anzuprangern."

Am 31. August 2017 findet in Berlin das „Arts Rights Justice Forum“ statt. Die Veranstalter erwarten etwa 200 Personen. Die Tagung ist öffentlich, eine Anmeldung ist noch möglich. Das Forum findet in der Niedersächsischen Landesvertretung unweit vom Brandenburger Tor statt. Über künstlerisches Schaffen, die Rolle von Künstlern innerhalb einer Gesellschaft und Menschen- und Freiheitsrechte spricht Farida Shaheed in ihrem Hauptvortrag „Enabling cultural rights and freedom of expression: usability of UN reports for practical action“. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin war für den Abschlussbericht „The right to freedom of artistic expression and creativity“ (2013) verantwortlich.

Zuvor tagen vom 24. bis 30. August 2017 an der Universität Hildesheim 35 junge Künstlerinnen und Künstler und Kulturmanager aus 30 Ländern. Auch Anwälte, die sich auf Menschenrechte spezialisiert haben, nehmen an der ersten „Arts Rights Justice Academy“ teil. Ein solches Trainingsformat fehlt bisher. Über 170 Personen aus 50 Ländern haben sich um einen Platz beworben. Sechs Gastdozenten begleiten die „young professionals“ während der Akademie – darunter die Kulturmanagerin Basma El Husseiny aus Ägypten/Libanon, die Leiterin des Arts Watch Programms für Afrika, Diana Ramarohetra aus Madagaskar/Elfenbeinküste, und die frühere UN-Sonderberichterstatterin Farida Shaheed aus Pakistan. „Bedrohung kann unterschiedlich ausfallen und reicht von Zensur über Regierungen, die Akteure mundtot machen, bis zu Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung“, sagt der Hildesheimer Kulturwissenschaftler Daniel Gad. „Mehr Dialog, klare Professionalisierung und funktionsfähige Netzwerke sind dringend notwendig, um kulturpolitische Rahmenstrukturen zu schaffen, die Künstler schützen und fördern. Wir sollten alles dafür tun, Strukturen zu schaffen, die es Künstlern ermöglichen, ihre Rolle und Funktion als Seismographen und Change Agents innerhalb von Gesellschaften wahrnehmen zu können.“ Die englischsprachige Akademie bietet Raum für Austausch und Wissenstransfer und soll künftig einmal im Jahr in Hildesheim stattfinden. Die Fortbildungsreihe wird 2018 fortgesetzt.

Themen sind unter anderem:

  • Fundamentals of freedom of expression within human rights
  • Understanding freedom and threat: censorship and policy structures
  • Advocacy & campaigning, funding & networking
  • Cultural policy & arts management
  • Working with artists: needs, protection, visas, relocation

Das Team hinter dem Projekt „Arts Rights Justice“

Zunächst von 2017 bis 2018 wird das Pilotprojekt „Arts Rights Justice“ vom Auswärtigen Amt und der in Norwegen ansässigen Organisation „International Cities of Refuge Network“ (ICORN) unterstützt. Die Förderung ermöglicht es dem Hildesheimer UNESCO-Lehrstuhl rund um Professor Dr. Wolfgang Schneider und Dr. Daniel Gad mit einem fünfköpfigen Team, Forschung und Lehre in diesem Gebiet auszuweiten.

Sie organisieren die erste Akademie und halten Kontakt zu Kulturmanagern und Künstlern weltweit: Michèle Brand und Daniel Gad, begleitet durch Meike Lettau, Nele Tast, Peter Meister und Vanessa Özdemir. Die Sparkasse Hildesheim/Goslar/Peine unterstützt die Akademie.

Kontakt bei Fragen zur Tagung: Dr. Daniel Gad, Geschäftsführer des UNESCO-Lehrstuhls (E-Mail gad(at)uni-hildesheim.de, Telefon 05121-883-20107). Weitere Informationen finden Sie online.

Kurz erklärt: UNESCO-Lehrstuhl am Institut für Kulturpolitik

In Hildesheim ist ein Zentrum für kulturpolitische Forschung in Deutschland entstanden: Hier lehrt und forscht der erste und bisher einzige Universitätsprofessor für Kulturpolitik. Die UNESCO hat 2012 die Arbeit von Professor Wolfgang Schneider mit einem UNESCO-Lehrstuhl „Cultural Policy for the Arts in Development“ (Kulturpolitik für die Künste innerhalb gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse) ausgezeichnet.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hildesheim untersuchen mit insbesondere Partnern aus dem Mittelmeerraum, afrikanischen und arabischen Ländern die Rolle von Künstlern in politischen Umbrüchen. Sie befassen sich in Forschung und Lehre mit der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft, mit dem Schutz und der Förderung von künstlerischen Ausdrucksformen, mit künstlerischen Freiheitsrechten und Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit sowie  kulturpolitischen Rahmenstrukturen für kulturelle Bildung. Die Zielsetzungen der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt stellen hier einen wesentlichen Bezugspunkt dar. Wesentliche Aktivitäten des UNESCO-Lehrstuhls in den letzten Jahren wurden mit Partnern aus Subsahara-Afrika, der arabischen Region und dem Mittelmeerraum realisiert.

2016 wurde die zweite Periode von vier Jahren als UNESCO-Lehrstuhl durch die UNESCO bestätigt. Der Titel des UNESCO-Lehrstuhls referiert auf den vielfach verwendeten Begriff „Kultur und Entwicklung“ und schließt an das in Deutschland vorherrschende Verständnis von Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik an.

Das Institut für Kulturpolitik bildet den Nachwuchs in den Studiengängen „Kulturvermittlung“ und „Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis“ aus. Studentinnen und Studenten können den Schwerpunkt „Kulturpolitik im internationalen Vergleich“ wählen und innerhalb des vierjährigen Bachelor Plus-Studiums für ein Jahr an Partnerhochschulen in Marseille/Frankreich, Istanbul/Türkei, Vilnius/Litauen, Pretoria/Südafrika oder Casablanca/Marokko gehen. Die Forschungsprojekte der Studentinnen und Studenten im Masterstudium „Kulturvermittlung“ führen die Studierenden regelmäßig in alle Weltregionen.

Studium „Kulturpolitik im internationalen Vergleich“

Medienkontakt: Pressestelle der Universität Hildesheim (Isa Lange, 05121 883 90100, presse@uni-hildesheim.de)


Sie organisieren die erste Akademie und halten Kontakt zu Kulturmanagern und Künstlern weltweit: Michèle Brand, Daniel Gad und Nele Tast vom Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim. Kulturpolitikprofessor Wolfgang Schneider und sein Team rücken das Schicksal verfolgter Künstlerinnen und Künstler und das Recht auf künstlerische Freiheit in den Fokus. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

Sie organisieren die erste Akademie und halten Kontakt zu Kulturmanagern und Künstlern weltweit: Michèle Brand, Daniel Gad und Nele Tast vom Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim. Kulturpolitikprofessor Wolfgang Schneider und sein Team rücken das Schicksal verfolgter Künstlerinnen und Künstler und das Recht auf künstlerische Freiheit in den Fokus. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

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