Am Puls der Zeit: Zwanzig Jahre Kreatives Schreiben

Mittwoch, 12. Juni 2019 um 09:45 Uhr

Kann man kreatives Schreiben lernen? Das Hildesheimer Literaturinstitut feiert das zwanzigjährige Bestehen des renommierten Studiengangs „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“. Mit einem Fest und einer Anthologie liefert die Schreibschule einen Rückblick und Ausblick auf die Theorie und Praxis des Kreativen und Literarischen Schreibens. Über 40 Autorinnen und Autoren beteiligen sich mit ganz frischen Themen und Texten.

20 Jahre Kreatives Schreiben: Hier geht's direkt zum Programm

In Hildesheim schreibt die nächste Generation der Autorinnen und Autoren, hier werden sie seit dem Wintersemester 1999/2000 im Studiengang „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ ausgebildet. Seither ist der Studiengang zu einem erfolgreichen Ausbildungsprogramm für junge Autorinnen und Autoren geworden.

„Im englischsprachigen Raum ist das Studium des kreativen Schreibens eine Selbstverständlichkeit, weil es hellhörig macht für die Vielstimmigkeit der Gegenwart. Die Studierenden lernen, sich schreibend zur Gegenwart zu verhalten und dabei zugleich immer auch selbst zu reflektieren. Das brauchen wir heutzutage dringender denn je. Und bei vielen enstehen dabei literarische Werke, anhand derer wir unsere Zeit als Möglichkeitsraum erforschen können“, sagt Professorin Annette Pehnt, Schriftstellerin und Direktorin des Literaturinstituts.

„Der Studiengang Kreatives Schreiben zählt zu den herausragenden Profilelementen der Universität Hildesheim. Hanns-Josef Ortheil hat den Studiengang geschaffen und neben seinem eigenen schriftstellerischen Werk damit die deutsche literarische Welt sehr bereichert. Wir verdanken ihm viel!“, sagt Universitätspräsident Professor Wolfgang-Uwe Friedrich.

Zum Jubiläum erscheint die Anthologie „Institutsprosa. Zwanzig Jahre Schreibschule Hildesheim“, in der fünfunddreißig bekannte Alumni über ihre Studienzeit schreiben. Die Anthologie wird von Dirk Brall, Mariana Leky, Thomas Klupp und Katrin Zimmermann im Olms Verlag herausgegeben.

Das Hildesheimer Literaturinstitut feiert das zwanzigjährige Bestehen mit einem Jubiläumsfest am 14. Juni und 15. Juni 2019. Etwa 45 ehemalige Studentinnen und Studenten, die alle in großen Verlagen Bücher veröffentlicht haben, kommen zu dem großen Literatenfest nach Hildesheim.

Das Jubiläumsfest beginnt mit einem literarischen Abend im Literaturhaus St. Jakobi. Die Gespräche und Lesungen mit Shida Bazyar, Jo Lendle, Mariana Leky und Institutsgründer Professor Hanns-Josef Ortheil moderiert Alexander Solloch vom NDR.

Am Samstag treffen sich die Alumni, die Lehrenden und Studierenden aller jetzigen Studiengänge sowie Freunde des Instituts auf dem Kulturcampus Domäne Marienburg, das Fest wurde von Literaturstudentinnen und Literaturstudenten organisiertli. Bis tief in die Nacht hinein ist dort ein facettenreiches Programm von Gesprächen, Debatten, Lesungen und Performances zu erleben, unter anderem mit Helene Bukowski, Karl W. Flender, Juan S. Guse, Alina Herbing, Sabrina Janesch, Juliana Kalnay, Florian Kessler, Leif Randt, Ronja von Rönne und Philipp Winkler. Der große Fest-Samstag mit seinen rund zwei Dutzend Veranstaltungspunkten auf der Domäne ist öffentlich und kostenfrei. Das Literaturinstitut freut sich sehr über alle Besucherinnen und Besucher.

Das Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft der Universität Hildesheim gehört neben den Instituten in Leipzig, Biel und Wien zu den einzigen Universitätsinstituten im deutschsprachigen Raum, an denen Studentinnen und Studenten in Theorie und Praxis des Kreativen und Literarischen Schreibens umfassend ausgebildet werden. Im Wintersemester 1999/2000 startete der Studiengang „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“.

Studentinnen und Studenten lernen in den Studiengängen „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ (Bachelorstudium) und „Literarisches Schreiben und Lektorieren“ (Masterstudium). Sie produzieren unter anderem die Zeitschrift für junge Gegenwartsliteratur „BELLA triste“, experimentieren mit literarischen Techniken, hospitieren in Verlagen, geben Bücher heraus, befassen sich mit digitaler Medienproduktion und berichten auf dem Online-Portal litradio.net vom literarischen Geschehen. Alle drei Jahre organisieren sie „Prosanova“, das größte Festival für junge deutschsprachige Gegenwartsliteratur.

Hildesheimer Schreibschule diskutiert Trends und Entwicklungen seit 1999

„Lehrende müssen sehr genau auf die ästhetischen Entwicklungen der Gegenwart achten, also darauf, was sich in den zentralen künstlerischen Gattungen jeweils so alles tut. Man muss die neuste Literatur und die Künste ingesamt sehr wach studieren und die Erkenntnisse in den Unterricht einbringen, um immer auf der Höhe der Zeit zu sein“, sagt Professor Hanns-Josef Ortheil, Gründer des Literaturinstituts und heute Seniorprofessor an der Universität Hildesheim.

„Die Hildesheimer Schreibschule hat fast alle historischen Trends und Entwicklungen seit 1999 in intensiver Weise miterlebt. Das begann schon 1999 mit der Hochzeit der Popliteratur und setzte sich dann bis zu den digitalen Kulturen der Gegenwart fort. Das waren, ästhetisch gesehen, ungeheuer wichtige Jahre, voller Umbrüche nicht nur in den Themen, sondern auch in den Methoden und Medien des Schreibens. Die Studierenden sind dabei selbst die wunderbarsten Zubringer für diese Metamorphosen, anhand ihrer Lebensläufe und dem, was sie tun und denken, könnte man eine Literaturgeschichte der Suchbewegungen von Studierenden in der Gegenwart schreiben.“

„Das alte Pächterhaus auf der Domäne Marienburg mit seinem legendären Blauen Salon ist ein Glücksfall für den Studiengang“

Ortheil fing 1990 als wissenschaftlicher Assistent in Hildesheim an. „Ich saß mit zehn Studierenden, die mit mir Kafka lesen wollten, in einem ganz kleinen Raum im Hauptgebäude. Wir hörten gar nicht mehr auf zu lesen. Aus der Kafka-Lektüre entwickelten sich erste Schreibaufgaben, denn wir wollten Kafka auch schreibend begreifen. Das war der erste Schritt in eine ganz neue Richtung. Allmählich entstand ein sehr innovativer Literaturunterricht, der nicht vom Interpretieren ausging, sondern von Leseerfahrungen, die in Texte von Lesern verwandelt wurden“, erinnert sich Hanns-Josef Ortheil an die Anfänge. „Später ist daraus die DUDEN-Reihe ‚Kreatives Schreiben‘ entstanden, in der ich zusammen mit meinen Kollegen genau dieses Programm weiterentwickelt habe.“

Das Hildesheimer Literaturinstitut hat seinen Sitz nicht zwischen Betonwänden und Straßenzügen. Die Schreibschule befindet sich auf dem Kulturcampus Domäne Marienburg, einer mittelalterlichen Burganlage für den kulturwissenschaftlichen Fachbereich. „Das alte Pächterhaus auf der Domäne mit seinem legendären Blauen Salon war ein Glücksfall für den Studiengang. Wir pflegen hier die Gemeinschaft mit den anderen Fächern, arbeiten mit dem Theater, der Kunst, der Musik, den Medien und der Fotografie zusammen. Das ist eine ungeheuer anregende Konstellation, die die Studierenden sehr stark prägt“, sagt Ortheil.

„Lesen muss man trainieren, wie im Sport“

Der nächsten Studierendengeneration möchte Hanns-Josef Ortheil zweierlei mit auf den Weg geben. Es sei wichtig, die Fähigkeit beizubehalten, lange Texte zu lesen. Romane gehörten zu den stärksten Leseerlebnissen, die man haben könne, weil sie einen über mehrere Tage in andere, unbekannte Welten entführten. Zweitens aber sollte man auch nicht verlernen, kurze Texte oder Gedichte sehr langsam und genau zu lesen, häufig und immer wieder. Das sollte zu Textmeditationen anregen, an die sich freie Assoziationen und Bilder anschließen könnten. Auch dieses langsame Lesen sollte man trainieren und üben, um sich schließlich eine möglichst breite Basis von Weltliteratur geduldig zu erschließen.

Jubiläumsfest im Pächterhaus auf dem Kulturcampus

Am Samstag, 15. Juni 2019, feiert die Hildesheimer Schreibschule ihr zwanzigjähriges Jubiläum. 35 Literaturstudentinnen und Literaturstudenten planen und organisieren das große Sommerfest, zu dem über 40 bekannte Autorinnen und Autoren zurück an ihren Studienort kommen. Von 14:00 Uhr bis tief in die Nacht wird auf der Domäne Marienburg gelesen, diskutiert, performt und gefeiert.

 

Nähere Informationen zum Jubiläumsfest finden Sie online.

Wer Fragen zum Literaturfest hat, erreicht Thomas Klupp vom Literaturinstitut der Universität Hildesheim per E-Mail  (kluppt@uni-hildesheim.de).


„Die Hildesheimer Schreibschule hat fast alle historischen Trends und Entwicklungen seit 1999 in intensiver Weise miterlebt. Das begann mit der Hochzeit der Popliteratur und setzte sich dann bis zu den digitalen Kulturen der Gegenwart fort. Das waren, ästhetisch gesehen, ungeheuer wichtige Jahre, voller Umbrüche", sagt Professor Hanns-Josef Ortheil über die Anfänge des Kreativen Schreibens in Hildesheim. Die Schriftstellerin Professorin Annette Pehnt ist heute Direktorin des Literaturinstituts der Universität Hildesheim. Foto: Luchterhand Literaturverlag, Daniel Kunzfeld