Wie kann man Kreativität messen? Dr. Selina Weiss ist JProf für psychologische Diagnostik

Donnerstag, 22. August 2024 um 12:15 Uhr

Wo beginnt Kreativität und wo hört sie auf? In aktuellen Forschungsprojekten untersucht Juniorprofessorin Dr. Selina Weiss diese Frage im Hinblick auf Virtual Reality, das Handy als Messinstrument und Kunst(vor)wissen - und sucht dafür noch Studienteilnehmer*innen.

„In der Diagnostik geht es bei weitem nicht nur um die Unterscheidung in krank und gesund“, betont Selina Weiss. Vielmehr stehe das messbar Machen von menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten im Vordergrund, so etwa von dem schwer greifbaren Konstrukt „Kreativität“, das auch nach 70 Jahren Forschung viele Fragen offenlässt.

Seitdem künstliche Intelligenz existiert, denken Menschen darüber nach, inwiefern sie sich gegenüber Maschinen abgrenzen können: Können Maschinen etwa ebenso kreativ sein wie Menschen oder sogar kreativer? Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es zunächst einer Definition. „In der Kreativitätsforschung gilt bislang: Kreativität ist etwas, das neuartig, originell, noch nicht dagewesen und angemessen ist – wobei der letzte Begriff häufig diskutiert wird.“ 

Kreativität sei mehr als nur Hobbymalen, gibt Weiss zu Bedenken: „Ideen zu produzieren ist eine wichtige Komponente". Dabei meint sie nicht nur gedankliche Ideen. „Auch wenn jemand ein selbst ausgedachtes Gericht kocht, kann das kreativ sein.“ Wissenschaft werde immer wieder als kreativ charakterisiert – sei es nun die Mathematik, Medizin oder Geisteswissenschaft. Weiss betont: „Am Ende des Tages müssen wir eine Vielfalt an Ideen präsentieren, die neue Erkenntnisse hervorbringen.“

Kurzskala: Wie kann Alltagskreativität gemessen werden?

„Das messbar Machen von Kreativität ist mit vielfältigen mathematisch-methodischen Herausforderungen verknüpft“, berichtet Weiss. Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich zunächst mit der Anwendung von Natur-inspirierten Algorithmen zur Bestimmung von Items (siehe Kurzskala zur Alltagskreativität). Davon ausgehend modelliert sie deren Zusammenhang zu Bereichen, die mit der Kreativität verbunden sind. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt darin, Unterschiede zwischen Personen und innerhalb einer Person greifbar zu machen.

„In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass alle Menschen kreative Fähigkeiten im Alltag brauchen.“ Die Politik stünde vor der Herausforderung, diese mehr in Schulen und Arbeitsplätzen zu fördern. Dabei spiele Bildung eine wichtige Rolle: „Immerhin muss ich Noten lesen und Klavier spielen können, um ein Klavierstück zu komponieren". Dazu komme die „Equal Odds Rule“ zum Tragen: „Je mehr ich produziere, desto wahrscheinlicher ist es, dass irgendwann etwas Originelles dabei entsteht.“ Auch kreative Genies wie Mozart haben für ihre Kompositionen vermutlich mehr als einen Anlauf gebraucht, sagt Weiss.

Werdegang

Im Psychologiestudium von 2011 bis 2016 an der Universität Ulm wurde Selina Weiss schnell klar: Sie möchte in die Wissenschaft. Mit einem Nebenjob und der Bachelor- sowie Masterarbeit in der Diagnostik zeichnete sich auch die Richtung immer klarer ab. Die Kreativität wurde ihr bereits in die Wiege gelegt: Die Mutter war Künstlerin, beide Schwestern haben sich kreativ ausgedrückt. Das Thema ihrer Doktorarbeit im Bereich Kreativitätsmessung bei Prof. Dr. Oliver Wilhelm entstand durch einen glücklichen Zufall. Prof. Wilhelm wurde für einen Vortrag zum Thema Kreativität nach Hongkong eingeladen. Kurzerhand schlug er eine neue Studie vor, die Selina Weiss übernehmen konnte. So kam es, dass sie nicht nur ihre erste Doktorarbeitsstudie durchführte und den Vortrag in Hongkong als Karrieresprungbett nutzen konnte, sondern auch ihr Forschungsschwerpunkt geboren war.

Bereits seit 2016 gibt Selina Weiss ihr Wissen an Studierende weiter. Sie für die Methodik der Diagnositk zu begeistern, ist ihr ein besonderes Anliegen. An der Universität Hildesheim wird sie Lehrveranstaltungen im Bereich der psychologischen Diagnostik anbieten. „Die Entscheidung für Hildesheim fiel leicht, da ich mich von Beginn an sehr wohl gefühlt habe und die hier gelebte Kollegialität sehr zu schätzen weiß“. Als Juniorprofessorin für psychologische Diagnostik leitet sie ab dem 22. August eine eigene Arbeitsgruppe mit Wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Doktorand*innen am Institut für Psychologie der Universität Hildesheim.

Teilnahme an Studien

In aktuellen Studien behandelt die Arbeitsgruppe Kreativität in Virtual Reality, Alltagskreativität auf dem Smartphone, Wissen rund um das Thema Kunst und Vorwissen bei kreativen Tätigkeiten und mehr. Interessierte, die gegen Aufwandsentschädigung an den Studien teilnehmen möchten, können sich direkt per E-Mail an Selina Weiss selina.weiss(at)uni-hildesheim.de wenden. 


Juniorprofessorin Dr. Selina Weiss forscht und lehrt ab August 2024 zur psychologischen Diagnostik an der Universität Hildesheim. Foto: Elisabeth Schimpf