
zum verhältnis von politischer
und kultureller bildung
Welche gemeinsamen Ziele teilen die kulturelle und politische Bildung?
Worin unterscheiden sie sich in Bezug auf Methoden und Prinzipien?
Wann wird auf der einen Seite eine künstlerische Auseinandersetzung für die politische Bildung
interessant und auf der anderen Seite die politische Dimension der kulturellen Bildung relevant?

Im Dezember 2019 wurde die Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel von der Bundeszentrale für politische Bildung zur offiziellen Bildungsträgerin für politische Bildung ernannt. Als eine Fort- und Weiterbildungseinrichtung für Kunst- und Kulturschaffende aus den Bereichen Bildende Kunst, Darstellende Künste, Literatur, Kulturmanagement, Museum und Musik ist sie damit zunächst kein ganz gewöhnlicher Trägerverein für politische Bildung – doch ein überaus interessanter: Denn dieser Fall zeigt womöglich, so wie andere ähnliche Praxisbeispiele auch, dass sich aktuell eine institutionelle Annäherung zwischen kultureller und politischer Bildung beobachten lässt, die das Verhältnis beider Bildungsbereiche neu definieren könnte.
Die Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel e.V. (ba•) ist eine Fort- und Weiterbildungseinrichtung für alle Menschen, die innerhalb des Kulturbetriebs arbeiten. Die Akademie verfolgt damit den Auftrag eines lebenslangen Lernens. Rund 180 Veranstaltungen werden jährlich angeboten, darunter Seminare, Qualifizierungsreihen und Tagungen.[32] Die Entscheidung der Anerkennung durch die Bundeszentrale für politische Bildung beruht auf einer Begutachtung mit Besuch des Seminars „Remember. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit Denkmälern und Erinnerungsorten”, das im Oktober 2019 in der Akademie stattfand und die Gedenkstätte für Opfer des Nationalsozialismus in der JVA Wolfenbüttel besucht und fotografisch thematisiert hat.[33]
Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) ist eine Geschäftsbereichsbehörde des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Ihre Aufgabe besteht darin, das „Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken”[34]. Dafür stellen die Bundeszentrale und die jeweiligen Landeszentralen für politische Bildung beispielsweise Lernmaterialien, Reisen, Bücher, Online-Dossiers, Jugendmagazine sowie Weiterbildungsangebote in allen Praxisfeldern politischer Bildung zur Verfügung und fördern Veranstaltungen von Träger*innen politischer Bildung durch Zuschüsse.
Mit Blick auf eine zunehmende Renationalisierung in vielen Ländern unserer Welt und eines generell spürbar veränderten Miteinanders zwischen Nationen, Kulturen, Religionen, gesellschaftlichen Gruppen und Generationen wird in den letzten Jahren die Forderung immer lauter, kulturelle und politische Bildung mehr zusammenzudenken: „Warum sich nicht öfter zusammentun, um sich gemeinsam gegen gesellschaftliche Auflösungserscheinungen in einigen Regionen des Ostens, aber nicht nur da, zu stemmen? Doch bisher verhindert ein, wie ich finde, kurioser Streit mehr Kooperation”[35], schrieb Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, im Jahr 2018.
Denn parallel dazu, so deutet er bereits an, gibt es wiederum auch die Bemühungen, kulturelle von politischer Bildung genau aus denselben Gründen strenger abzugrenzen und an einer institutionellen Trennung beider Bildungsbereiche festzuhalten: „Eine demokratische Gesellschaft tut gut daran, politische und kulturelle Bildung zu trennen. Denn sie braucht beide Perspektiven: ein klares Bekenntnis zu gemeinsamen Regeln und Werten einer Gesellschaft und Freiräume für den Einzelnen, um eigene Haltungen zu entwickeln und so gesellschaftliche Transformation zu ermöglichen”[36], schrieb Susanne Keuchel, Präsidentin des Deutschen Kulturrates und Direktorin der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW im selben Jahr.
Diese Entwicklungen geben Anlass dazu, das Verhältnis der kulturellen und politischen Bildung genauer zu untersuchen:
→ Welche gemeinsamen Ziele teilen die kulturelle und politische Bildung?
→ Worin unterscheiden sie sich in Bezug auf Methoden und Prinzipien?
→ Wann wird auf der einen Seite eine künstlerische Auseinandersetzung für die politische Bildung interessant und auf der anderen Seite die politische Dimension der kulturellen Bildung relevant?

Vergleich beider bildungssparten
Die Gegenstandsfelder beider Sparten, Kultur und Politik, haben zunächst einmal gemeinsam, dass sie sich eigentlich jeglicher Abgrenzung entziehen und unaufhörlich und wesensbedingt ineinandergreifen. Kultur lässt sich niemals ausschließlich auf die Künste beschränken und Politik ist viel mehr als nur staatliches Handeln. Beides beschäftigt sich mit komplexen Dimensionen gesellschaftlicher Beziehungen und deren Gestaltung, mit der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, ihrer Interpretation und einer Umgangsform. Dennoch haben sich historisch betrachtet zwei verschiedene Bildungstraditionen mit unterschiedlichen Ansätzen, Zielen und Institutionen entwickelt, die in der folgenden Tabelle stichpunktartig gegenübergestellt werden.

Beutelsbacher konsens
als Rahmung der
politischen bildung
Der wesentliche Rahmen für die politische Bildung in Deutschland wird durch den sogenannten Beutelsbacher Konsens bestimmt, welcher die allgemein anerkannten Grundprinzipien der politischen Bildung festlegt. Er ist das Ergebnis einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg im Herbst 1976 in Beutelsbach. Demnach muss sich politische Bildung an drei Grundprinzipien ausrichten: dem (1) Überwältigungsverbot, das vorsieht, dass Lehrende Schüler*innen nicht ihre Meinung aufzwingen oder sie – mit welchen Mitteln auch immer – überrumpeln dürfen, sondern sie sich mit Hilfe des Unterrichts durch neutrale Aufklärung eine eigene Meinung bilden lassen. Damit zusammenhängend fordert das (2) Gebot der Kontroversität eine stets kontroverse und diskutierbare Darstellung von Themen. Das (3) Prinzip der Adressat*innenorientierung soll die Adressat*innen in die Lage versetzen, eine gesellschaftspolitische Situation und die eigene Position darin zu analysieren und sich aktiv am politischen Prozess zu beteiligen.[40]
unterschiede und schwierigkeiten bei einer zusammenführung kultureller und politischer bildung
Wie bis hierhin aufgezeigt, sind die kulturelle Bildung wie auch die politische Bildung jeweils eigenständige Bildungsbereiche, die über eigene Strukturen, Traditionen und Orientierungen verfügen. Zwischen diesen gibt es daher auch Unterschiede, aus denen sich einige Vorbehalte gegenüber einer Verbindung von kultureller und politischer Bildung ergeben.
zweck und ziel
Der erste Aspekt, in dem die beiden Bildungsbereiche kollidieren, findet sich in der Differenz zwischen der scheinbaren Zweckfreiheit der kulturellen Bildung und der Zweckbestimmung der politischen Bildung.[41] Die Zweckfreiheit der kulturellen Bildung geht vor allem aus dem hier genutzten Medium der Künste hervor. Die Zweckfreiheit der Kunst wird von vielen Autoren – von Kant über Rousseau bis zu Adorno – seit Jahrhunderten diskutiert. Der Slogan „l’art pour l’art“ von Théophile Gautier geprägt, verdeutlicht diesen Gedanken.[42] Die Zweckfreiheit der kulturellen Bildung äußert sich in ihrer subjektorientierten Absicht, während die Absicht der politischen Bildung gesellschaftlich orientiert ist. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Ziele, die sie erreichen wollen: Die Stärkung des Individuums bzw. die Subjektstärkung stehen der Förderung politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit, mit Fokus auf dem Gemeinwohl, gegenüber.[43]
werte
Ein weiterer Unterschied besteht im Umgang mit Werten und der Wertevermittlung. Kulturelle Bildung geschieht durch das Befassen mit den Künsten mitten in „gesellschaftliche[n] Wertvorstellungen“[44].
„Der entscheidende Unterschied zur politischen Bildung liegt in der Zielgerichtetheit der Wertevermittlung. Kulturelle Bildung und die Künste stärken einen spielerischen Umgang mit Normen und Werten und bieten so einen Diskursraum für individuelle Aushandlungsprozesse. Der Mehrwert liegt in dem Medium der Künste, das nicht mit ‘richtig’ oder ‘falsch’ operiert, und dadurch Freiraum für Innovation und gesellschaftlichen Wandel ermöglicht. Eine zielgerichtete Wertevermittlung, wie in der politischen Bildung, würde diesen Freiraum ad absurdum führen.“[45]
ästhetische erfahrung
Es gibt einen Widerspruch zwischen dem „Sinnlichen“ und dem Überwältigungsverbot. Das „Sinnliche“ steht in Zusammenhang mit ästhetischen und künstlerischen Erfahrungen. Diese sind Bestandteil der kulturellen Bildung bzw. können im Zuge der kulturellen Bildung gemacht werden. Die ästhetischen Erfahrungen der kulturellen Bildung kollidieren mit dem Überwältigungsverbot der politischen Bildung, welches aus dem schon beschriebenen Beutelsbacher-Konsens hervorgeht.
„So ist es nicht erlaubt, Schüler[*inen] im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbstständigen Urteils zu hindern. Diese Gefahr kann jedoch bestehen, wenn ästhetische Erfahrungen mit einer zielgerichteten politischen Botschaft verbunden werden. Der Nationalsozialismus ist ein Beleg hierfür.“[46]
manipulation, missbrauch und instrumentalisierung
Der Nationalsozialismus als Beispiel ist unter anderem Ausgangspunkt für verschiedenste Bedenken, die bei einer Verbindung von kultureller und politischer Bildung vorherrschen. Beispielsweise besteht die Sorge, dass Inhalte durch die Verbindung beider Bildungsbereiche manipulativ wirken könnten. Dr. Helle Becker spricht in diesem Zusammenhang davon, dass politische Bildung mit kulturellen Mitteln nicht als „richtige“ und seriöse Bildung angesehen wird, und „dass Inhalte eher emotional als kognitiv vermittelt werden und dass dies manipulativ wirken könnte.“[47]
Eng verwoben mit der Angst vor Manipulation gibt es die Sorge, dass die hier thematisierte Verbindung missbraucht werden könnte. Es muss unterschieden werden zwischen den Zwecken von Bildung und politischer Ideologie. Denn wie die jüngere Geschichte zeigt, kann sowohl Kunst als auch kulturelle und politische Bildung zu ideologischen Zwecken missbraucht werden.[48] Max Fuchs spricht in diesem Zusammenhang einer Instrumentalisierung von einer Verbindung von Politik und Macht, die einer Verbindung von Kultur und Sinnfragen gegenübersteht. Politik habe auch eine andere Zeitlichkeit, als das Kultursystem, sodass sie eher zwei getrennte Bereiche zu sein scheinen.[49]
„Politik hat mit Macht zu tun, Kultur dagegen mit der Kommunikation von Sinnfragen. Politik sollte recht schnell zu Entscheidungen kommen, die Teilbereiche des Kultursystems wie Kunst, Wissenschaft oder Religion brauchen dagegen Zeit, um Argumente immer wieder von neuem zu überprüfen. […] Gerade im Umgang mit den Künsten fällt dabei immer wieder der Begriff der Autonomie, mit dem man sich gegen jede gesellschaftliche (und damit auch politische) Nutzung wehren will. Man pflegt vielmehr die Angst vor einer „Instrumentalisierung“.”[50]

Chancen und Potenziale einer Verbindung von kultureller und politischer Bildung
Trotz der Schwierigkeiten und „Gefahren“ eines Brückenschlags sollte man nicht außer Acht lassen, dass beide Ansätze auch Schnittmengen in ihren Bildungszielen haben und sich daher auch gegenseitig befruchten können. Durch die Möglichkeit einer Verbindung können das Individuum und die Gesellschaft von den Wechselwirkungen profitieren und gestärkt werden. Im besten Falle führt dies eine Erweiterung der Kompetenzen und des Reflektionsvermögens mit sich.
Gemeinsamkeiten und Anforderungen
Kulturelle wie auch politische Bildung beschäftigen sich allgemein mit der Frage nach dem Handeln und Leben des Menschen. Sie streben gemeinsam nach Möglichkeiten und Angeboten, die Entwicklung und Persönlichkeitsbildung des Individuums zu fördern, sowie Kompetenzen zu entwickeln, die auf verschiedene Bereiche übertragbar sind. Trotz ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte und Handlungsmöglichkeiten haben beide Ausrichtungen eine Ressourcen- und Schöpfungsvielfalt, um zum Wohle der Politik und Gesellschaft zu dienen und geeignete Rahmenbedingungen dafür zu gestalten.
Ein nennenswertes Beispiel, das Max Fuchs aufführt, ist das „Zurückdrängen einer grassierenden neoliberalen Ausrichtung in Politik und Verwaltung, die der kulturellen und der politischen Bildung nicht zuträglich ist“[51].
Gerade dann, wenn sich die Bereiche inhaltlich und methodisch nahekommen, ist es wichtig die Schwerpunkte klar zu differenzieren, um keine Missverständnisse zu erzeugen. „[Man] würde ja bei politischer Bildung, die sich z.B. mit Kulturpolitik befasst, nicht sagen, dass es sich um kulturelle Bildung handelt. Genauso wenig ist kulturelle Bildung, die Politisches thematisiert, automatisch politische Bildung“[52] , so Dr. Helle Becker. Je besser man hier unterscheidet, umso wirkungsvoller kann es sein, die Bereiche miteinander ins Verhältnis zu setzen und ihre gemeinsamen Ergebnisse zu beurteilen.
prinzip des perspektivwechsels
Die kulturelle Bildung bietet diverse Handlungsräume, um einen Umgang mit Spannungsfeldern zu erproben.[53] Die Beteiligten werden dabei mit wechselnden Perspektiven konfrontiert, die sie zu differenzieren lernen müssen. Damit können wichtige Wahrnehmungs- und Entscheidungskompetenzen erlernt werden. „Dies kann auch eine Voraussetzung sein, um Fremdbestimmung überhaupt erst wahrzunehmen, ihre Funktionsweise zu durchschauen und schließlich einen Weg zur Selbst- und Mitbestimmung zu finden.“[54], erläutert Kirsten Witt, Grundsatzreferentin der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung. Besonders die politische Bildung kann von so einer Herangehensweise profitieren.
partizipationskultur und ihre adressat*innen
Wenn die kulturelle Bildung den Anspruch der Partizipationskultur mit Mitteln der sinnlichen und evaluierenden Auseinandersetzung erfüllen kann, so stellt sich die Frage, wie auch die politische Bildung dieses erreichen kann. Um politische Bildung möglichst interessant und relevant zu vermitteln, muss sie auf die Bedingungen der unterschiedlichen Adressat*innen eingehen. „Ihre Ziele lassen sich nur realisieren, wenn sie eingebettet sind in eine Partizipationskultur und wenn sie mit dem gelebten Alltag und der Lebenswirklichkeit der Bürger*innen […] zu tun haben“[55] , äußert sich Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung.
Somit sollte die politische Bildung idealerweise auf die Bedürfnisse und Bedingungen der unterschiedlichen Adressat*innen eingehen, sie dort abholen, um sie dann in einen Raum der Teilhabe einzubinden. Dafür bedarf es einer Zielgruppen- und Bedürfnisanalyse, zu dem unter anderem Sprache, Ausdrucksweisen und kulturellen Praxen der unterschiedlichen Zielgruppen gehören.
Um die verschiedenen Zielgruppen gleichermaßen anzusprechen und aktivieren zu können, werden häufig kulturpädagogische Ansätze und Methoden genutzt. Mit ihren Mitteln kann der Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe eröffnet und demokratische Praxis sinnlich begreifbar gemacht werden: „Sie offeriert Formate, um Alltags- und Lebensfragen auf persönliche, auch politische Ausdrucksweise auf die Bühne, ins Netz oder aufs Papier zu bringen.“[56]
Eine weitere Herausforderung besteht darin, politische Bildung von den täglichen Freizeitangeboten herauszuheben und als Alternative attraktiv zu machen. Vor allem das Marketing der politischen Bildung muss hierbei zielgruppenorientierter und ‑aktivierender arbeiten.[57]
vielfalt der deutungsmöglichkeiten
An dieser Stelle spricht sich Anja Besand, Professorin für Didaktik der politischen Bildung an der TU Dresden, gegen eine Einteilung in „Kunst via Politik“ und „Kunst mit Politik“ aus.[58] Das führe ihrer Meinung nach weitläufig zu einer Zerteilung der Rezipient*innen und einer Klassifizierung in „gut“ und „schlecht“. Gerade in der Praxis wird deutlich, dass viele Projekte und Künstler*innen sich nicht eindeutig der einen oder der anderen Kategorie zuordnen lassen. Deshalb sei es wichtig, den Deutungsraum offen zu halten. Besonders in der Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten liegt häufig das Potenzial des Interpretationsspielraums und des daraus geschöpften Wertes.
irritation und ereignishaftigkeit
Oft steckt das besondere Potenzial von Ereignissen in ihren Widerständen.[59] Nicht durch Mittel wie Annahme und Enthaltsamkeit entsteht das Vermögen zur Reflektion und Autonomie, sondern durch Kritik, Irritation und das Wissen um die Bedingungen von Handlungsfähigkeiten. In diesem Sinne ist es spannend, mit den Widerständen der beiden Bildungssparten zu arbeiten. In der Praxis werden dazu Kontrast- und Grenzerfahrungen erprobt, in Form von ungewöhnlichen Orten und Settings, sowie Neu-Zusammenstellungen von Themen, Material und Menschen.[60] Man spricht dabei von dem Begriff der Ereignishaftigkeit. „Gemeint ist die Inszenierung eines Ereignisses im Sinne einer Ausnahme vom Alltag. Ein Ereignis, das berührt, das spielerische und auch polarisierende Elemente enthält.“[61] Kulturelle Bildung wird hierbei als Instrument für Ungeplantes und Überraschendes genutzt. Politisch bildend wirkt die Methode, wenn die Beteiligten lernen, das Geschehene durch Abstandnahme und Einordnung zu reflektieren.
Gemeinsamkeiten und Anforderungen
„In Bezug auf politische Bildungsprozesse geht es in der kulturellen Bildung darum, Räume zu schaffen und Erfahrungen zu ermöglichen, sich Politik als gesellschaftliches Handlungsfeld anzueignen“[62], so fasst es Kirsten Witt zusammen. In diesen „Räumen“ können die Beteiligten verschiedene Standpunkte erlernen, ihre eigene Position – ihre Selbstwirksamkeit – dazu entwickeln. Um das zu erreichen, können die verschiedenen Prinzipien und Methoden, von denen einige bereits im Vorfeld genannt wurden, eingesetzt werden.
„Projekte und Angebote Kultureller Bildung sind wie Labore mit Ernstfallcharakter – oder auch ernsthafte Situationen, die einen spielerisch experimentellen Grundton beinhalten“.[63]
In dieser Form sollen die Teilnehmenden Zusammenhänge zwischen ihrer Lebenssituation und den gesellschaftlichen Bedingungen verstehen und zur Mitgestaltung angeregt werden. Obwohl Witt in ihrem Text vor allem über Projekte mit Jugendlichen spricht, können solche Konzepte auf alle Altersstufen übertragen werden. Wichtig dabei ist, die Angebote an den Stärken der Teilnehmenden auszurichten und sie als Akteur*innen in den Prozess einzubinden. Auf diese Weise werden die individuellen schöpferischen Fähigkeiten und Kräfte gefördert, sowie Begegnungen auf Augenhöhe geschaffen. Die Teilnehmenden erfahren die Bedeutung und Wirkung ihrer Handlungen.
Gedenkstätten und geschichtsmuseen als beispiel
In diesen Institutionen besteht die Aufgabe der Vermittler*innen darin, historische und politische Themen an die Besucher*innen heranzutragen. Auch hierbei werden gerne Methoden der kulturellen Bildung zum Einsatz gebracht. Den Besucher*innen wird dabei ein Raum oder ein Mittel geben, das Vergangene und theoretisch Aufgefasste sinnlich und emotional für sich (neu) zu erleben und eine Haltung zu entwickeln.
Jugendbildung als beispiel
In der heutigen Jugendarbeit konzentrieren sich Institutionen und Pädagog*innen darauf, die Themen der komplexen Umwelt mit der Lebenswirklichkeit und den Interessen der Jugendlichen zu verbinden. Ziel ist es, junge Menschen zu befähigen sich in unterschiedlichen Lebenswelten zu behaupten, mit komplexen globalen Zusammenhängen und Widersprüchen konstruktiv umgehen zu lernen und ein individuelles Lebenskonzept zu entwickeln.[64] „Politische Bildung ist in der Kulturellen Jugendarbeit weit mehr als Demokratieerziehung […]. Sie verordnet sich im Kontext von Mitbestimmung, Mitgestaltung, Partizipation und politischen Handeln.“[65] Für die Träger bedeutet dies, ihre Praxisformate nach diesen Prinzipien auszurichten.

Fazit
Keine Frage, politische und kulturelle Bildung gehen von völlig verschiedenen Grundprinzipien aus, bringen unterschiedliche Kompetenzen hervor und verfolgen generell unterschiedliche Ziele, die beide, für Individuum und Gesellschaft, wichtig und sinnvoll sind. Deshalb ist es zunächst aus fachlicher Perspektive sinnvoll die Bildungssparten nicht grundsätzlich zu vermischen, sondern zu unterscheiden. Es gibt gewisse Problematiken, die hier aufgezeigt wurden, welche diese Unterscheidung unterstützen. Dennoch wurde auch deutlich, dass die einzelnen Bildungsfelder Möglichkeiten mitbringen, die in dem jeweils anderen Bereich positive Auswirkungen auf z.B. die Vermittlung haben können, ohne beide Bildungsbereiche ineinander verschmelzen zu lassen. Die klare Kommunikation über die verschiedenen Ebenen ist dabei wichtig. Die kulturelle und die politische Bildung haben das Potenzial sich gegenseitig gut ergänzen und befruchten zu können – dieses muss nun von den einzelnen Institutionen ergriffen werden. ◀
Von Julia Andreyeva, Sarah Hartke & Julia Valerie Zalewski
[32] Vgl. Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel (o.J.): “Über uns”. In: bundesakademie.de.
[33] Vgl. Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel (2019): “ba erhält Anerkennung durch die Bundeszentrale für politische Bildung”. In: bundesakademie.de.
[34] Bundeszentrale für politische Bildung (o.J.): “Über uns – die bpb”. In: bpb.de.
[35] Zimmermann, Olaf (2018): Kulturelle und politische Bildung: Mehr Mut zur Kooperation. Gesellschaftliche Auflösungserscheinungen können nur gemeinsam erfolgreich bekämpft werden.
[36] Keuchel, Susanne (2018): Kulturelle und politische Bildung? Eine historische und aktuelle Verortung sowie ein Plädoyer für Achtsamkeit.
[37] Ermert, Karl (2009): Was ist kulturelle Bildung?
[38] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (o.J.): Politische Bildung.
[39] Bundeszentrale für politische Bildung (o.J.)
[40] Bundeszentrale für politische Bildung (o.J.): Beutelsbacher Konsens. In: bpb.de.
[41] Vgl. Zimmermann 2018
[42] Vgl. Spreng, Eberhard (2011): “Der Verfechter der zweckfreien Kunst”. In: Deutschlandfunk, 31.08.2011.
[43] Vgl. Keuchel 2018
[44] Ebd.
[45] Ebd.
[46] Ebd.
[47] Becker, Helle (2009): Kulturelle und politische Bildung sollen sich nicht gegenseitig kolonialisieren.
[48] Vgl. Zimmermann 2018
[49] Vgl. Fuchs, Max (2018): “Gemeinsames Ziel, verschiedene Wege? Kulturelle und politische Bildung”. In: kulturrat.de.
[50] Ebd.
[51] Ebd.
[52] Becker 2009
[53] Vgl. Witt, Kirsten (2017/18): “Politische Bildung in der Kulturellen Jugendbildung”. In: Kulturelle Bildung Online.
[54] Ebd.
[55] Krüger, Thomas (2011): “Die kulturelle Bildung als Teil politischer Bildung. Rede von Thomas Krüger auf der Fachtagung Was PISA nicht gemessen hat – Zukunftsperspektiven der kulturellen Bildung”. In: bpb, 04.11.2011.
[56] Wolf, Birgit (2017): “Bundesweite Akteure der kulturellen Bildung: Eine Einführung in die Strukturen”. In: Kulturelle Bildung Online.
[57] Vgl. Krüger, Thomas 2011
[58] Vgl. Reinhold, Katharina (2010): Inspiration – Bildung begegnet Kunst in Politik, Tagesdokumentation, S. 10.
[59] Vgl. Krüger, Thomas (2018): “Thomas Krüger ist neues Mitglied im Rat für Kulturelle Bildung”. In: deutsche-bank-stiftung.de.
[60] Vgl. Witt, Kirsten 2017/18
[61] Ebd.
[62] Ebd.
[63] Ebd.
[64] Vgl. ebd.
[65] Ebd.
Ein Beitrag von Julia Andreyeva und Julia Valerie Zalewski