40 Jahre Hildesheimer Übersetzungswissenschaft: „Unser gesamter globalisierter Alltag ist stark durchdrungen von Übersetzungen“

Mittwoch, 05. Februar 2020 um 11:53 Uhr

Das Übersetzerstudium in Hildesheim wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. „Unser gesamter globalisierter Alltag ist stark durchdrungen von Übersetzungen, selbst wenn es uns häufig gar nicht mehr auffällt“, sagt Professorin Bettina Kluge über die Leistung von Übersetzerinnen und Übersetzern in unserer heutigen Gesellschaft.

Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation Das Übersetzerstudium in Hildesheim wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. „Unser gesamter globalisierter Alltag ist stark durchdrungen von Übersetzungen, selbst wenn es uns häufig gar nicht mehr auffällt: im Kino laufen viele Hollywoodfilme – fast immer als Synchronisation. Im Supermarkt sind viele Produkte importiert, und die Inhaltsangaben und Rezeptvorschläge auf der Verpackung sind häufig Übersetzungen, ebenso die Bedienungsanleitungen unserer Smartphones, Musikanlagen, Autos, Möbel und Kleidung“, sagt Professorin Bettina Kluge über die Leistung von Übersetzerinnen und Übersetzern in unserer heutigen Gesellschaft. Kluge forscht und lehrt am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim.

Am Bühler-Campus in Hildesheim bildet die Universität Übersetzerinnen und Übersetzer zum Beispiel im Bachelorstudiengang „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ aus. Die Studierenden lernen etwa, Filme, Literatur und technische Benutzerhandbücher sowie Bedienungsanleitungen zu übersetzen.

Zum Studium gehört ein Auslandsaufenthalt. „Nach einem Jahr schicken wir den gesamten Jahrgang ins Ausland. Die Studentinnen und Studenten bekommen so ein noch besseres Gefühl für die Sprache, und ebenso für die Kultur des Gastlandes. Zudem erweitern sie ihren Wortschatz im Alltag enorm“, so Kluge. Die Universität kooperiert mit Partnerhochschulen, zum Beispiel in Alicante, Madrid, Murcia und Barcelona in Spanien, in Paris, Clermont-Ferrand, Pau und Tours in Frankreich sowie in Irland, Finnland, Belgien, in der Türkei, Indien, Kolumbien und Mexiko.

Die Resultate maschineller Übersetzungen werden zwar immer besser, Humor und Ironie werden aber von vielen Übersetzungsprogrammen oft nicht erkannt, sagt Professorin Bettina Kluge

Ob sie Sorge habe, dass die Arbeit eines Übersetzers eines Tages von Maschinen übernommen wird? Übersetzerinnen und Übersetzer werden auch in Zukunft weiterhin gebraucht, sagt Bettina Kluge. Zwar werden die Resultate maschineller Übersetzungen immer besser, aber menschliche Übersetzer berücksichtigen stärker den Kontext, in dem ein Wort auftaucht, inklusive Groß- und Kleinschreibung. Viele Übersetzungsprogramme tun das immer noch nicht, so Kluge. Auch Humor und Ironie werden von Übersetzungsprogrammen oft nicht erkannt – gerade deswegen wird die audiovisuelle Übersetzung von Spielfilmen wohl noch lange ein Arbeitsfeld für menschliche Übersetzer sein, wenn auch mit maschineller Unterstützung.

Begonnen hat die Hildesheimer Übersetzungswissenschaft vor 40 Jahren im Wintersemester 1979/80 mit dem Diplomstudiengang „Fachübersetzen Technik“, der später umbenannt wurde in „Internationale Fachkommunikation“. Ende der 1990er Jahre wurde aus dem Diplomstudiengang der Bachelorstudiengang „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ (IKÜ, angelaufen im Wintersemester 1999/2000) sowie der Masterstudiengang „Internationale Fachkommunikation - Sprachen und Technik“ (SuT, angelaufen im Wintersemester 2001/2002) entwickelt.

„Wir waren deutschlandweit der erste übersetzungswissenschaftliche Studiengang, der auf das Bachelor-Master-System umstellte, akkreditiert im Jahr 2000“, so Bettina Kluge.

Hildesheimer Übersetzungswissenschaft: Über 2000 Absolventinnen und Absolventen sind bundesweit tätig

Über 2.000 Absolventinnen und Absolventen haben in den vergangenen Jahren die Universität Hildesheim verlassen und sind heute deutschlandweit als Übersetzerinnen und Übersetzer tätig.

„Wir haben von Anfang an immer in engem Kontakt zur Berufspraxis und zu unseren Absolventinnen und Absolventen gestanden und versucht, neue Erkenntnisse in unser Curriculum einfließen zu lassen“, sagt Gerald Kreißl über den Wandel des Übersetzerstudiums. Gerald Kreißl war seit 1982 an der Universität Hildesheim in der Übersetzungswissenschaft als Dozent tätig und ist Ende November 2019 in Rente gegangen.

Das Besondere an der Hildesheimer Übersetzungswissenschaft beschreibt Professorin Bettina Kluge so: „Lange Jahre war die Verbindung von Fachübersetzen mit Technik einmalig – unsere Studierenden mussten nicht nur wie an anderen Standorten einige wenige Lehrveranstaltungen Technik besuchen, sondern erwarben ein sehr vertieftes technisches Verständnis. Der Anteil von Technikveranstaltungen am Stundenplan ist vor allem im Masterstudium 'Internationale Fachkommunikation – Sprachen und Technik' noch immer sehr ausgeprägt. Unsere Absolventinnen und Absolventen verstehen daher die technische Seite sehr gut und können insofern zum Beispiel Fehler in zu übersetzenden Bedienungsanleitungen erkennen und beheben. Sie verbinden das technische Grundverständnis mit dem Gefühl für Sprachen“, so Professorin Bettina Kluge.

Seit Anfang der 2010er Jahre hat die Universität Hildesheim ihr Angebot in den Übersetzungswissenschaften erweitert, etwa mit dem Masterstudiengang „Medientext und Medienübersetzung“, dem bundesweit ersten Studiengang, der das audiovisuelle Übersetzen im Fokus hat. Ein weiteres Hildesheimer Alleinstellungsmerkmal ist der Masterstudiengang „Barrierefreie Kommunikation“ (seit dem Wintersemester 2018/19), der erste seiner Art in Deutschland.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Übersetzungsstudiengänge

Die Feierstunde anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Hildesheimer Übersetzungswissenschaften fand am Freitag, 24. Januar 2020, am Bühler-Campus der Universität Hildesheim statt. Grußworte sprachen unter anderem Universitätspräsident Professor Wolfgang-Uwe Friedrich und Prodekan Professor Stephan Schlickau.

In Workshops gaben Fachleute am Bühler-Campus Einblicke in die Übersetzungswissenschaft, von einer Einführung in memSource über die Übersetzung von Humor, Höflichkeitsformen sowie Kulturspezifika bis zu kurzen Einführungen in das Untertiteln und Synchronisieren. Parallel informierte die Universität über die übersetzungswissenschaftlichen Studiengänge. Studieninteressierte können sich informieren und ihre Fragen stellen. Zudem stellten langjährige Kooperationspartner ihre Arbeit vor, unter anderem der NDR, die Übertitelungsfirma Panthea sowie die Berufsverbände BDÜ und ADÜ.

Abschließend diskutierten Expertinnen und Experten über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Übersetzungsstudiengänge, die derzeit einen großen Umbruch erleben, nicht zuletzt durch die maschinelle Übersetzung und eine zunehmend arbeitsteilige, eng vernetzte Arbeitsweise. Die Diskussion wurde moderiert von Professor Klaus Schubert. Es diskutierten Studierende, Absolventinnen und Absolventen und Jean Nitzke, die derzeit als Vertretungsprofessorin in Hildesheim lehrt und forscht. Die Universität erwartete zur öffentlichen Veranstaltung etwa 100 bis 200 Teilnehmer, darunter viele Ehemalige.


Professorin Bettina Kluge und Gerald Kreißl vom Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

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