Was Dr. phil. h. c. Lore Auerbachs 90. Geburtstag mit der Universität Hildesheim zu tun hat

Montag, 07. August 2023 um 15:15 Uhr

Politische Emigration der Eltern Bertha und Walter Auerbach (jüdische SPD-Parteimitglieder) nach Amsterdam am 16. Mai 1933, dort Geburt am 5. August desselben Jahres. Anschließend im Oktober 1939 Flucht nach England. 1946: Rückkehr nach Deutschland. 1951: Abitur in Hannover mit anschließendem Studium an der dortigen Pädagogischen Hochschule für das Lehramt an Volksschulen mit dem Vertiefungsfach in Musik. 1955 zweites Staatsexamen. 1956 Realschullehramt in Musik und Englisch. 1962 Gründung der Musikschule Hildesheim und bis 1969 hauptamtliche Leiterin derselben.

Der erste Abschnitt von Dr. phil. h. c. Lore Auerbachs Leben liest sich wie ein Stakkato, am 5. August ging es ein 90. Mal in die Reprise, die Wiederholung, die doch immer anders realisiert wird. Dieses Mal, im Jahre 2023, fanden sich zu einer Würdigung seitens der Universitätsgesellschaft e.V. – durch die Veranstaltung führte Vorsitzender Heinz Werner Ernst – Weggefährtinnen und Würdiger ein, Laudatoren und Grußwortsprecherinnen. Zu ihnen gehörten wichtige Persönlichkeiten wie Universitätspräsidentin Prof. Dr. May-Britt Kallenrode. Lore Auerbach war eine der ersten Absolvent*innen des Hildesheimer Studiengangs in Kulturpädagogik im Jahre 1981 – für dieses Studium immatrikulierte sie sich im Alter von 45 Jahren –, ihre Verbindung zur Universität ist einzigartig, ihr Werdegang dermaßen mit der Entwicklung der 1970 noch jungen Hochschule verwurzelt, dass die Eine beinahe für das Andere steht: „Als Lore Auerbach [vor ungefähr 50 Jahren] nach Hildesheim kam, hat sie keine Universität gesehen. Wer Anfang der Siebziger nach Hildesheim kam, sah eine Bildungseinrichtung, die gerade aus der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen ausgegliedert wurde und ihren Weg finden musste; die immer noch die Geschichte der PH hatte, eben mit ganz großem Fokus auf die Lehrer*innenbildung, aber die auch anfing, sich zu emanzipieren, die mehr machen wollte. Und was diese Hochschule mehr machen wollte, das waren Kulturwissenschaften; das, was auf diesem Campus [dem Kulturcampus auf der Domäne Marienburg] verhaftet ist. Dazu gehören auch Kunst-, Musik- und Kulturvermittlung“, erläutert die aktuelle Universitätspräsidentin. Die Entwicklung zu einer Volluniversität habe Lore Auerbach später maßgeblich als Vorsitzende der Universitätsgesellschaft begleitet.

Vertreten waren auch die nächsten Geliebten – die manchmal zugleich in die Kategorie der wichtigen Persönlichkeiten fallen. So etwa Weggefährte und unmittelbarer Vorgänger in der Universitätsgesellschaft Dr. Hartmut Häger. Er kennt sie von allen in der Universitätsgesellschaft am längsten, beginnt seine Würdigung mit Wünschen der „Lebensfreude und Schaffenskraft – oder umgekehrt Lebenskraft und Schaffensfreude“ und lässt ihr bisheriges Leben im Anschluss auch mit Anekdoten aus ihrem Privatleben Revue passieren.

Bevor Lore – eigentlich Leonore – Auerbachs Geburtstag in der Aula im Hohen Haus am Kulturcampus auf der Domäne Marienburg ein 90. Mal zelebriert wurde, durchlief sie kein rein privates, sondern auch ein politisches Stakkato. So fasst Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer Lore Auerbachs Schaffensdrang wie folgt zusammen: „[Ihre Kindheit im Exil] war etwas, was Sie noch nicht großartig gestalten konnten, sondern das wurde eben gemacht, das geschah in Ihrem Leben. Aber alles Weitere: Da sind Sie selbst für verantwortlich.“

Der Ausgangspunkt ihres politischen Werdegangs war ihre jugendliche Mitgliedschaft bei den Falken, auf die 1951 die offizielle Mitgliedschaft in der SPD folgte. Was bei der Betrachtung ihrer Vita am prägnantesten ins Auge fällt, sind ihre zahlreichen Ehrenämter: So war sie Senatorin der Niedersachsen-Stiftung, Vertreterin des Landes Niedersachsen im Hörfunkrat des Deutschland-Radios und ist seit 1994 (Ehren-)Vorsitzende der Universitätsgesellschaft Hildesheim e.V. Die gesammelten Erfahrungen kulminierten von 1976 bis 1991 in einem hohen politischen Amt: der Tätigkeit als Erste Bürgermeisterin der Stadt Hildesheim, von 1986 bis 1994 folgte die Mitgliedschaft im Niedersächsischen Landtag.

Auf den Ehrenring der Stadt Hildesheim (1984), folgte 1994 die philosophische Ehrendoktorwürde der Universität, 1995 das Bundesverdienstkreuz und 2005 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Hildesheim. Auffallend ist dabei der Umstand, wie sie zu diesen Auszeichnungen gelangte: Durch soziokulturelles Engagement vielmehr als wirtschaftlichem oder rein politischem. Dr. Karl Ermert, der von 1999 bis 2011 als Direktor der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel ein weiterer zentraler Weggefährte ist, diagnostizierte bei Lore Auerbach „Sinnsucht“ und betonte erneut die Verschränkung zwischen ihrer Persönlichkeit und ihrem Engagement: „Als ich sie fragte, was sie als Lebensmotto nennen würde, zitierte sie Erich Kästner: ‚Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.‘“


Dr. phil. h. c. Lore Auerbach mit Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer. Foto: Viktoria Helene Ong

Dr. phil. h. c. Lore Auerbach mit Dr. Karl Ermert. Foto: Viktoria Helene Ong

Dr. phil. h. c. Lore Auerbach mit Präsidentin Prof. Dr. May-Britt Kallenrode. Foto: Viktoria Helene Ong

Vorsitzender der Universitätsgesellschaft Heinz Werner Ernst. Foto: Viktoria Helene Ong

Dr. Hartmut Häger. Foto: Viktoria Helene Ong