gott will immer alles panieren
er wühlt in mehl
und eischleim
und panade
er pfeift
und singt dabei
und was hier fehlt
das wälzt und würzt er gerade
Das Gedicht ohne Titel aus dem Werk liedvoll, deutschzyno, das 2020 im kookbooks-Verlag in Berlin veröffentlicht wurde, ist ausnahmsweise nicht collagenartig aus Fragmenten anderer Texte zusammengesetzt. „Meine Poesie ist oft eine aus Sprachmaterial schöpfende Poesie, und sie unterscheidet sich dadurch beispielsweise von inspirierter Naturpoesie, auf die ich leider keinen Zugriff habe. Wegweisend für mich war in dieser Hinsicht immer ein bei Klaus Ramm erschienener Titel des gerade verstorbenen, viel bewunderten Dichters Franz Mon, der von „Wörtern voller Worte“ spricht. Eine solch sprachorientierte Poesie entspricht auch meinen Ansätzen.“ Weitere Gedichte von Dagmara Kraus sind auch unter www.lyrikline.org zu finden.
Sie hat Komparatistik und Kunstgeschichte in Leipzig, Berlin und Paris studiert sowie im Anschluss Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Vor ihrer Tätigkeit in Hildesheim arbeitete sie als freischaffende Autorin. Außerdem sammelte sie erste Lehrerfahrungen als Gastdozentin für Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, an der Universität für Angewandte Kunst Wien und am Schweizerischen Literaturinstitut Biel. Das Interesse für Sprache entstand u.a. im Prozess des Deutsch-Lernens, nachdem sie von Polen nach Deutschland emigrierte. „Ich glaube und merke es auch in meinem Umfeld, dass man einen analytischeren Blick auf die Sprachstrukturen hat, wenn man eine Sprache neu lernt“, sagt sie. Ihre Faszination für Poesie entsprang der polnischen Lyrik, welche sie in ihrer Kindheit begleitet und bewegt hat.
Zurzeit arbeitet sie mit der deutschen Schriftstellerin Sonja vom Brocke an verschiedenen Projekten zu dem Nachlass der österreichischen Autorin Marianne Fritz. Texte des umfangreichen, noch recht unbekannten und zur Zeit seiner Entstehung teils verpönten Werks sollen zugänglich gemacht werden. Es wird dabei untersucht, wie und in welchen Prozessen die Autorin an ihrem Text gearbeitet hat. „Sie hat ihr Werk vielfach überarbeitet – man sieht viele Schichten in ihm sich übereinander lagern und sogenannte „Stimmzüge“ (Fred Büchel/fritzpunkt), die man im Rahmen einer editionswissenschaftlichen Untersuchung kontextualisieren könnte“, berichtet Kraus. Die Texte des Werkes sollen kommentiert und herausgegeben werden. Des Weiteren sollen u.a. eine Veranstaltung im Literarischen Colloquium Berlin am 13. Oktober 2022 und ein Dossier für das Schreibheft auf Basis dieser Textgrundlage entstehen.
Mit Wirkung vom 15. Juni 2021 wurde Kraus zur Juniorprofessorin an der Universität Hildesheim ernannt. „Ich habe den Eindruck, dass sich manchmal Kreise schließen. Hildesheim war darum vielleicht keine Entscheidung, sondern wurde mir zugespielt.“ Denn der erste Bezugspunkt zu Hildesheim ergab sich 2002 während ihrer kunsthistorischen Zwischenprüfung in der Auseinandersetzung mit der „Bernwardinischen Plastik“, den Skulpturen Bernwards von Hildesheim. 2008 trat sie auf dem Hildesheimer PROSANOVA-Festival erstmals im Rahmen des Lyrikwettbewerbes in der Öffentlichkeit auf und erhielt den Publikumspreis. Den Kreis geschlossen – oder einen neuen begonnen? – hat schließlich die Rufannahme an der Universität Hildesheim.
Antrittsvorlesung am 25. Mai
Die Antrittsvorlesung der Juniorprofessorin unter dem Titel "Icamispaschla“: Wie (und mit wem) Urs Allemann kurzen Prozess macht, der dauert, nebst Lesung aus den Carruthers-Variationen durch deren Autor wird am 25. Mai um 18 Uhr in dem Raum Hs 50/302 auf dem Kulturcampus stattfinden.