Strobl untersucht den Einfluss von Migration auf gesellschaftliche Prozesse wie das Netzwerken, Kommunikation und die Weitergabe von Wissen. „Vor dem Hintergrund, wie rasch sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert, pluralisiert und diversifiziert hat, ist dies bedeutsam.“ In der Migrationsforschung versuche man diese Phänomene zu analysieren, darzustellen und zu erklären. „Das geht meiner Meinung nach nur, indem wir unsere Geschichtsdarstellungen und -perspektiven breiter gestalten.“ Im Mittelpunkt des Zeitgeschichtsnarrativs stehen nämlich hauptsächlich politische und wirtschaftliche Ereignisse. Das Thema Migration zähle in den großen Geschichtsschreibungen der jüngsten Vergangenheit hingegen nur als Randnote.
In seinem aktuellen Forschungsprojekt arbeitet Strobl an der Analyse der Handlungsmacht, der sogenannten „agency“ von Geflüchteten. Dabei untersucht er ihre Rolle als aktive Spieler in der Ausverhandlung von Migrationsprozessen und betrachtet ihre Verhandlungsstrategien. Darüber hinaus forscht Strobl mit Dr. Swen Steinberg von der Queen´s University in Kingston, Kanada an verlorenem Wissen („Lost Knowledge“) in Herkunftsregionen. Die Fragestellung, welches Wissen und wie viel davon in Auswanderungs- und Fluchtregionen verloren gegangen ist, steht dabei im Mittelpunkt.
Fachzeitschrift „Historia Prima“ für Studierende der Geschichtswissenschaften
Ein weiteres Forschungsvorhaben setzt der Wissenschaftler gemeinsam mit Severin Cramm, Lehrbeauftragter am Institut für Geschichte der Universität Hildesheim, um: Das vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur geförderte Magazin „Historia Prima“ ist Niedersachsens einziges historisches Fachmagazin für Studierende der Geschichtswissenschaften. Besonders gelungene Seminararbeiten aus allen Niedersächsischen Geschichtsinstituten können dafür eingereicht werden. „Diese werden dann von Studierenden unserer Universität unter Anleitung von Severin Cramm und mir überprüft, ausgewählt, einem Peer-Review-Verfahren unterzogen und für den Druck vorbereitet“, sagt Strobl. Die erste Ausgabe des jährlich erscheinenden Magazins wird im Juni 2023 im Universitätsverlag Hildesheim veröffentlicht.
Stationen in Wissenschaft und Praxis
Während seines Studiums der Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Innsbruck von 2007 bis 2009 war Strobl als Forschungsassistent im Rahmen des Projekts HiMAT (History of Mining Activities in Tyrol and adjacent areas – impact on environment and human societies) in Innsbruck beschäftigt. Anschließend absolvierte er einen Master in Zeitgeschichte an der University of New Orleans, wo er ebenfalls als Forschungsassistent tätig war. Von 2010 bis 2014 promovierte Strobl im Bereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Innsbruck. Daraufhin folgte ein mehrjähriger Aufenthalt in der Slowakei als Lektor am Institut für Angewandte Sprachen an der Wirtschaftsuniversität Bratislava. Anschließend ging er 2015 einer redaktionellen Tätigkeit im Bereich Geschichte/ Politische Bildung im Österreichischen Bundesverlag in Wien nach.
„Im Jahr 2016 wurde mir ein Forschungsantrag vom Österreichischen Wissenschaftsfonds bewilligt und ich konnte zwei Jahre lang vor Ort in Melbourne zu jüdischen Geflüchteten in Australien recherchieren.“ Anschließend hat Strobl ein Jahr lang an der Universität Innsbruck geforscht, um den österreichischen Teil seiner transnationalen Studie zu ergänzen. Die Überlegungen im Zuge dieser Studie bildeten die Grundlage für seine Habilitation, die er am 21. Dezember 2022 mit der Antrittsvorlesung unter dem Titel „Vertriebenes Wissen und Geflüchtete als Mittler*innen zwischen den Kulturen - Einblicke in neue Forschungsperspektiven in der historischen Migrationsforschung“ in Hildesheim abschloss. Seitdem ist er Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Hildesheim und Migrationshistoriker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, wo er im Wintersemester 2022/2023 eine Gastprofessur für „Nationalsozialismus und Holocaust unter Berücksichtigung österreichischer Zeitgeschichte“ innehatte. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die europäische Zeitgeschichte im Globalen Kontext, die Migrations-, Vernetzungs-, Zeit-, Konsum- und Stadtgeschichte sowie die Geschichte der Globalisierung.