Arbeit mit Straftäter*innen - Eine Karriere als Sozialpädagoge

Dienstag, 09. April 2024 um 11:30 Uhr

Peter Hahlbrock betreute beruflich unter anderem straffällige Jugendliche und Erwachsene. Zusätzlich lehrte er mehr als 26 Jahre an der Universität Hildesheim. Jetzt verabschiedet er sich in die Rente und blickt auf seine Berufsjahre zurück.

„Macht es Ihnen eigentlich Spaß, Leute einzusperren?“ Der Hildesheimer Oberstaatsanwältin klappt die Kinnlade herunter. Mit dieser Frage aus den Reihen der Studierenden hat sie nicht gerechnet. Noch heute erinnert sich Peter Hahlbrock an diese Situation zurück. In seine Seminare lud er häufig Referent*innen ein, das war nichts Ungewöhnliches. Neben Vertreter*innen der pädagogischen Fachdienste auch eine Richterin, einen Polizisten oder eben jene Staatsanwältin – sie berichteten den Studierenden aus ihrem Berufsleben. Thema der Veranstaltung, die nun endet, war die „Täterarbeit“ bei häuslicher Gewalt. Das war auch eine von Hahlbrocks Tätigkeiten im Verein KWABSOS e.V., was für Kommunikations-, Wohn-, Arbeits- und Beratungszentrum steht. Dieser Träger ist 1981 aus einem universitären Forschungsprojekt entstanden und mittlerweile nicht aus den Hilfsangeboten Hildesheims wegzudenken. Dem Verein widmete Hahlbrock 37 Jahre seines Lebens und teilte seine Berufserfahrung als Lehrbeauftragter am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik.

Erst seit Mitte der 1980er Jahre gibt es in Deutschland neben Beratungs- und Hilfsangeboten für Opfer von häuslicher Gewalt auch vermehrt solche für Täter, in Hildesheim sogar erst seit 2011. „Viele von den Männern kommen freiwillig zu uns. Andere wiederum schickt das Jugendamt oder die Justiz“, berichtet Thomas Tugendheim, ehemaliger Leiter von KWABSOS sowie langjähriger Arbeitskollege und Freund von Hahlbrock. „Ich erinnere mich noch genau daran, als ein großer, muskulöser Mann, bis zu den Fingerspitzen tätowiert, zu unserer Gruppe stieß. Das Jugendamt hatte ihn geschickt. Anfangs wollte er überhaupt nicht kooperieren. Drei Monate später legte er einem Neuankömmling nahe, dass die Hilfe wirklich etwas brachte“, berichtet Tugendheim. „Das waren Momente, in denen uns das Herz aufgegangen ist, denn bessere Empfehlungen als von den Teilnehmer*innen können wir uns nicht wünschen!“

„Nicht einsperren, pädagogisch betreuen!“

Den anderen Hauptschwerpunkt bildete die Betreuung von jugendlichen Straftäter*innen – sowohl bei KWABSOS, als auch im Seminar. KWABSOS entstand vor 43 Jahren aus einer Kooperation der Universität mit der Jugendstrafanstalt in Hameln. „Pädagogische Angebote für Jugendstraftäter*innen gab es damals so gut wie gar nicht“, hebt Hahlbrock hervor. Er und sein Team engagierten sich deshalb politisch. Bei diversen Treffen mit den Fraktionen im Niedersächsischen Landtag forderten sie Finanzzuschüsse, die zum Teil bewilligt wurden. Ziel war es, dass ambulante Betreuungsmaßnahmen von Jugendstraftäter*innen landesweit besser aufgestellt werden. „Wir konnten da sehr souverän als Kooperationspartner der Universität auftreten. Ich weiß nicht, ob wir ohne diesen Hintergrund so selbstbewusst gewesen wären“, überlegt Tugendheim. Darüber hinaus hat Hahlbrock viel mit Presse, Funk und Fernsehen zusammengearbeitet, um das Thema zu verbreiten. „Wir mussten auch vor Gericht dicke Bretter bohren, um die Richter davon zu überzeugen, dass pädagogische Betreuung sinnvoller ist, als die jungen Menschen einfach wegzusperren“, erinnert sich Tugendheim. „Ich würde pauschal sagen, sechs von zehn Personen, die wir betreuten, haben hinterher einen besseren Weg eingeschlagen“, ergänzt Hahlbrock.

Kooperation von Universität und KWABSOS bleibt bestehen

„Peter Hahlbrock ist ein Vorbild für Studierende und Kolleg*innen gewesen. Gerade unser Fach lebt von Vorbildern, weil das Lernen und Wissen sich oft im Tun abspielen“, betont Severine Thomas, Dozentin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik. Viele Studierende schrieben ihre Abschlussarbeiten bei Hahlbrock und absolvierten Praktika bei KWABSOS - einige wurden anschließend eingestellt. Auch weiterhin ist eine Kooperation der Universität mit dem Verein vorgesehen. „Ich habe tolle Erfahrungen mit KWABSOS als Arbeitgeber gemacht und die Mitarbeit in einem fantastischen Team genossen. Aber ich habe auch viel Verantwortung für die Familien, Jugendliche und Kinder getragen. Das war manchmal eine erhebliche Belastung“, fasst Hahlbrock zusammen. „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge in die Rente.“

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Sozialpädagogoge Peter Hahlbrock hat mehr als 26 Jahre an der Universität Hildesheim gelehrt. Foto: privat

Peter Hahlbrock und Thomas Tugendheim bei der Abschiedsfeier von Hahlbrock. Foto: Privat

„Ich würde pauschal sagen, sechs von zehn Personen, die wir betreuten, haben hinterher einen besseren Weg eingeschlagen“, sagt Hahlbrock. Foto: Pixabay