Schulaufsätze Korrektur zu lesen ist für Lehrer*innen eine zeitaufwändige Angelegenheit. Mit einem automatisierten Verfahren geht das schneller - und aus Schüler*innensicht zugleich möglicherweise besser. „Während Lehrkräfte sich aus Zeitgründen oft auf ein knappes Feedback beschränken müssen, kann ein computergesteuertes Verfahren Freitexte sehr viel detaillierter auswerten“, sagt Prof. Dr. Andrea Horbach. Im sogenannten Essay-Scoring erfolgt die Notenvergabe in verschiedenen Teilbereichen wie Inhalt, Aufbau, Grammatik und Rechtschreibung und kann zu jedem dieser Aspekte ein individuelles Feedback erzeugen.
Ausgangsbasis des maschinellen Lernens sind eine Vielzahl von nicht-standardisierten Texten, die möglichst ähnlich den später zu analysierenden sein sollten. „Wir füttern den Computer also nicht mit Regeln, nach denen er die Auswertung vornehmen soll, sondern mit großen Datenmengen, die Rückschlüsse zulassen, wie solche Auswertungen in anderen Fällen aussehen“, erläutert Horbach. Als Beispiel nennt sie eine Textaufgabe im Englisch-Unterricht, für die Schüler*innen halb-formale Emails an eine Sprachschule in Brighton formulieren sollten, um sich dort nach Sprachkursen in den Sommerferien zu erkundigen. Rund 1.000 solcher Emails, in denen die Aufgabe nach menschlichem Ermessen unterschiedlich gut gelöst wurde, lagen zugrunde, um auf dieser Basis eine automatisierte Bewertung von ähnlichen Schüler*innentexten zu entwickeln. „Es geht nicht darum, Lehrerinnen und Lehrer zu ersetzen, sondern darum, sie bei Routineaufgaben zu entlasten und mehr Kapazitäten für die Tätigkeiten zu gewinnen, die nicht an Computer delegiert werden können.“
Mathe, Informatik und Fremdsprachen – das waren schon die Schulfächer, zu denen sich Andrea Horbach am meisten hingezogen fühlte. „Besonders mochte ich Latein - mir gefiel der systematische Aufbau und die Möglichkeiten, die Sprache zu analysieren.“ In der deutsch-französischen Grenzstadt Saarbrücken Computerlinguistik zu studieren, lag für die gebürtige Saarländerin im wahrsten Sinne des Wortes nahe. Nach dem Diplom folgte ein Aufbaustudium Deutsch als Fremdsprache, welches Horbach die pädagogisch-didaktischen Seiten der Sprachforschung näherbrachte. „Ab 2010 hatte ich dann die Möglichkeit, als Mitarbeiterin am Institut für Computerlinguistik an der Universität des Saarlandes beide Bereiche miteinander zu kombinieren und an einem EU-Projekt zur Sprachförderung in grenznahen Regionen mitzuarbeiten.“
2016 wechselte Horbach als Post-Doc für den Bereich Educational NLP (Natural Language Processing) an die Universität Duisburg-Essen und seit 2021 (bis heute anhaltend) leitet sie eine Nachwuchsgruppe an der Fern-Uni Hagen am Center of Advanced Technology for Assisted Learning and Predictive Analytics CATALPA.
An der Universität Hildesheim ist Horbach dem Fachbereich Sprach- und Informationswissenschaften zugeordnet, kann sich aber sehr gut auch fachbereichsübergreifende Projekte und eine Zusammenarbeit zum Beispiel mit dem CeLeB vorstellen.