Ein Beitrag von Sarah Reichert, 5. Juli 2022

In dem Beitrag „(ZWISCHEN)RAUM-Zwischennutzung in Hildes­heim“ konntet ihr bereits etwas über das Konzept der Zwischen­nut­zung und die Kampagne „Wir kümmern uns“ der Stadt Hildes­heim erfahren. Doch damit das alles nicht zu abstrakt bleibt und ihr euch ein besseres Bild davon machen könnt, wie Zwischen­nut­zung aussehen kann, möchte ich in diesem Beitrag von meinen eigenen Erfah­rungen mit dem Thema berichten.

Letztes Jahr habe ich zusammen mit einer sehr guten Freundin das Infra­struktur-Depart­ment des studen­ti­schen Festi­vals "State of the Art 13" — kurz STATE 13 - geleitet. Das State Festival ist ein inter­dis­zi­pli­näres Kunst- und Diskurs­fes­tival des Fach­be­reichs II der Univer­sität Hildes­heim. Es wird jedes Jahr von einem neuen studen­ti­schen Team orga­ni­siert und geht dieses Jahr bereits in die 14. Runde! Eine wich­tige und vor allem zeit­in­ten­sive Aufgabe des Infra­struktur-Depart­ments ist die Orga­ni­sa­tion von Räumen, in denen die Produk­tionen und Formate während des Festi­vals statt­finden können. Das ist gar nicht so leicht, wenn man mehr Produk­tionen zeigen möchte, als geeig­nete Uni-Räume zur Verfü­gung stehen, das Budget knapp ist und man auch noch den Anspruch hat, das Festival an zentrale Orte zu bringen. Durch das State 12, das aufgrund von Corona ausschließ­lich in Zwischen­nut­zungen statt­fand, hatten wir bereits die Möglich­keit der Leer­stands­nut­zung auf dem Schirm und ein paar Kontakte parat. Unsere Idee war, eine Art Außen­stelle einzu­richten, die neben der Domäne und dem Haupt­campus mit Festi­val­pro­gramm bespielt werden sollte. Auf diese Weise wollten wir das Festival sicht­barer machen und Stadt­pu­blikum abholen, ganz im Sinne des Festi­val­mottos „ART TIES! — Kunst verbindet“.

 

Doch trotz mehrerer Anlauf­stellen haben wir zunächst keinen rich­tigen Fuß in die Tür bekommen. Kontakte, auf die wir gehofft hatten, haben sich als Sack­gassen heraus­ge­stellt oder die Leer­stände passten nicht zu unserer Vorstel­lung bzw. unserem Budget. Am Ende hat sich mal wieder die Devise „Einfach anrufen“ bezahlt gemacht, Emails gehen einfach zu schnell unter. So haben wir dann mit zwei Ansprech­per­sonen der Stadt Hildes­heim, Eckhard Homeister (Wirt­schafts­för­derer) und Wiebke Wrede-Olberg (Quar­tier­ma­na­gerin), Kontakt aufge­nommen und wurden direkt zu einem Termin ins Rathaus einge­laden. Die Beiden leiten unter anderem die Kampagne „Wir kümmern uns“ und fördern die Nutzung und Wieder­be­le­bung von Leer­stand in Hildes­heim. Nachdem wir unsere Über­le­gungen für das State 13 gepit­ched hatten, haben die beiden sofort geschaut, welche ihnen bekannten Leer­stände in Frage kommen könnten bzw. während des Zeit­raums verfügbar wären. Natür­lich ist alles ständig in Bewe­gung und Leer­stände, die eben noch zur Verfü­gung gestanden hätten für Zwischen­nut­zungs­pro­jekte, sind im nächsten Moment viel­leicht wieder lang­fristig vermietet. Letzt­end­lich kam für unseren Festival-Zeit­raum nur ein Leer­stand in Frage, der uns bereits beim Vorbei­laufen in der Fußgän­ger­zone aufge­fallen war. Wir haben den Kontakt der Vermie­terin bekommen und noch ein paar wert­volle Tipps zur Kontakt­auf­nahme. Dr. Merle Schmidt, die Vermie­terin, hat sich auf unsere E‑Mail direkt tele­fo­nisch gemeldet und uns spontan zu einer Besich­ti­gung einge­laden. Endlich ging es konkret voran! Der Leer­stand passte perfekt zu unseren Vorstel­lungen, ledig­lich beim Thema Strom­ver­tei­lung mussten wir etwas krea­tiver werden. Die Vermie­terin war sehr begeis­tert von unserem Vorhaben und hatte bereits in der Vergan­gen­heit ihren Laden­raum für Zwischen­nut­zungs­pro­jekte zur Verfü­gung gestellt. Sie hat mit uns die Rahmen­be­din­gungen für die Nutzungs­ver­ein­ba­rung direkt vor Ort abge­klärt und uns eine münd­liche Zusage gegeben.

Wir konnten den Leer­stand für drei Wochen nutzen und haben dabei nur Aufwands­kosten von 125€ gezahlt, plus Strom. Je nachdem, wie der Leer­stand verwaltet wird, muss der Strom ggf. für den Nutzungs­zeit­raum bei der EVI ange­meldet werden. Even­tuell reicht es auch, die Zähler­num­mern bei Start und Ende abzu­lesen und von der EVI berechnen zu lassen, wieviel verbraucht wurde und welche Kosten entstanden sind. Ich würde empfehlen, das im Detail mit dem/der Vermieter*in zu bespre­chen und so früh wie möglich einmal im Kunden­zen­trum der EVI vorbeizuschauen.

Nach unserem Besich­ti­gungs­termin hat uns die Vermie­terin dann eine Nutzungs­ver­ein­ba­rung zuge­schickt. In dieser war zum Beispiel Folgendes geregelt:

 

  • Entfer­nung von Plaka­tie­rungen und Sauber­hal­tung der Räum­lich­keiten während der Nutzungs­zeit, Regel­mä­ßige Reini­gung der Schaufensterflächen
  • Das Laden­lokal wird in dem unre­no­vierten, unge­rei­nigten Zustand, wie verein­bart überlassen
  • Für die Nutzung wird keine Miete erhoben
  • Der Bear­bei­tungs­auf­wand des Immo­bi­li­en­ei­gen­tü­mers sowie die verbrauchs­ab­hän­gigen Neben­kosten (ohne Strom) werden pauschal mit 125,00 € abgegolten
  • Für die Berech­nung des Strom­preises werden jeweils bei Über­gabe und Abgabe die Strom­zähler abge­lesen und die Kosten anhand der aktu­ellen Preis­leiste der EVI Hildes­heim selbst­tätig durch den Nutzer errechnet

Am Tag der Über­gabe wurde nochmal eine gemein­same Bege­hung gemacht und alles in einem Über­ga­be­pro­to­koll fest­ge­halten. Nachdem wir die Schlüssel erhalten haben, konnten wir sofort loslegen. Wir wollten den Leer­stand ja als „Festi­val­insel“ gestalten und daher den Raum möglichst viel­fältig nutzbar machen. Das Schöne an einer Zwischen­nut­zung in unre­no­vierten Leer­ständen ist, dass bei der Gestal­tung relativ große Frei­heit besteht und man sich ledig­lich dazu verpflichtet, die Räum­lich­keiten in einem gleich­wer­tigen Zustand wie zuvor zu über­geben. Bedeutet, neu entstan­dene Bohr­lö­cher müssen z.B. wieder zuge­macht werden. In unserem Fall meinte die Vermie­terin aber, dass es für sie keinen Unter­schied machen würde. Hier ist es auf jeden Fall empfeh­lens­wert, alles im Detail mit dem/der Vermieter*in zu bespre­chen und ggf. in der Nutzungs­ver­ein­ba­rung festzuhalten.

In unserem Fall hatte der Laden­leer­stand eine ganz gute Infra­struktur: Es gab ein Wasch­be­cken sowie ein kleines Bade­zimmer mit Toilette im Keller und die meisten Lichter funk­tio­nierten. Ledig­lich bei der Vertei­lung des Stroms und Beleuch­tung des vorderen Bereichs mussten wir uns selbst was über­legen. Hier haben wir die meiste Technik vom Medi­en­ver­leih der Uni sowie von der Bühnen­technik ausleihen können. Infor­miert euch auf jeden Fall vorher über die Stromkreise!

Je nachdem, was ihr mit eurem Zwischen­nut­zungs­pro­jekt vorhabt, braucht ihr even­tuell Sachen zur Einrich­tung. Wir haben sehr viel Mate­rial und kleine Möbel auf Ebay Klein­an­zeigen und bei Lucky’s Antik gefunden. Bedenkt aber auf jeden Fall, dass ihr euch darum kümmern müsst, was nach eurem Projekt mit den Sachen passiert. Even­tuell können auch Sachen geliehen werden! Wir haben beim Nutzungs­zeit­raum einen guten Puffer mit einge­rechnet (sofern das zeit­lich möglich ist) und am Ende noch eine Art kleinen Floh­markt orga­ni­siert. Vieles wird man auch gut über die Tele­gram-Gruppe „Sharing ist Caring“ los. Außerdem ist es sehr prak­tisch mit Mate­ria­lien wie Holz­pa­letten zu arbeiten, die kann man easy zusammen- und wieder ausein­an­der­schrauben und danach noch für andere Projekte verwenden. In unserem Fall gab es auch die Möglich­keit, unsere selbst­ge­baute Bar an das nächste Zwischen­nut­zungs­pro­jekt zu über­geben. Hier haben auch Eckhard Homeister und Wiebke Wrede-Olberg vermit­telt. Gene­rell waren die beiden während des gesamten Prozesses ansprechbar und auch bei der finalen Über­gabe dabei.

Auf unserer Suche nach Durch­füh­rungs­räumen hatten wir unter anderem auch mit der Arneken Galerie Kontakt. Auch hier sind viele Laden­räume leer­ste­hend und hinter Sicht­schutz­fo­lien versteckt, es gibt zahl­reiche Räum­lich­keiten in unter­schied­li­chen Größen und Zuständen. Der Kontakt war eben­falls sehr nett und entge­gen­kom­mend, jedoch kam es letzt­end­lich zu keiner Zwischen­nut­zung. Die Laden­räume sind teil­weise reno­viert bzw. gibt es weniger Spiel­raum bei der Gestal­tungs­frei­heit, da durch die Zwischen­nut­zungen natür­lich keine zusätz­li­chen Kosten entstehen sollen. Trotzdem würden sich hier eine Menge Zwischen­nut­zungs­pro­jekte anbieten, da viele span­nende Räume zur Verfü­gung stehen und kaum Kosten für die Nutzung zu entrichten sind. Es lohnt sich also auch hier Kontakt aufzunehmen!

Step by Step

  1. Ansprech­per­sonen der "Wir kümmern uns"-Kampagne kontaktieren.
  2. Je nachdem, welcher Leer­stand zur Verfü­gung steht, mit Vermieter*in Kontakt aufnehmen und Besich­ti­gungs­termin vereinbaren.
  3. Bilder von den Räum­lich­keiten machen, ggf. ausmessen oder nach Grund­rissen fragen.
  4. Nutzungs­ver­ein­ba­rung prüfen und unterschreiben.
  5. Strom und ggf. Heizung für den Nutzungs­zeit­raum anmelden.
  6. Vor Rück­gabe der Räum­lich­keiten alles wieder in den verein­barten Zustand zurückversetzen.

Mein Fazit zur Zwischen­nut­zung in Hildes­heim ist, dass es wirk­lich sehr viele span­nende Räume für Zwischen­nut­zungs­pro­jekte gibt, diese jedoch zugäng­li­cher gemacht werden müssen. Hier ist die Kampagne "Wir kümmern uns" genau die rich­tige Anlauf­stelle, da sie Infor­ma­tionen bündelt und so gut es geht vermit­telt. Die Kommu­ni­ka­tion lief wirk­lich sehr gut und wir hatten während des gesamten Prozesses das Gefühl, dass uns ernst­haftes Inter­esse für unsere Arbeit entge­gen­ge­bracht wird. Natür­lich gibt es trotz der posi­tiven Erfah­rungen keine Garantie, dass es immer zu einer erfolg­rei­chen Zwischen­nut­zung kommt. Hier hängt es unter anderem auch am Zeit­raum und der Projekt­idee selbst. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, welche span­nenden Zwischen­nut­zungs­pro­jekte uns in diesem Jahr in der Innen­stadt begegnen werden!

Fotos: Sarah Reichert & Vanessa Flesch