Leichte Sprache als Bedrohung für den Standard?

Freitag, 18. Dezember 2015 um 09:20 Uhr

Für viele gilt sie als Mittel zur Schaffung gleichberechtigter Teilhabe und Selbstbestimmung. Doch es gibt auch kritische Stimmen, nach deren Ansicht Leichte Sprache vom Niedergang des Deutschen zeugt. Auch die Forschungsstelle setzt sich mit den Vorbehalten und Bedenken zu Leichter Sprache auseinander.

Ob im Netz, auf öffentlichen Veranstaltungen zum Thema oder in diversen Zeitungsartikeln ‒ es werden nicht nur positive Meinungen zu Leichter Sprache geäußert. Das erlebt auch die Forschungsstelle Leichte Sprache regelmäßig. So wird die vereinfachte Sprachform als peinlich und entwürdigend für die Zielgruppe gesehen, oder als Zeichen dafür, dass man die Bildungsstandards in Deutschland immer weiter herabsetze. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch die Sorge darüber laut, Leichte Sprache könne die deutsche Standardvarietät und die Fachsprachen negativ beeinflussen. Dies mag auf teilweise offensive Forderungen mancher Vertreter von Menschen mit Behinderung zurückgehen, standardsprachliche Kommunikation durch Leichte Sprache zu ersetzen.

Die Forschungsstelle Leichte Sprache hingegen plädiert dafür, je nach Situation und beteiligten Kommunikationspartnern eine angemessene Kommunikationsform zu wählen. Experten beispielsweise sollen und müssen sich untereinander auf eine hinreichend differenzierte und komplexe Art und Weise über fachliche Inhalte austauschen. Dies ist das Ergebnis eines langen und erfolgreichen Entwicklungsprozesses hin zu einer hoch technisierten und wissenschaftlich ausdifferenzierten Gesellschaft. Auch standardsprachliche Texte sollen durch Leichte Sprache keineswegs ersetzt werden, vielmehr schlägt Leichte Sprache von ihnen ausgehend die Brücke zu den Menschen, denen weite Teile der Schriftlichkeit andernfalls nicht zugänglich wären. Nach Auffassung der Forschungsstelle Leichte Sprache sind Texte in Leichter Sprache ein Informationsangebot über bestehende (standard- oder fachsprachliche) Texte und sollen ergänzend zu ihnen hinzutreten. Diese Funktion des Leichte-Sprache-Textes kann im jeweiligen Text auch explizit formuliert werden, um die Akzeptanz Leichter Sprache bei den Leserinnen und Lesern zu steigern. Für manche Leichte-Sprache-Leserinnen und -Leser stellt die Möglichkeit auf beide Textvarianten zuzugreifen gegebenenfalls einen Anreiz dar, langfristig auch schwerere Texte lesen zu können, wodurch zudem deren Bildungsniveau nicht gesenkt, sondern gesteigert wird.

Betrachtet man also Leichte Sprache als „Zusatzangebot“, ist die Sorge, sie verdränge andere Sprachformen des Deutschen, gänzlich unbegründet. Es würde wohl auch niemand auf die Idee kommen, Rollstuhlrampen als gesundheitsgefährdend zu kritisieren, weil sie möglicherweise dazu führen, dass die Menschen zu träge werden, Treppen zu steigen.