Das zweite Teilprojekt befasst sich mit Normierungen von Elternschaft im Sinne gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen, die sich im Recht niederschlagen. Leitfrage ist, ob und in welcher Weise der rechtliche Begriff der Elternschaft als vergeschlechtlichte Kategorie zu verstehen ist bzw. in welchen Bereichen sich inzwischen eine geschlechtsneutrale Sichtweise durchgesetzt hat. Grundlage ist ein erweiterter Begriff von Geschlecht, der neben der binären Zuordnung männlich/weiblich auch als heterosexuell konnotiert verstanden werden muss, also die Erwartung einer sexuellen Orientierung auf das andere Geschlecht umfasst.[7] Das Projekt untersucht Mutterschaft einerseits im Hinblick auf die Erzeugung von Kindern und ihre abstammungsrechtliche Zuordnung und weist insofern Überschneidungen zu Teilprojekt 1 auf. Darüber hinaus thematisiert es Fragen der Ausgestaltung von Elternschaft im Rahmen von Sorgerechts- und Umgangsregelungen sowie im Bereich der staatlichen Familienleistungen und der Interventionen in das Elternrecht. Auf der Ebene des Abstammungsrechts ist zunächst zu konstatieren, dass das traditionelle Modell der Familie mit zwei verschiedengeschlechtlichen Eltern heterosexueller Orientierung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit nach wie vor als Regelfall zu beobachten ist und auch den rechtlichen Normen als Modell zugrunde liegt: Elternschaft von mehr als zwei Personen wird auch dann nicht akzeptiert, wenn de facto mehr als zwei Personen an der Erzeugung des Kindes beteiligt sind. Die in Deutschland grundsätzlich akzeptierte Zeugung im Wege der Insemination steht nach den Richtlinien der Bundesärztekammer nach wie vor alleinstehenden und lesbischen Paaren nicht offen, und nahezu alle Methoden, die zu einer gespaltenen Mutterschaft führen, sind nach dem Embryonenschutzgesetz unzulässig. Gleichzeitig erfährt die Norm des heterosexuellen Modells eine Erosion durch die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Elternschaft im Personenstandsrecht und erleben viele Kinder in ihrer Lebenswirklichkeit ein faktisches Zusammenwirken von Herkunfts- und Stiefeltern, das sich im Abstammungsrecht nicht widerspiegelt. Das Teilprojekt analysiert den rechtlichen Diskurs und die argumentativen Strategien, mit denen diese Einschränkungen gerechtfertigt werden, stellt ihnen empirische Erkenntnisse über die Ausdifferenzierung der Lebensformen gegenüber und überprüft sie auf ihre verfassungsrechtliche und rechtsethische Rechtfertigungsfähigkeit.

Anders als das Abstammungsrecht ist das Sorge- und Umgangsrecht weitgehend geschlechtsneutral ausgestaltet. Diskussionen wie die um das Sorge-, Umgangs- und Auskunftsrecht des nichtehelichen Vaters machen jedoch deutlich, dass hinter den geschlechtsneutralen Formulierungen des Gesetzes Bilder von Mutterschaft und Vaterschaft stehen, die nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch bei der Rechtsanwendung Wirkungen entfalten. Diese Facette rechtlicher Regulierung von Elternschaft wird sich im Kern auf Analysen der Rechtsprechung zum Sorge- und Umgangsrecht stützen und dabei insbesondere gerichtliche Entscheidungen im Elternkonflikt und bei Kindeswohlgefährdung in den Blick nehmen. Ziel ist herauszuarbeiten, wie Gerichte „gute“ Elternschaft definieren und geschlechtersensibel zu untersuchen, wie weit hinter diesen Beurteilungen stereotype Vorstellungen der „guten Mutter“ und des „guten Vaters“ stehen. Dabei sollen auch intersektionale Verschränkungen mit rassistischer Diskriminierung in den Blick genommen werden, etwa in Form besonderer Vorbehalte gegenüber türkischen, afrikanischen oder muslimischen Vätern. Auf allen Ebenen des Projekts werden die Rechtsentwicklung im internationalen Recht sowie rechtsvergleichende Aspekte (insb. Österreich, Schweiz, Großbritannien) einbezogen.