Informationen zur Bundestagswahl in Leichter Sprache

Mittwoch, 09. August 2017 um 07:38 Uhr

In unseren Workshops lernen wir ständig motivierte Menschen kennen, die Leichte Sprache voranbringen möchten und spannende Projekte planen. Natürlich freuen wir uns besonders, wenn wir miterleben dürfen, wie diese Projekte zum Leben erwachen und realisiert werden. Björn Knutzen-Rühl hat bereits mehrfach an unseren Workshops teilgenommen und sich in unterschiedlichen Kontexten der Leichten Sprache gewidmet. In unserem aktuellen Newsletter berichtet er persönlich über seine Arbeit und seine Motivation in Bezug auf Leichte Sprache sowie über sein neustes Leichte-Sprache-Projekt.

Zum ersten Mal in Kontakt mit der Leichten Sprache kam ich zur Bundestagswahl 2009. Zu dieser Zeit hatten die meisten chancenreichen Parteien erstmals ein Programm in Leichter Sprache vorliegen. Vier Jahre später erlebte ich im Wahlkampf für die Piratenpartei selbst, wie beliebt diese Wahlprogramme über Bildungs- und Schichtgrenzen hinweg waren.

In den folgenden Jahren übersetzte ich für die Bremer Lebenshilfe auch selbst Texte in Leichte Sprache. Meistens handelte es sich um Informationsbroschüren. Thematisch ging es um Dinge, die für die Bewältigung des Alltags unerlässlich sind. Die Aufträge erfolgten auch häufig durch sozial engagierte Vereine. Außerdem vermittelte ich als Dozent Lehrkräften und Verwaltungsbeamten die Leichte Sprache. Der Bereich aber, wo wichtige Entscheidungen für und über die Menschen getroffen werden, blieb vielen sprachlich verschlossen. Das verwundert. Immerhin gab es in den vergangenen Jahren in Wirtschaft und in Politik einen regelrechten Hype um Informationsfreiheit und politische Transparenz. Dazu gehörte für mich immer schon, dass Politik in jeder Hinsicht verständlich sein sollte.

Und mit den Medien, mit Zeitungen, Fernsehsendern, Radio und Internet, gibt es einen gesellschaftlichen Bereich, zu dessen Funktionen seit je her die Vermittlung politischer Entscheidungen gehört.

Als Dozent und Übersetzer für Leichte Sprache bin ich natürlich immer an entsprechende Aufträge gebunden gewesen. Mein eigenes Angebot unter Leichtschalter.de ist das sprachliche Gegenstück zum Lichtschalter. Für viele Menschen ist eine zu komplizierte Sprache wie eine unbekannte Wohnung ohne Licht. Man kommt herein und stößt sich zunächst einmal den Fuß. Bis dann irgendwann der Lichtschalter gefunden ist – oder der eine nette Mensch, der das Gesagte einfacher formuliert –, hat man sich bereits mehrfach verletzt. Mit dem Leichtschalter will ich Texte auf klar und verständlich schalten.

Bis heute sind Vereine aus vielen Bereichen sehr interessiert an Übersetzungen. Und Lehrkräfte lassen sich weiterhin fortbilden. Tatsächlich fehlt es aber markant an Aufträgen aus dem journalistischen Bereich und das Interesse ist sehr ungleich verteilt. Wo die Augsburger Allgemeine einen eigenen Bereich für die Leichte Sprache hat, mangelt es daran beim Flensburger Tageblatt meines Wissens vollständig – ein Süd-Nord-Gefälle der anderen Art. 

In den vergangenen Jahren und Monaten erkannten dann immer mehr Redaktionen, dass auch die vereinfachte Aufbereitung von Informationen zu ihren Aufgaben gehört. Lange Zeit aber handelte es sich überwiegend – und durchaus zu Recht – um alltägliche Nachrichten. Sobald es um die große Politik ging, fehlte es an Artikeln in Leichter Sprache, wobei es im Bereich der Einfachen Sprache etwas besser aussah.

Zu Beginn dieses Jahres wollte ich diesen Mangel nicht mehr hinnehmen und gründete ein Nachrichtenportal zur diesjährigen Bundestagswahl. Zentral war für mich dabei die Zugänglichkeit. So gibt es über den Text hinaus durch Bilder und die Seitennavigation eine möglichst einfache Orientierung. Die Themenwahl erfolgt immer mit dem Fokus auf die Bundestagswahl. Hierbei zeigt sich, dass die Nachrichtenvielfalt pro Woche eigentlich begrenzt ist. Vielfach behandeln Medien dieselben Themen oder greifen unterschiedliche Aspekte eines Themas auf. Sehr selten scheinen unterdessen Nachrichten zur Bundestagswahl mit Blick beispielsweise auf den Pflegebereich. Womöglich erwartet die Zielgruppe auch gar nicht mehr viel von der Politik. Das kann ein Grund dafür sein, dass die Rückmeldungen zur Seite eher gering ausfallen. Einzelne Dienstleisterinnen und Dienstleister aus der Branche loben das Projekt zwar in den höchsten Tönen. Trotz des Hinweises auf der Seite selbst, finden sich aber kaum Menschen, die sich ehrenamtlich an der Nachrichtenproduktion beteiligen wollen.

Die Bundestagswahl wird jedenfalls erneut richtungsweisend für die Politik der kommenden Jahre sein. Deshalb sollten sich möglichst alle Menschen über die Vorstellungen der Parteien informieren können. Natürlich handelt es sich bei der Bundestagswahl auch um ein mediales Großereignis. Meine Hoffnung ist also auch, dass im Zuge dessen mehr über die Leichte Sprache gesprochen wird.

Schon jetzt reden mehr Menschen über die Leichte Sprache. Und wenn sich nur eine Handvoll Menschen durch die Artikel auf meiner Seite besser informiert fühlt, hat sich die wöchentliche Arbeit gelohnt. Jetzt muss es weitergehen und noch mehr Redaktionen müssen sich ihrer Verantwortung für einen inklusiven Journalismus bewusst werden. Jede Übersetzung, jede Beratung und Fortbildung sind Schritte in die richtige Richtung.

Hier gelangen Sie zum Projekt zur Bundestagswahl.

Weitere Informationen über die Arbeit von Björn Knutzen-Rühl finden Sie hier.


Björn Knutzen-Rühl hat sich als Soziologe mit lebensweltlichen Aspekten von Sprache beschäftigt. Im Zuge eines Linguistik-Studiums interessierte er sich insbesondere für eine anschauliche und verständliche Mediensprache. Seit zwei Jahren arbeitet er als Dozent und Übersetzer im Bereich Leichte Sprache.