Die Kulturlandschaft "Mittlere Innerste"

Samstag, 22. September 2001 um 00:00 Uhr

Ein Projekt der Universität Hildesheim und des Landschaftsverbandes Hildesheim e.V. wird vorgestellt.

Es begann im Wintersemester 1998/99: Lehrende und Studierende des Fachbereichs Kulturwissenschaften und ästhetische Kommunikation der Universität Hildesheim machten sich Gedanken über die landschaftsgeschichtlich bedeutenderen Gärten und Parkanlagen im Kreis Hildesheim. Unter der Leitung von Professor Dr. Gotthard Frühsorge und Professor Dr. Josef Nolte vom Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft ging es zunächst darum, eine kulturhistorische Erschließung der kulturellen Reichtümer im Landkreis vorzunehmen.

Dabei erfuhren die Initiatoren intensive Unterstützung von Ignaz Jung Lundberg, der als Geschäftsführer des Landschaftsverbandes Hildesheim e.V. das Projekt begleitete. Nach dreijähriger Projektarbeit ist schließlich das Bild der Kulturlandschaft "Mittlere Innerste" deutlich geworden. Das Ergebnis dieser Arbeit wird im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung am 19. und 20. Oktober vorgestellt wird.

Der Landkreis Hildesheim und das südliche Niedersachsen überhaupt sind mit schönen Landschaften reich gesegnet. An kaum einer anderen Stelle aber kommen Schönheit und Wohlbehaltenheit des Landschaftsbildes sowie Vielfalt und Reichtum an historischen Monumenten in so dichter Weise zusammen, wie dies im mittleren Innerstetal zwischen Holle und Hildesheim der Fall ist. So bildet dieser Raum, der jetzt von der Großstadt Hildesheim, der Gemeinde Diekholzen, der Kurstadt Bad Salzdetfurth und der großflächigen Samtgemeinde Holle eingenommen wird, eine gewachsene Einheit, die nicht zuletzt durch das Flussband der Innerste zusammengehalten wird. Auch gehören die beschriebenen Gemeinden von alters her dem geistlichen Fürstentum Hildesheim an und sind gegenwärtig Teil des Kreises Hildesheim und damit Mitglied im Landschaftsverbandes Hildesheim e. V.

Wo anfangen und wo enden? dieser Frage sahen sich die Projektbeteiligten schnell gegenübergestellt. Die räumliche Eingrenzung des Forschungsbereichs war eine wesentliche Hürde, die schließlich nur durch Festlegung eines in sich abgeschlossenen Kulturraumes überwunden werden konnte. Für das Projekt wurde der Blick auf das kulturräumlich nahezu intakte und landschaftsästhetisch besoders attraktive Flusstal der Innerste zwischen der Domäne Marienburg und dem Zuflussgebiet der Nette bei Derneburg gerichtet. Diese Teillandschaft ist es, die unter dem Begriff “Mittlere Innerste” auf ihren kulturellen Reichtum hin untersucht wurde.

Angestrebt war zunächst die Bestandsaufnahme der hochrangigen Natur- und Kulturdenkmäler und dies mit dem kulturpädagogischen Ziel einer Vernetzung dieser Denkmäler zu einer Kulturverführungslandschaft im Sinne von Kulturpfaden und Kulturstraßen. Je länger jedoch die über drei Jahre hin angelegte Bestandsaufnahme andauerte, desto mehr wurde die Landschaft selbst Gegenstand der Projektarbeit. Damit verschob sich der Blick von den einzelnen Monumenten und Erfahrungspunkten auf die Kulturlandschaft als solcher. Zugleich aber trat mit dieser Perspektiverweiterung nicht mehr nur der kulturpädagogische Gesichtspunkt der Denkmalerschließung, sondern vor allem der kulturästhetische und kulturökologische Aspekt des Landschaftserhalts und der Landschaftsgestaltung in den Vordergrund.

Es ging den Beteiligten folglich nicht mehr nur um das Aufzählen von kulturellen Sehenswürdigkeiten und das Herausstellen von gut erhaltenen Dörfern und besonders schönen Parks. Vielmehr sollte diese Landschaft im Ganzen als wertvoller Kulturraum dargestellt werden, der den dort lebenden Menschen und Besuchern ein Gefühl des Wohlbefindens vermittelt. Eine Radtour durch wunderbar erhaltene Alleen, ein Verweilen im Park, der Besuch von historischen Gärten, all das sind Dinge, die das Lebensgefühl der Bevölkerung ausmachen. Die Menschen, die im Innerste-Tal zu Hause sind und diejenigen, die diese Landschaft besuchen, sind Teil des Projekts und machen den Kulturerfahrungsraum "Mittlere Innerste" aus.

Bei der Bestandsaufnahme machten sich die Studierenden unterstützt von örtlichen Heimatpflegern auf die Suche nach bildlichen und literarischen überresten der jeweiligen Ortsgeschichten. Dabei zählten Fotoalben genauso zu den Fundstellen, wie Hobbymalereien oder Ortslegenden. Das gefundene Material schriftlicher oder mündlicher überlieferung wurde teilweise in Szene gesetzt und der Bevölkerung präsentiert. Diese Vorgehensweise ist das kulturpädagogische Moment des Projekts, die "kulturpädagogische Bewusstseinsarbeit", wie es in der Projektbeschreibung heißt. So wurde vor allem darüber gesprochen, wie man Wegeführungen für Radtouren und Wanderungen so ausweisen kann, dass die Ausflügler und Naturfreunde auch eine schlüssige Kulturkenntnis und Landschaftserfahrung mit auf den Weg bekommen. Durch Hinweistafeln und die Kennzeichnung signifikanter Plätze und Gebäude soll die “Mittlere Innerste” als Kulturraum "erfahrbar" gemacht werden. Den Besuchern soll der Blick für vorhandene kulturelle, politische und ökologische Ressourcen geschärft werden. Eine Veränderung der Landschaft ist nicht das Ziel.

Mit der beschriebenen landschaftsästhetischen und landschaftsökologischen Auswertung des Projektes kam zugleich eine innovative und integrative Landschaftswissenschaft in den Blick, in der sich die bislang eher strikt auseinander gehaltenen natur- und kulturwissenschaftlichen Stränge der Geografie, Geobotanik und Landschaftsgeschichte produktiv verbinden. So gesehen stellt das Projekt “Kulturlandschaft Mittlere Innerste” dann auch so etwas wie ein Paradigma einer kulturwissenschaftlich und kulturpädagogisch ausgerichteten Landschaftswissenschaft dar und ist seiner Intention nach in Niedersachsen als Pilotprojekt einer integrativen Landschaftsplanung und Landschaftsentwicklung anzusehen.

Was die Realisierung geeigneter Maßnahmen betrifft, so ist klar, dass allein auf den Schultern des Ehrenamts die Herstellung, Weiterentwicklung und Verstetigung des Kulturerfahrungsraums "Mittlere Innerste" nicht zu leisten ist. Das vom Landschaftsverband Hildesheim e.V. und der Universität Hildesheim getragene Projekt hat die kulturhistorisch und kulturpädagogisch wichtigen Aspekte herausgearbeitet und damit quasi die Gründungsarbeit geleistet. Für die weitere Entwicklung und Ausgestaltung ist es wichtig, die Stadt Hildesheim und die angrenzenden Gemeinden als Partner zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund findet am 19. und 20. Oktober die öffentliche Vorstellung dieses landespolitisch und landeskundlich gleichermaßen bedeutsamen Pilotprojekts statt. Vertreter aus Politik, Kultur und Wissenschaft referieren zum einen über historische und aktuelle Landschaftsprojekte in Deutschland. Zum anderen wird anhand konkreter Beispiele der Landschaftsraum "Mittlere Innerste" vorgestellt. Am Ende des ersten Veranstaltungstages wird zudem die offizielle Gründung der Kulturvereinigung "Mittlere Innerste" in feierlichem Rahmen stattfinden. Veranstaltungsort ist der Universitätsstandort Domäne Marienburg. Die öffentlichkeit ist herzlich eingeladen.

Nähere Informationen zur Veranstaltung erteilt das Institut für Bildende Kunst an der Universität Hildesheim täglich von 9 bis 12 Uhr unter der Rufnummer 05121/883630 oder auch per E-Mail unter der Adresse: institut-kunst(at)uni-hildesheim.de.