Barrierefreie Kommunikation in der Corona-Krise: Informationen in Einfacher Sprache

Mittwoch, 01. April 2020 um 09:32 Uhr

Ein Forschungsteam aus den Übersetzungswissenschaften der Universität Hildesheim macht aktuelle Informationen über das Coronavirus SARS-CoV-2 in Einfacher Sprache zugänglich.

„Barrierefreie Kommunikation ist gegenwärtig zunehmend Teil des Krisenmanagements in der deutschen Gesundheitskommunikation. Die Forschungsstelle Leichte Sprache ist hier sehr aktiv und in wichtige gesundheitspolitische Aufgaben involviert“, sagt Professorin Christiane Maaß, Leiterin der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim.

Das Forschungsteam übersetzt derzeit aktuelle Informationen zum Corona-Virus in Einfache Sprache und macht diese in Zusammenarbeit mit dem Wort- und Bildverlag auf der Website https://www.apotheken-umschau.de/Coronavirus/coronavirus-einfache-sprache-557641.html verfügbar.

Jeder Zweite hat Probleme damit, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen und zu bewerten

„Aus verschiedenen Studien (unter anderem Schaeffer 2016) wissen wir, dass mehr als 54% der deutschen Bevölkerung gesundheitsrelevante Informationen nicht versteht“, so Christiane Maaß. Jeder Zweite habe Probleme damit, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, richtig einzuordnen, zu bewerten und zu nutzen.

Die Forschungsstelle macht darüber hinaus auf ihrer Webseite ebenfalls evidenzbasierte Informationen über das Corona-Virus in Leichter Sprache zugänglich: www.uni-hildesheim.de/leichtesprache/forschung/corona-virus/.

Mit der Initiative „Barrierefreie Kommunikation und Corona“ setzen sich die Hildesheimer Wissenschaftlerinnen in Kooperation mit weiteren Aktivisten dafür ein, dass Personen mit Kommunikationseinschränkung Zugang zu gesundheitsrelevanten Informationen ohne die Hilfe Dritter haben. Die Initiative wurde von Laura M. Schwengber ins Leben gerufen, die in Hildesheim den Master „Barrierefreie Kommunikation“ in Teilzeit studiert und die Taskforce leitet. Dieses Team aus Fachleuten aus Forschung und Praxis arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, sich an die Krankenhäuser und das Pflegepersonal sowie die Politik in Deutschland zu wenden, um diese zum Teil lebensnotwendige Information zu streuen, denn leicht verständliche Gesundheitskommunikation ist Krisenkommunikation, sagt Professorin Christiane Maaß.

Informationen zum Masterstudiengang „Barrierefreie Kommunikation“

Interview mit der Übersetzungswissenschaftlerin Dr. Isabel Rink
von der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim

Frau Dr. Rink, die Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim übersetzt Informationen über das Coronavirus SARS-CoV-2 in Einfache Sprache und Leichte Sprache. Was haben Sie in den letzten Tagen erarbeitet?

Mein Team und ich haben in den letzten Tagen verschiedene Basisinformationen über das Corona-Virus und den Diskurs dahinter in Einfache und Leichte Sprache übersetzt. Es ging dabei zum Beispiel um die Fragen: Was ist das neue Coronavirus? Woher kommt das neue Coronavirus? Wie kann ich die Symptome der Krankheit erkennen? Was kann ich tun, um mich und andere Personen zu schützen? Welche Personen sind besonders gefährdet?  
Wir haben aber auch verschiedene Hashtags in Leichte Sprache übersetzt, damit alle Menschen Zugang zum Diskurs haben:
https://www.uni-hildesheim.de/leichtesprache/forschung/corona-virus/
Diese machen wir natürlich über unsere Social Media-Kanäle zugänglich.
Zudem erarbeiten wir gerade in Kooperation mit verschiedenen Praktiker_innen (Gebärdensprachdolmetschern, Leichte-Sprache-Dolmetschern, Schriftdolmetschern, Verstehensassistenzen) Anleitungen zur Bedienung von Skype, FaceTime, Zoom etc. in Leichter Sprache, damit mögliche Bedarfsträger mit Kommunikations- oder Verstehenseinschränkung im Ernstfall diese Dienste für die Live-Verdolmetschung im Krankenhaus oder beim Arzt nutzen können.

Was ist dabei eine Herausforderung? Die Übersetzungstätigkeit erfordert tagesaktuelle Reaktionen.

Eine Herausforderung ist die aktuelle Reaktionszeit. Die Informationen zur Verbreitung des Virus oder zu den Gegenmaßnahmen durch die Bundesregierung und die Länder ändern sich schnell, dann müssen wir unmittelbar reagieren: Die neue Information muss entsprechend übersetzt und zudem durch das medizinische Fachpersonal auf Seiten des Auftraggebers geprüft werden, erst dann kann es auf der Homepage aktualisiert werden. Hier unterscheiden sich Standardversion, Leichte-Sprache-Fassung oder Einfache-Sprache-Fassung darin, dass es bei der Übersetzung eine weitere Korrekturschleife gibt.

Manche Informationen ändern sich sehr schnell, wie geht man damit als Übersetzungsteam um?

Wir stehen in ständigem Kontakt mit dem Auftraggeber und telefonieren mehrmals täglich. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem umsichtiges Handeln: Was ist für den Moment wichtiger, die neueste Änderung der Bundesregierung oder die Zugänglichmachung der Information über richtige Handhygiene? Diese konkrete Anwendung der Theorie in der Praxis ist eine sehr wertvolle Erfahrung, die wir dann wiederum in die Lehre einspielen können.

Sie übersetzen in dem Kooperationsprojekt mit der Apotheken-Umschau (www.apotheken-umschau.de/Coronavirus/coronavirus-einfache-sprache-557641.html) Informationen zum neuen Corona-Virus in Einfache Sprache. Welche gesundheitspolitische Bedeutung hat die Arbeit der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim in der derzeitigen Corona-Krise, wozu möchten Sie beitragen?

Es hagelte viel Kritik, insbesondere von Vertretern der Gruppen mit Kommunikationseinschränkung, die zum Teil den vulnerablen Gruppen zugehören: Sie hatten sehr lange Zeit kaum Zugriff auf die Informationen über das Corona-Virus und die Debatte dahinter, sodass sie sich nicht eigenständig informieren und die Maßnahmen entsprechend umsetzen konnten. Barrierefreie Gesundheitskommunikation ist aktuell Teil des Krisenmanagements und alle Personen in diesem Land müssen mitgenommen werden. So hoffen wir, dass durch die Bereitstellung von barrierefreien Informationen über das Corona-Virus und damit verbundene Maßnahmen wie die richtige Handhygiene auch die Gesundheitskompetenz in einer diversen Gesellschaft gestärkt und gefördert wird. Nur so haben alle die Möglichkeit, einen Beitrag zur Abflachung der Kurve zu leisten.

Stimmen Sie sich mit Gesundheitsbehörden und Fachkreisen ab, wie sichern Sie als Übersetzungsteam die Qualität und Richtigkeit der Informationen?

Die Texte werden dreifach geprüft: Die Informationen werden von der Forschungsstelle Leichte Sprache übersetzt (mindestens 4-Augen-Prinzip) und von einem zweiköpfigen Team des Auftraggebers fachlich geprüft. Auf diesen Texten liegt also eine deutlich größere Ressource, als das üblicherweise der Fall ist.

Sie bilden an der Universität Hildesheim Profis für barrierefreie Kommunikation aus. Wer ist an dem Übersetzungsprojekt beteiligt und wie geht es weiter, wird das Projekt noch fortgeführt in der aktuellen Corona-Krise?

Das Übersetzungsprojekt leite ich, mein Team besteht unter anderem aus Studierenden des Masterstudiengangs „Barrierefreie Kommunikation“. Ein Teil der Studentinnen und Studenten übersetzt die Texte im Rahmen von studentischen Hilfskraftverträgen. So hat zum Beispiel Lena-Sophie König, die jetzt erst in das Masterstudium startet, verschiedene Hashtags in Leichte Sprache übersetzt, denn auch der Zugriff auf Diskurswissen bedeutet gesellschaftliche Teilhabe. Das Engagement unserer Studierenden geht aber darüber hinaus, so dass auch Studierende, die nicht beschäftigt sind, Initiative ergreifen und ihren Beitrag dazu leisten, Information zugänglich zu machen, sich vernetzten und kleinere Projekte in Zeiten dieser Krise auf die Beine stellen.

Die Fragen stellte Isa Lange.

Medienkontakt:

Universität Hildesheim
Fachbereich Sprach- und Informationswissenschaften
Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation
Forschungsstelle Leichte Sprache

Dr. Isabel Rink
E-Mail: rinkisa@uni-hildesheim.de

Prof. Dr. Christiane Maaß
E-Mail: christiane.maass@uni-hildesheim.de

oder

Universität Hildesheim
Pressesprecherin
Isa Lange
Tel: 05121.883-90100
Mobil: 0177.860.5905
E-Mail: presse@uni-hildesheim.de


Übersetzungswissenschaftlerin Dr. Isabel Rink von der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim. Foto: Isa Lange/Uni Hildesheim