Der Geschichte der Schule auf der Spur – Forschertag im Schulmuseum

Mittwoch, 19. April 2023 um 12:27 Uhr

Am Forschertag des Schulmuseums Hildesheim gehen zehn junge Forscher*innen der Frage auf den Grund, wie Schule im letzten Jahrhundert aussah. Dafür untersuchen sie historische Fotografien, stellen Merkmale eines ehemaligen Klassenzimmers heraus und identifizieren alte Sütterlinschrift.

„Wie können wir herausfinden, wie Schule vor 100 Jahren war?“ fragt Prof. Dr. Mario Müller, Leiter des Schulmuseums und Professor am Institut für Evangelische Theologie der Universität Hildesheim, die zehn anwesenden Kinder. Viele der Neun- bis Zwölfjährigen sind nicht zum ersten Mal im Schulmuseum und waren bereits mit ihren Eltern oder im Zuge eines Klassenausflugs dort. „Auf Wikipedia nachschauen“, kommt als erste Antwort aus den Reihen. „In Büchern lesen“, sagt jemand. „Ältere Leute fragen“, ist der nächste Vorschlag.

„Das ist alles richtig. Wir möchten heute einen Schritt weiter- beziehungsweise zurückgehen und in die Rolle von echten Archivarinnen und Archivaren schlüpfen“, kündigt Mario Müller an. Zwei Gruppen werden im historischen Klassenzimmer alte Fotografien genauer unter die Lupe nehmen, während die anderen beiden Sütterlinschrift entziffern. Bevor die Nachforschungen beginnen können, müssen die neugierigen Forscher*innen nur noch mit allen Hilfsmitteln versorgt werden, die Archivarinnen und Archivare für ihre Arbeit brauchen. Gesagt, Getan. Mit Kittel, Lupe, Handschuhen und Notizbuch ausgestattet kann es endlich losgehen.

Das historische Klassenzimmer umfasst Mobiliar und Utensilien aus dem letzten Jahrhundert. Von dem Lehrerpult, den Tischen und Bänken über die Zahlentafel und zahlreiche Karten, bis hin zu einem ausgestopften Fuchs und präparierten Schmetterlingen im Holzschaukasten, sind alles Originale. Aber warum gab es früher ausgestopfte Tiere und so viele Karten im Klassenzimmer? „Weil die Kinder damals nur wenige Bücher, und wenn, dann welche ohne Bilder, hatten“, erklärt Gruppenleiterin Emily Auf dem Berge.

Um weitere Rückschlüsse auf die Vergangenheit ziehen zu können, nehmen die vier Schüler*innen vorsichtig und mit Stoffhandschuhen bekleidet die alten Schwarz-Weiß-Fotografien in die Hände. Ihnen fällt auf, dass auf den Klassenfotos von 1923 keine Lehrerinnen zu sehen sind. „Kaum vorstellbar, aber zu dieser Zeit gab es kaum Lehrerinnen, weil Frauen erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts studieren durften. Auch konnten sie dann zunächst Fächer wie Hauswirtschaft oder Textilunterricht, aber keinesfalls Mathe, Physik oder Chemie unterrichten“, klärt Emily Auf dem Berge auf. Des Weiteren bemerkt die Gruppe, dass viele Jungen Matrosenkleidung tragen. Die Erklärung: „Damit sollten sie ,Werbung‘ machen. Mit der Kleidung wurde symbolisiert, dass sie zu guten Soldaten ausgebildet werden.“ Die Kinder stellen außerdem fest, dass die „guten Manieren“, wie dass man auf Fotos nicht Lächeln durfte, großgeschrieben waren. Hat man sie verletzt, wurde man mit dem Tragen der „Eselsmütze“ zum „doofen Esel“ erklärt oder anderweitig bestraft.

Die zwei anderen Kleingruppen machen sich währenddessen daran, zwei Seiten aus einem „Wanderbuch“ der Klasse U III (heute siebte Klasse) zu untersuchen. Mit der Übersetzung des Sütterlin-Alphabets (siehe Foto) versuchen sie die kaum leserliche Schrift zu entziffern und mehr über einen Klassenausflug an das Steinhuder Meer im Jahr 1927 zu erfahren. Es gestaltet sich jedoch schwerer als zunächst angenommen und mündet in einem Ratespiel. Ist es vielleicht der Buchstabe „F“, ein „S“, oder doch ein „N“? Nach einiger Zeit können sie die alten Buchstaben besser zuordnen, sind aber trotzdem froh, dass sie die heutige Schreibschrift in der Schule gelernt haben.

Nach einer stärkenden Pause mit Pizza und Getränken werden die Erkenntnisse ausgetauscht. Am Ende des Forschertages können alle Schüler*innen von der Arbeit mit den historischen Quellen viel mitnehmen. Sie können etwa zwischen einer historischen Quelle und einem Fachbuch über eine solche unterscheiden. Darüber hinaus können sie benennen, was ein Archiv ist und worauf man achten muss, wenn man mit einer historischen Quelle arbeitet. Mit Urkunden im Gepäck und zufriedenen Gesichtern verabschieden sich die jungen Forscher*innen nach einem erkenntnisreichen Vormittag von den Mitarbeitenden des Schulmuseums.

Zur Webseite des Schulmuseums


Fotos: Jan Schönfelder