THEATER IN CORONA-ZEITEN
Wie probt man unter Corona- Bedingungen?
Theater auf Abstand, funktioniert das überhaupt?
Chefdramaturgin Eva Veiders erzählt von ihren Erfahrungen am
Rheinischen Landestheater in Neuss.
Also, nachdem wir erfahren hatten, dass wir unter bestimmten Auflagen für eine bestimmte Anzahl an Zuschauerinnen und Zuschauern spielen dürfen, gab es zwei Tage, an denen wir überlegt hatten: Können wir das schaffen? Und wenn ja, unter welchen Umständen und was wollen wir dann zeigen. Dann wir haben gedacht, dass es Quatsch ist, Stücke wiederaufzunehmen und fortzusetzen, als ob nichts gewesen wäre. Dadurch, dass man sich in so einer besonderen Lage befindet, sollte Theater auf diese Lage direkt reagieren. Also haben wir uns gefragt: Was haben die Leute für Bedürfnisse, was interessiert sie jetzt? Dann haben wir einen kleinen Spielplan mit sechs Schauspielerinnen und Schauspieler, die wir aus der Kurzarbeit holen durften, gemacht. Wir haben uns zum Beispiel für Becketts ‚Glückliche Tage‘ entschieden, also Literatur, wo die Parallelen zur Corona Situation klar sind, und dann für einen Unterhaltungszugang — und das war dann der Liederabend. Und bei einem Liederabend, ich weiß nicht, ob es dafür eine genaue Definition gibt, wird mit einer Zusammenstellung von Songs ein Thema beleuchtet oder eine Geschichte erzählt.
Wir haben zum Probenbeginn erst einmal von dem Corona-Beauftragten, der sich im Vorfeld auf allen Kanälen schlau gemacht hat, eine Sicherheitseinführung bekommen. Dass man sich darüber Gedanken macht und dass man vor allem eine Atmosphäre stiftet, in der jede und jeder sagen darf, wenn er oder sie sich unwohl fühlt. Denn es gibt Regeln, die man strenger sehen kann oder weniger streng. Mancher fühlt sich da sicherer und ein anderer nicht. Da haben alle ein unterschiedliches Bedürfnis und es war wichtig, dass man darüber spricht. Dass sich keiner schämt zu sagen: Das ist mir trotzdem zu riskant. Sondern, dass man alle ernst nimmt und verantwortungsvoll damit umgeht. Und ich glaube, das war eigentlich das Wichtigere im Vergleich dazu, dass man jetzt besondere Regeln wie Hände desinfizieren, Abstand einhalten und keine Requisiten weiterreichen, einhalten muss. Und in den Proben, in denen es oft heißt: ‚Stellt euch mal zusammen in den Kreis, kommt nah zusammen, hört aufeinander.‘ Damit umzugehen war wirklich schwer. Und das war in den Proben ein dauerhafter Stressfaktor. Es war auch so, dass ich häufig gedacht habe, die Bühne ist zu klein. Es sind zu viele Leute. Da war viel äußerer Druck. Und trotzdem war es aber gut, es zu machen.
Als die Idee im Raum stand einen Liederabend zum Thema Corona zu machen, habe ich sofort gemerkt, dass mir zum Thema Einsamkeit und Sehnsucht viel einfällt. Ich glaube, die Quarantäne Zeit war für alle eine prägende Erfahrung. Für viele auch eine schwere Zeit. Ich kenne Leute, die haben gesagt, das war für mich eine tolle Zeit. Ich konnte entschleunigen und das fand ich super. Und es gab Leute, die richtig gelitten haben unter der Isolation oder auch unter der Angst, sich anzustecken oder unter den wirtschaftlichen Folgen. Also alles in allem eine komplizierte Situation. Und wir haben von Anfang an immer gesagt: Wer weiß, ob das in zwei Wochen noch aktuell ist? Und dann muss man durchatmen und sich denken: Ok, du stehst jetzt vor einer riesigen Aufgabe, das kannst du mit einem Liederabend gar nicht umfassend reflektieren. Du kannst dir einen Bereich raussuchen und dich dafür entscheiden. Da habe ich gedacht, dass dieser emotionale Zugang, ‚ich erlebe ein paar Wochen der Einsamkeit‘, der Weg ist. Wie kann man aus diesen relativ schwierigen Gefühlen wieder Kraft schöpfen, um damit sinnvoll umzugehen? Was bedeutet das eigentlich in einer Gesellschaft, einer Gemeinschaft zu leben und was ist meine Rolle darin und was kann ich tun und bewirken? Sozusagen über die persönlichen Gefühle wieder hinaus zu kommen und sich da verantwortungsvoll zu zeigen und vielleicht sogar empathischer, als man es vorher war. Das war die Grundidee dazu und das fand ich erzählenswert. Ich habe mich dann mit dem musikalischen Leiter darüber verständigt, wie die Songs eine sinnvolle Geschichte ergeben könnten. Wie wir die angehen wollen, wie die Songs klingen sollen. Welche emotionale Kurve soll das Ganze noch nehmen? Ich hatte von Anfang an die Idee, dass es ein stummes Spiel geben soll von jemanden der diese Quarantäne Zeit allein zu Hause erlebt. Dass seine Gefühls-Achterbahn erzählt wird, und die Songs seine Stimmen im Kopf sind. Musik als Erinnerung, als Kommentar oder Gedanke, der einen motiviert etwas zu tun, der einen in eine tolle Stimmung versetzt, traurig oder verrückt macht.