Hildesheimer Studentinnen übersetzen inklusive Kinderbuchreihe „Alle dabei!“

Donnerstag, 23. Dezember 2021 um 08:48 Uhr

Alina Bindrim und Cornelia Schwarzer berichten von ihren Erfahrungen und Herausforderungen bei der Übersetzung einer Kinderbuchreihe in Leichte Sprache.

Während einer Pandemie Brot backen oder puzzeln? Langweilig! Stattdessen haben sich neun Schüler(innen) und Student(inn)en auf dem Netzwerk „Mission Inklusion“, das von der Servicestelle Jugendbeteiligung organisiert wird, entschieden, gemeinsam ein Kinderbuch zu schreiben. Wir wollten ein Buch schreiben, das inklusiv ist - in doppelter Hinsicht. Zum einen sollte das Buch möglichst barrierearm gestaltet sein, zum anderen inklusive Themen behandeln und klassische Rollenbilder hinterfragen, die in Kinderbüchern noch zu finden sind. So geht etwa ein Vater mit Angststörung mit seinem Sohn Noah Eis essen und Noah hilft Papa im Umgang mit seiner Angst. Hannes Mutter sitzt im Rollstuhl und Merle hat zwei Papas. Auch Familien, die nicht der gängigen Familienvorstellung entsprechen, sollen sich in den Büchern wiederfinden. Thematisch haben viele der Bücher Berührungspunkte mit den persönlichen Biografien der Autor(inn)en.

Herausgekommen sind 27 Geschichten, die nun, anders als ursprünglich geplant, nicht als Sammelband erschienen sind, sondern als Buchreihe. Die ersten sechs Bände der Buchreihe „Alle dabei“ sind seit dem 22. November beim Hamburger Verlag Marta Press erhältlich. Die Geschichten richten sich an Kinder zwischen 3 und 7 Jahren und sind in Leichter Sprache verfasst. Nicht nur Kinder mit Schwierigkeiten im Sprachverständnis können davon profitieren. Auch Erstleser(innen) können erste Leseerfahrungen sammeln und Eltern mit Bedarf an Leichter Sprache haben so die Möglichkeit, ihren Kindern Geschichten vorzulesen. Die Übersetzerinnen Cornelia Schwarzer und Alina Bindrim machen beide ihren Master in „Barrierefreier Kommunikation“ an der Uni Hildesheim und haben auch selbst mehrere Geschichten für die Bücher geschrieben.

Bei der Übersetzung sind die Autorinnen auf besondere Herausforderungen gestoßen. Zum einen ist das Hildesheimer Regelwerk für Leichte Sprache bislang überwiegend an Sachtexten erprobt. Daher ergab sich die Frage, inwiefern Kompromisse zugunsten der Ästhetik der Texte gemacht werden können, ohne dabei die Verständlichkeit einzuschränken. Da die Bücher sich nicht in erster Linie an die primäre Leichte-Sprache-Zielgruppe richten, sondern diese zwar einschließt, vorrangig aber für Kinder im Allgemeinen gedacht ist, können solche Kompromisse Vorurteile über die Leichte Sprache abbauen und die Akzeptanz erhöhen. So haben die Autorinnen sich für die Verwendung von Anführungszeichen bei wörtlicher Rede entschieden, da längere wörtliche Passagen teilweise unübersichtlich wirkten. Auch das Layout ist verändert, weil sich auf vielen Seiten nur zwei oder drei Sätze finden. Bei Sachtexten würde eine solche Zerstückelung des Textes das Herstellen von Zusammenhängen erschweren. Durch die ausdrucksstarken Bilder und die Orientierung an der Textaufteilung klassischer Kinderbücher, ist dies aber hier nicht der Fall. Die Illustrationen stützen die Texte.

Die Offenheit des Verlages gegenüber Leichter Sprache hat die Autorinnen sehr positiv überrascht. Trotzdem gab es auch hier Herausforderungen: In der Zusammenarbeit mit dem Verlag stellte vor allem das fehlende Wissen von Lektor(inn)en, Verleger(inne)n und Illustrator(inn)en über Barrierefreiheit in der Kommunikation eine weitere Aufgabe dar. So wurde beispielsweise bei der vom Verlag durchgeführten Verfassung der Klappentexte die Leichte Sprache nicht berücksichtigt, da die Übersetzerinnen nicht daran beteiligt waren. Auch haben die Illustratorinnen zu Beginn nicht auf ausreichende Farbkontraste geachtet, die notwendig sind, damit Menschen mit Sehbehinderung die Illustrationen und Texte besser wahrnehmen können. Durch eine regelmäßige Abstimmung zwischen Verlag und Autor(inn)en konnten einige dieser Probleme behoben werden und alle Beteiligten lernten viel für zukünftige Projekte.

Wer sich für das Projekt und dessen Fortgang interessiert, findet auf der Instagramseite inklusives.kinderbuch regelmäßig Updates zum Thema. Die ersten Bücher der Reihe sind bereits im Handel und können direkt über die Seite des Verlags Marta Press bestellt werden.