Laut einer Studie finanzieren ca. Drei Viertel aller Studierenden ihre Lebenskosten mit einem Nebenjob. Die meisten Studierenden mit einem Nebenjob (33 Prozent) arbeiten als studentische oder wissenschaftliche Hilfskraft oder als Doktorand direkt an ihrer Universität oder Fachhochschule. Beliebt sind außerdem Bürotätigkeiten (25 Prozent), Nachhilfeunterricht (13 Prozent) und Nebenjobs im Einzelhandel (12 Prozent) sowie in der Gastronomie (11 Prozent) (siehe www.expertenReport.de). Ich arbeite seit Beginn meines Studiums (also mittlerweile seit fast 4 Jahren) nebenbei als Kellnerin in einem Restaurant und werde in diesem Blog erläutern, ob und warum es für mich ein Segen (und) oder ein Fluch ist. Wichtige Anmerkung: Ich beziehe kein Bafög, weshalb ich finanziell auf den Job angewiesen bin.
Um die Frage ganz pauschal schon einmal vorab zu beantworten: Es ist Segen und Fluch zugleich. Ein Nebenjob nebem einem Vollzeitstudium bringt einen definitiv an seine Grenzen – psychisch und physisch. Seit vier Jahren sieht mein Alltag wie folgt aus: Wenn ich einen Kurs um 8:00 Uhr in Hildesheim habe, steige ich idealerweise um 06:48 Uhr am HBF Hannover in den Erix, um pünktlich zum Kurs zu erscheinen. Wenn der Plan nicht aufgeht, nehme ich die S-Bahn um 07:19 Uhr und komme wissentlich zu spät zum Kurs. Meistens habe ich Kurse bis 13:45 Uhr, sodass ich dann den Erix um 14:39 Uhr in Hildesheim Ost nehme und um 15:10 Uhr am HBF Hannover ankomme. Meine Schicht im Restaurant geht regulär um 16 Uhr los, sodass ich kurze Zeit habe, etwas zu essen und kurz klar zu kommen. Feierabend habe ich regulär gegen 23/00 Uhr. Das sollte Erklärung genug sein, warum die Studium-Nebenjob-Kombi körperlich aufreibend ist. In diesem Ausmaß habe ich es natürlich nicht 5 Tage die Woche gemacht, sondern 2/3 mal die Woche. Meine Kurse habe ich mir seit Jahren so gelegt, dass ich Freitag frei habe. Letztes Semester hatte ich sogar zwei Tage frei, Dienstag und Freitag. An den beiden Tagen habe ich also die Frühschicht im Restaurant übernommen (8 Uhr-16 Uhr). Psychisch anstrengend wird das Ganze, wenn zur Vorlesungs- und Arbeitszeit noch die Abgabe von Hausarbeiten, Gruppenarbeiten und regulären wöchentlichen Abgaben kommt. Woher nimmt man die Zeit? Ich habe einen Tag in der Woche, an dem ich mir nichts vornehme, um meine Abgaben abzuarbeiten, nämlich Sonntag. Manchmal wird auch eine Nachtschicht unter der Woche eingeschoben, auch wenn das Gehirn nach einem 16-Stunden-Tag nicht mehr allzu gut funktioniert. Ich bin mit dieser Wochenplanung bisher sehr gut durchs Studium gekommen, muss ich sagen. Eine Sache, die defintiv zu kurz gekommen ist und auch immer noch zu kurz kommt: der Haushalt. Unser Kühlschrank ist in 8 von 10 Fällen leer, einfach weil die Zeit fehlt. Aber daran arbeiten wir noch :D. Natürlich gab es oft Tage, an denen ich mir gewünscht hätte, mich komplett aufs Studium konzentrieren und meine Abgaben mit mehr Gewissheit und weniger Zeitstress bearbeiten zu können aber perfekt wird es nie sein.
Bereuen tue ich es auf keinen Fall. Jetzt kommt der Teil, warum ein Nebenjob neben dem Studium definitiv auch ein Segen sein kann. Ich würde sagen, ich habe mich durch meinen Nebenjob nochmal richtig kennengelernt. Gerade in der Gastronomie begegnet man Menschen, denen man in 4 Jahren seines Studiums nicht begegnet. Seien es die arabisch-sprachigen Köche, die unausstehlichen Gäste oder die Kolleg*innen, mit denen man sogar eine Freundschaft schließt. Durch einen solchen Job lernt man das wahre Leben mit seinen unzähligen Facetten kennen. Im Studium lernt man natürlich auch diverse Personen mit verschiedenen Persönlichkeiten kennen, aber man befindet sich so ziemlich in seiner Uni-Bubble. Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich auch eher als Segen aufnehme, ist die körperliche Auslastung. Studieren strengt zwar den Kopf an, jedoch kommt der Körper meist zu kurz und man ist unausgelastet, nachdem man den ganzen Vormittag gesessen und gelernt hat. Wenn ich dann noch arbeiten gehe, laste ich meinen Körper komplett aus und schlafe Nachts innerhalb kurzer Zeit wie ein Baby ein. Mein Nebenjob und mein Studium steht so ziemlich in einer Tag-und-Nacht-Relation aber genau das macht es spannend für mich. Manchmal fühlt es sich an wie ein Doppelleben, was man führt. Vormittags die Studentin, die sich mit Gleichgesinnten über übersetzungssprachliche Strategien austauscht und Abends die Kellnerin, die 3 mal Ketchup an den selben Tisch bringen muss…
Name | Pros | Cons |
Leyla | Unabhängigkeit vom Bafög-Amt Die Möglichkeit, so viel Geld in der vorlesungsfreien Zeit zu verdienen, wie ich möchte Teilweise konnte ich mir Praktika durch die Arbeit anrechnen lassen | Hohe Belastung Seminare/Vorlesungen an die Arbeitszeiten anpassen Keine Chancengleichheit, weil ich weniger Zeit zum lernen habe Unverständnis von Dozent*innen |
Esra | Kommt gut auf dem Lebenslauf, da Arbeitserfahrung meist vorausgesetzt wird Wenn der Nebenjob dem zukünftigen Berufsfeld entspricht, kann man sich erste Skills aneignen | Hoher mentaler Load Schwierig, Uni und Beruf unter einen Hut zu bekommen Hohes Stressempfinden, besonders während der Klausurenphase Oftmals kein Verständnis seitens des Arbeitgebers dafür, dass man studiert (Arbeitszeiten, Verfügbarkeit) Weniger Zeit zum lernen |
Linh Nhi | Erfahrung im Gebiet (Werkstudentenjob), Geld | Stress, Burnout Zeitmanagement gestaltet sich sehr schwierig (Freunde, Uni, Familie, Job, Me-Time) |
Sophia | Finanziell unabhängiger Berufserfahrung Nochmal einen ganz anderen Arbeitsbereich kennen lernen, bevor man fertig studiert hat Neue soziale Kontakte außerhalb der Uni Man lernt besseres Zeitmanagement | Stress Man gewöhnt sich zu sehr ans arbeiten (und ans Geld) und vernachlässigt das Studium Weniger Freizeit |
Sara | Finanzielle Freiheit Unabhängigkeit vom Bafög-Amt oder anderen Studienkrediten Ausgleich zum Uni-Alltag Selbstständigkeit | Keine Zeit Lernen kommt zu kurz während der Vorlesungszeit überhaupt keine Freizeit Privatleben (Freunde und Familie) kommt zu kurz |
Joshua | eigenes Geld verdienen Arbeitserfahrung | Eine der beiden Seiten leidet immer, entweder man vernachlässigt das Studium oder die Arbeit Das Privatleben kommt zu kurz |
Mizgin | Geld, Erfahrung | Man kann in der Prüfungsphase weniger arbeiten, d.h. man hat für einen bestimmten Zeitraum weniger Geld zur Verfügung |
Kurze Befragung meiner Freund*innen
Ich finde defintiv, dass wir Vollzeitstudent*innen mit Nebenjob stolz auf das sein können, was wir machen. Ich hoffe dieser Blog gibt dir das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden. Obwohl wir alle bestimmt schon oft genug an unsere Grenzen gekommen sind, hat es bei weitem nicht nur Nachteile, sein eigenes Geld während des Studiums zu verdienen.
Ein Beitrag von: Jule Lorek, veröffentlicht am 23.04.2024
1 Kommentar
Toller Beitrag!!