Eine Festschrift für den Brückenbauer Prof. Dr. Guy Stern

Freitag, 14. Januar 2022 um 17:03 Uhr

Ein „Brückenbauer“, „scharfer Denker“ und „zu Recht ein Ehrenbürger“ wird er von den Rednern genannt: Prof. Dr. Guy Stern. Er ist Ehrenbürger der Stadt Hildesheim, Ehrenmitglied von Eintracht Hildesheim und dem Verein der Ehemaligen und Freunde des Scharnhorstgymnasiums und zudem ein geschätzter Experte für Exilliteratur. Anlässlich seines 100. Geburtstages am Freitag stellen Freunde und Weggefährten im Hildesheimer Rathaus ein besonders persönliches Geschenk vor: ein Buch voller Beiträge und Erinnerungen an die Begegnungen mit ihm.

Bemühungen, die über die Vergangenheit hinausgehen

Die Festschrift mit dem Titel „Guy Stern und Hildesheim – Bewegende Begegnungen“, welche im Georg Olms Verlag erschienen ist, beschreibt in 25 Beiträgen die zahlreichen Begegnungen im Hildesheimer Raum zwischen Prof. Dr. Guy Stern und den Autor*innen. Das Werk tritt bewusst nicht rein wissenschaftlich an den Literaturwissenschaftler heran. Im Vordergrund der Beiträge stehen vor allem die Facetten seiner Persönlichkeit und seines Wirkens, welche die Autor*innen mit ihm verbinden. Immer im Fokus auch seine tiefe Verbundenheit mit seiner Heimatstadt Hildesheim, aus der er als Jugendlicher mit jüdischen Wurzeln in den 1930er-Jahren vertrieben wurde; sowie seine Familie, welche von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

„In seinem akademischen Leben als Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an verschiedenen Universitäten bemühte sich Guy Stern mit großer Ausdauer um den Bau von Brücken“, schildert Bettina Kluge, Professorin für Angewandte Sprachwissenschaft am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation und Vizepräsidentin für Internationales der Stiftung Universität Hildesheim, Sterns Leben. „Seit den 1960er Jahren lud er regelmäßig junge, aufstrebende Autor*innen ins Seminar und zu Vorlesungen ein und bestärkte so den transatlantischen Dialog – keine zwanzig Jahre nach Kriegsende! Aber im Mittelpunkt seiner Forschungen steht eindeutig die Exilliteratur und das Bemühen um einen menschlichen und nichtrassistischen Umgang mit Pluralität in unserer Gesellschaft‘“. Dieses Bemühen wird nicht nur im wissenschaftlichen Kontext, sondern auch von seinen Freunden und Bekannten anerkannt, die ihre Wertschätzung mit der Festschrift ausdrücken möchten.

Virtuelle Übergabe der Festschrift für das Ehrenmitglied

Entstanden ist das Buch als gemeinsames Kooperationsprojekt von den Herausgebern Rolf Altmann (Präsident von Eintracht Hildesheim), Hans-Jürgen Bertsche (Präsidium von Eintracht Hildesheim), Dr. Hartmut Häger (stellvertretender Vorsitzender der Universitätsgesellschaft Hildesheim) und Dr. Rainer Zirbeck (Ehrenvorsitzender des Vereins der Ehemaligen und Freunde des Scharnhorstgymnasiums Hildesheim). Gefördert wurde das Werk vom Sportverein Eintracht Hildesheim von 1861, dem Verein der Ehemaligen und Freunde des Scharnhorstgymnasiums, der Universitätsgesellschaft Hildesheim, der Stiftung Universität Hildesheim, der Stadt Hildesheim und dem Georg Olms Verlag.

Einen ersten Anreiz und die Idee für das Buchprojekt hatte Hans-Jürgen Bertsche geliefert, der seit vielen Jahren ein enges persönliches Verhältnis zu dem Holocaust-Überlebenden Stern pflegt. Bertsche kontaktierte Stern im Rahmen seiner Ernennung als Ehrenbürger der Stadt Hildesheim im Jahr 2012, als er erfuhr, dass Stern aufgrund seines jüdischen Glaubens als Elfjähriger aus dem Sportverein Eintracht Hildesheim ausgeschlossen wurde. Mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft Sterns bei Eintracht Hildesheim entschuldigte sich der Verein acht Jahrzehnte später bei ihm. In Anwesenheit des Hildesheimer Oberbürgermeisters Dr. Ingo Meyer, den Herausgebern, Förderern und Verlegern wurde das Buch am Freitag, 14. Januar, im Rathaus vorgestellt - aufgrund der pandemischen Lage nur in kleinem Kreis. Zuvor hatten die vier Herausgeber Stern mit dem literarischen Geburtstagsgeschenk in einer separaten Videokonferenz überrascht, da er in Amerika lebt und selbst nicht zu seinem Jubiläum vor Ort in Hildesheim sein konnte und daher nur ein Auszug aus dem Videogespräch präsentiert wurde.

Prof. Dr. Guy Stern: Experte für Exilliteratur und Zeitzeuge

Guy Stern, der als Günther Stern am 14. Januar 1922 in Hildesheim geboren wurde, lebte mit seiner Familie bis zu seiner Emigration im Jahre 1937 in die USA im Hohen Weg. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfuhr er von der Deportation seiner Eltern und Geschwister, die im Warschauer Ghetto umkamen. Versuche, seine Familie nachzuholen, scheiterten. Als Gastvortragender trat er wiederholt am Institut für deutsche Sprache und Literatur der Universität Hildesheim auf. In Anerkennung seiner hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Forschung zur Exilliteratur sollte Guy Stern am 18. März 2020 durch den Fachbereich 3 „Sprach- und Informationswissenschaften“ die Ehrendoktorwürde verliehen werden. Bedingt durch die Pandemie, war der geplante Festakt zunächst verschoben und die Ehrendoktorwürde anschließend postalisch überreicht worden.

Am 18. Januar veranstalten das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Frankfurter Nationalbibliothek und das PEN Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland einen digitalen Festakt anlässlich seines 100. Geburtstags. Dabei werden zwei weitere Publikationen zum Jubiläum des Ehrenbürgers vorgestellt: „Wir sind nur noch wenige – Erinnerungen eines hundertjährigen Ritchie-Boys“ (Aufbau Verlag) von Guy Stern als deutsche Übersetzung seiner englischsprachigen Autobiographie aus dem Jahr 2020 sowie „Von der Exilerfahrung zur Exilerforschung – Zum Jahrhunderteleben eines transatlantischen Brückenbauers. Festschrift zu Ehren von Guy Stern“, von Frederick Lubich und Marlen Eckl (Verlag Königshausen & Neumann).


Gratulierten Guy Stern zum 100. Geburtstag (v. l.): Vizepräsidentin Prof. Dr. Bettina Kluge (Stiftung Universität Hildesheim), Dr. Rainer Zirbeck, Prof. Dr. Wolfgang Christian Schneider (Stiftung Universität Hildesheim), Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer, Dr. Hartmut Häger, Rolf Altmann, Dr. W. Georg Olms und Hans-Jürgen Bertsche. Foto: Stadt Hildesheim

Anlässlich seines 100. Geburtstags wurde Prof. Dr. Guy Stern eine persönliche Festschrift gewidmet. Archivfoto: Isa Lange