Du bist (es) nicht allein – Ein Essay über das Studieren mit Depression

von | Apr. 20, 2023

In der vertieften Ausein­an­der­set­zung mit der eigenen Depres­sion steckt thera­peu­ti­sches Poten­tial. So können falsche Vorstel­lungen von psychi­schen Erkran­kungen dekon­stru­iert und ein gesell­schaft­li­ches Verhältnis offen­bart werden. Wie aber lernt man, das Problem nicht nur in eigener Dysfunk­tio­na­lität zu sehen?

Collage: Jonas Galm

Im Zuge des Diskurses um die Folgen der Corona-Pandemie ist auch das Thema der psychi­schen Gesund­heit vermehrt in den Fokus gerückt. Wie einem Bericht der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion zu entnehmen ist, wurde schon im ersten Jahr der Pandemie ein Anstieg von Depres­sionen und Angst­stö­rungen um 25 % fest­ge­stellt.[1] Auch auf die psychi­sche Gesund­heit von Studie­renden hat sich die Pandemie nach­weis­lich ausge­wirkt. Eine Umfrage der Univer­sität Mainz aus dem Jahr 2020 gibt an, dass sich ein Viertel der Studie­renden in der Pandemie derart belastet fühlte, dass sie psycho­so­ziale Hilfe wünschten.[2] Doch das Thema der psychi­schen Gesund­heit im Kontext eines Studiums ist nicht erst seit der Pandemie relevant.

In Deutsch­land gibt es 422 Hoch­schulen mit unge­fähr 2,92 Millionen imma­tri­ku­lierten Student*innen.[3] Laut einer Studie der Barmer litten circa 470.000 davon schon vor der Pandemie an einer Depres­sion oder Angst­stö­rung – somit jede*r sechste Student*in.

Ich bin einer von ihnen.

Im Folgenden will ich einen Eindruck davon geben, warum sich das Leben und Studieren mit Depres­sion oftmals anfühlt, als würde man in einer Art kompri­mierten Realität leben und wie ein Umgang damit möglich ist.

Die Depres­sion als diagnos­ti­zier­bare Krankheit

Das Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit gibt an, dass depres­sive Störungen in Deutsch­land zu den häufigsten Erkran­kungen gehören. Zwischen 16 und 20 % der Bevöl­ke­rung leiden mindes­tens einmal in ihrem Leben an einer Depres­sion oder einer chro­nisch depres­siven Verstim­mung (Dysthymie).

Für die ärzt­liche Diagnose von Depres­sionen wird zwischen drei Haupt- und sieben Neben­sym­ptomen unter­schieden. Gedrückte, depres­sive Stim­mung in Form einer Stim­mungs­ein­engung bis zur Gefühl­lo­sig­keit, Inter­es­sen­ver­lust und Freud­lo­sig­keit, Antriebs­mangel und erhöhte Ermüd­bar­keit gelten dabei als Haupt­sym­ptome. Als Neben­sym­ptome werden folgende Symptome benannt: Vermin­derte Konzen­tra­tion und Aufmerk­sam­keit, vermin­dertes Selbst­wert­ge­fühl und Selbst­ver­trauen, Schuld­ge­fühle und Gefühle von Minder­wer­tig­keit, nega­tive und pessi­mis­ti­sche Zukunfts­per­spek­tiven, Suizid­ge­danken oder ‑hand­lungen, Schlaf­stö­rungen und vermin­derter Appetit.[4]

Liegen über zwei Wochen oder länger mindes­tens vier dieser zehn Symptome vor darunter mindes­tens zwei Haupt­sym­ptome und zwei Zusatz­sym­ptome , spricht man von einer depres­siven Episode.[5] Anhand der Ausprä­gung der Symptome und den damit verbun­denen Konse­quenzen für das Leben des*der Betrof­fenen wird bei der Diagnose zwischen leichten,  mittel­gra­digen und schweren Depres­sionen unter­schieden. [6]

Depres­si­ons­er­fah­rungen als Form einer kompri­mierten Realität

Kompri­miert: nur das Wesent­liche enthal­tend[7]

Synonyme: gedrängt, gerafft, zusam­men­ge­fasst[8]

Zu Beginn einer depres­siven Episode treffen bei mir zumeist schon alle Haupt- und Neben­sym­ptome außer die der Suizid­ge­danken zu. Dabei treten die Symptome aber in einer abge­schwächten Form auf. Symptome wie Minder­wer­tig­keits­ge­fühle, Kraft­lo­sig­keit oder Stim­mungs­ein­engungen wech­seln sich genauso in Inten­sität ab wie Neben­sym­ptome in Form von Schlaf­lo­sig­keit oder Appetitverlust.

Wenn es mir dann richtig schlecht geht – und es zu einer Art Peak der Episode kommt – ist es mir kaum mehr möglich, die einzelnen Merk­male kate­go­risch ausein­an­der­zu­halten, geschweige denn diese sprach­lich genau zu fassen. Ich bin dann nicht mehr in der Lage zwischen Haupt- und Neben­sym­ptomen zu unter­scheiden, sondern mein ganzes Empfinden ist ein einziges Haupt­sym­ptom. Viele Betrof­fene erleben während einer depres­siven Episode eine Art Abkehr von jegli­chem Gefühl, einen Gefühls­ver­lust. Bei mir ist viel eher das genaue Gegen­teil der Fall: Je näher ich dem Peak einer depres­siven Episode komme, desto mehr fühle ich. Ich fühle alles und gleich­zeitig nur noch eins. Dieses Eine ist dabei für mich lange ungreifbar geblieben, kaum in Worte zu fassen. Es gibt massen­weise Meta­phern für depres­sive Zustände: man denke an Glas­glocke, Echo­kammer ecetera. Für mich und meine Depres­sion finde ich keines dieser Worte passend. Schon oft habe ich versucht zu erklären, wie es sich anfühlt, depressiv zu sein und bin dabei immer an die Grenzen meiner (sprach­li­chen) Möglich­keiten geraten. Die genannten Symptome treffen zwar zu und dennoch verkommen sie im Vergleich zum realen Erleben zu leeren Wort­hülsen. Deshalb spreche ich hier über meine Depres­sion als Form von kompri­mierter Realität.

Im Peak einer depres­siven Episode bündeln sich die genannten Haupt- und Neben­sym­ptome zu einem großen Ganzen, Begriff­lich­keiten wie Leid, Trauer, Schmerz ecetera verdichten sich zu einer Ganz­heit und nehmen mich voll­kommen ein, füllen mich voll­kommen aus und lassen mich hand­lungs- und bewe­gungs­un­fähig zurück. In diesem Sinne fühlt sich eine depres­sive Episode wie eine kompri­mierte Realität an. Die Depres­sion wird zum Wesent­li­chen, meine Umwelt und ich verschmelzen zu einer einzigen Leid­er­fah­rung. Die Leid­er­fah­rung wird zum bestim­menden Prinzip der eigenen Realität, drängt und rafft die Realität auf diese Leid­er­fah­rung zusammen und das reale Erleben wird darauf kompri­miert. Der Peak einer depres­siven Episode, dieser Form kompri­mierter Realität, dauert bei mir meis­tens einige Tage an, selten einige Wochen. In diesen Zeiten nehme ich kaum Nahrung zu mir, schlafe so gut wie gar nicht, kann nicht vor die Tür gehen, geschweige denn meine Pflichten des Alltags erledigen.

Die Pflichten des Alltags oder die zweite Ebene einer kompri­mierten Realität

Neben den Pflichten der allge­meinen Lebens­füh­rung ergeben sich für mich als Student noch weitere „Pflichten“ (Pflichten hier in Anfüh­rungs­zei­chen gesetzt, da diese zwar auf einer gewissen Frei­wil­lig­keit basieren – niemand zwingt mich zum Studieren –, aber dennoch geleistet werden müssen). Dazu gehören das Besu­chen von Vorle­sungen, Semi­naren und Übungen, die Vor- und Nach­be­rei­tung dieser und das Erbringen von Studien- und Modul­leis­tungen. Diese Pflichten während einer depres­siven Episode zu erbringen, gestaltet sich als nahezu unmög­lich. Sie während des Peaks einer depres­siven Episode zu erbringen ist unmög­lich. In der Konse­quenz bedeutet das: gewisse Univer­an­stal­tungen nicht besu­chen zu können, nicht fähig zu sein diese vor- oder nach­zu­be­reiten, die Verkür­zung von Bear­bei­tungs­zeit von Studien- und Modul­leis­tung, Fristen für deren Abgabe zu verpassen.

Diese Konse­quenzen haben wiederum weitere Konse­quenzen zur Folge. Hier lässt sich zwischen lang­fris­tigen und kurz­fris­tigen Konse­quenzen unter­scheiden – wobei beide mitein­ander zusam­men­hängen. Als lang­fris­tige Konse­quenzen lassen sich dieje­nigen verstehen, die nicht unmit­telbar nach einer depres­siven Episode zum Tragen kommen und auf die zum Ende des Textes nochmal ausführ­li­cher einge­gangen werden soll. Nur so viel schon jetzt: Ich bin durch meine Depres­sion zum Lang­zeit­stu­dent geworden, habe dadurch mein Anrecht auf BAföG verloren und muss Lang­zeit­ge­bühren bezahlen (wer hätte es gedacht: die Sache mit dem Geld spielt eine erheb­liche Rolle).

Als kurz­fris­tige Konse­quenzen können die Konse­quenzen verstanden werden, die unmit­telbar nach einer depres­siven Episode zum Tragen kommen. Sie sind damit direkte Konse­quenzen einer Arbeits­un­fä­hig­keit. Sie gestalten sich so aus, dass ich jedes Mal nach einer depres­siven Episode vor einem riesigen Berg an Arbeit – und somit eigent­lich schon wieder vor einer nächsten Episode – stehe. Dieser Berg an Arbeit speist sich nicht nur aus der tatsäch­li­chen Arbeit des Nach­ho­lens, sondern ebenso aus emotio­naler Arbeit. Emotio­nale Arbeit in Form von Umgang und Verar­bei­tung der voran­ge­gan­genen depres­siven Episode und in Form von Bear­bei­tung des Scham­ge­fühls, schon wieder nicht genug geleistet zu haben. Denn obwohl ich mitt­ler­weile weiß, dass ich nichts dafür kann, depressiv zu sein, wohnt jeder depres­siven Episode auch immer eine Spur Versa­gens­ge­fühl inne. Der Berg an Arbeit hat somit eine doppelte Wirkung auf mich: Er zeigt auf, wie viel vor mir liegt und, wie viel ich während meiner depres­siven Episode vernach­läs­sigt habe.

Ständig das Gefühl zu haben, die Konse­quenzen für die eigene Depres­sion ausbaden zu müssen, bildet somit – neben der Ebene eines realen Erle­bens von expli­ziten Leid­er­fah­rungen – eine zweite Ebene kompri­mierter Realität. Da, wo das expli­zite Leid in einer depres­siven Episode meine Realität auf die Depres­sion kompri­miert, kompri­mieren die kurz­fris­tigen wie lang­fris­tigen Konse­quenzen der depres­siven Episode in der Phase nach einer depres­siven Episode (und darüber hinaus) meine Realität auf die Depression.

Ich befinde mich also in einem Teufels­kreis aus Depres­sion und Konse­quenz der Depres­sion. In den nach­fol­genden Abschnitten werde ich nach­zeichnen, dass dieser Teufels­kreis von vielen Student*innen geteilt wird, warum er syste­misch bedingt ist und mich der Frage widmen, ob man diesen durch­bre­chen kann.

Nicht allein im Teufelskreis

Die Zahl depres­si­ons­er­krankter Menschen in Deutsch­land steigt seit Jahren und wird wohl auch weiterhin steigen. Dabei sind vermehrt junge Menschen betroffen. Beson­ders unter Studie­renden sind Erkran­kungen wie Depres­sionen und Angst­stö­rungen weit verbreitet. So ist aus einer Studie des Deut­schen Zentrums für Hoch­schul- und Wissen­schafts­for­schung (DZHW) von 2017 zu entnehmen: Eine*r von vier Studie­renden gibt an, unter einem hohen Stres­ser­leben und Erschöp­fung zu leiden. Auch die Anzei­chen depres­siver Syndrome sind keine Selten­heit mehr.

Die eingangs ange­brachte Studie der Barmer zeigt die Auswir­kungen davon auf: Jeder vierte Mensch zwischen 18 und 25 leidet an Depres­sionen oder Angst­stö­rungen. Selbst bei Studie­renden, die lange als „gesunde“ Gruppe galten, ist jede*r sechste betroffen (ca. 470.000 Personen). Wenn man die Zahlen mit denen von vor einigen Jahren vergleicht, so lässt sich konsta­tieren, dass es von 2005 bis 2018 einen Anstieg von 72 % der depres­siven Episoden unter Student*innen gab. Demnach ist die Betrof­fe­nen­an­zahl stark gestiegen.[9]

Aus der zitierten Barmer-Studie lässt sich schließen, dass die Erkran­kungs­rate von psychi­schen Erkran­kungen, insbe­son­dere von Depres­sionen, im Laufe eines Studiums deut­lich ansteigt. In einem Arti­kels des freitag berichtet ein Betrof­fener: „Mit einer damals weniger präsenten Vorbe­las­tung ging ich ins Studium. Dort stieß ich auf Probleme; meine Vorbe­las­tung trat deut­li­cher hervor, erschwerte das Studium – und dies wiederum verschlim­merte die Symptome.“[10]

Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich die Lage weiter verschlech­tert. In Deutsch­land haben 43 der 57 Studen­ten­werke eine psycho­lo­gi­sche Bera­tungs­stelle. Mit Beginn der Pandemie kam es zu einer derartig erhöhten Inan­spruch­nahme, dass diese an vielen Stand­orten zur Über­las­tung der Bera­tungs­struk­turen geführt hat.[11]

Schon 2020 kam es zu einer deut­lich gestei­gerten Nach­frage. So ließen sich während des ersten Corona-Jahres 34.000 Studie­rende beraten und es kam zu mehr als 105.000 Bera­tungs­kon­takten. Mitter der Nuller­jahre lag die Zahl noch deut­lich darunter und betrug 66.0000 Kontakte.[12] Laut Peter-André Alt, Präsi­dent der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz, habe es im Laufe der Pandemie an einigen Hoch­schulen Nach­fra­ge­zu­wachs für psycho­so­ziale Bera­tungen um 85 Prozent gegeben.[13]

Eine Studie der Deut­schen Gesell­schaft für Psycho­so­ma­ti­sche Medizin und Ärzt­liche Psycho­the­rapie zu Auswir­kungen der Pandemie auf die psychi­sche Gesund­heit Studie­render liefert folgendes Ergebnis: „39 Prozent der Befragten gaben an, unter depres­siven Symptomen wie Nieder­ge­schla­gen­heit, Schlaf­stö­rungen oder dem Verlust von Inter­essen und Freude zu leiden – ein Zuwachs um zehn Prozent gegen­über 2019.“[14] Die Corona-Pandemie hat somit ernst­hafte Auswir­kungen auf die ohnehin schon besorg­nis­er­re­gende Lage psychi­scher Gesund­heit unter Studie­renden genommen. Auch die Ergeb­nisse einer Umfrage der Univer­sität Hildes­heim vom Jahr 2021 unter­mauern diese Erkenntnis. Zwei Drittel der 2500 befragten Studie­renden gaben an, unter verstärkten seeli­schen Beschwerden zu leiden.[15]

In vielen Erfah­rungs­be­richten von Studie­renden mit Depres­sion – auch schon vor der Pandemie – fallen immer wieder ähnliche Stich­worte als Auslöser für die Depres­sion: Leis­tungs­druck, Konkur­renz­kampf, Versa­gens­ängste, finan­zi­elle Sorgen und Zukunfts­ängste. In der Pandemie kamen hierzu Isola­tion und Einsam­keit bei anhal­tendem Druck und Stress. Die Auswir­kungen davon sieht man in den ange­führten Zahlen. Lohnend ist nun zu schauen, wodurch Auslöser wie ein derartig ausge­prägter Leis­tungs­druck entstehen, die unzäh­lige Menschen krank­zu­ma­chen scheinen.

Einen ersten Denk­an­stoß bietet der Sozio­loge Hartmut Rosa: „Die Zahl der Erwar­tungen, die die Studie­renden auf sich gerichtet fühlen, nimmt zu. Wir erwarten von jungen Leuten, dass sie, bevor sie einen Schritt abge­schlossen haben, immer schon wissen, was sie als Nächstes machen. Wir haben alle Nischen erodiert.“[16]

Das Erodieren der Nischen oder die Neoli­be­ra­li­sie­rung der Hochschulen

Um mögliche Ursa­chen für stark ausge­prägte Formen von Leis­tungs­druck, erhöhtem Stress­emp­finden, Konkur­renz­kampf oder finan­zi­eller Sorgen unter Studie­renden auszu­ma­chen, hilft es, die Perspek­tive zu weiten.

Folgt man kritisch-gesell­schaft­li­chen Analysen, dann lässt sich erkennen: „Das ökono­mi­sche Denken hat sich nicht nur in der Wirt­schaft als herr­schende Maxime etabliert.“[17] Die Philo­so­phin Nancy Fraser plädiert dafür, die großen zeit­ge­nös­si­schen Probleme als mitein­ander verwoben zu verstehen. Nach ihrer Auffas­sung finden sie ihre Ursache in unserer Wirt­schafts- und Gesell­schafts­ord­nung: Dem Kapi­ta­lismus.[18]

Eine beson­dere Form der Umset­zung der kapi­ta­lis­ti­schen Ordnung sieht die Sozio­login Eva Illouz im Neoli­be­ra­lismus. Lange nur als volks­wirt­schaft­liche Theorie verstanden, müsse man ihn mitt­ler­weile als neues Stadium des Kapi­ta­lismus begreifen, das sich u.a. durch seine unauf­halt­same Ausdeh­nung der Wirt­schaft auf alle Bereiche der Gesell­schaft auszeichnet.[19]

Diese Ausdeh­nung macht auch vor dem Feld der Bildung nicht halt. Eine Auswir­kung davon lässt sich in der Umset­zung der Bologna-Dekla­ra­tion erkennen – im allge­meinen Sprach­ge­brauch auch als Bologna-Reform[20] bekannt. In dieser auf das Jahr 1999 zurück­ge­henden Dekla­ra­tion ist eine inter­na­tio­nale Verein­heit­li­chung von Studi­en­ab­schlüssen fest­ge­halten. 29 euro­päi­sche Staaten verstän­digten sich hier auf einen gemein­samen Hoch­schul­rahmen, um die Vergleich­bar­keit von Studi­en­ab­schlüssen zu garan­tieren.[21] Drei Jahre später – als Folge der Bologna-Erklä­rung – trat in Deutsch­land ein neues Hoch­schul­rah­men­ge­setz in Kraft. In Zuge dessen wurden die alten Diplom- und Magis­ter­ab­schlüsse abge­schafft und durch die inter­na­tional aner­kannten Bachelor- und Master­ab­schlüsse ersetzt.[22]

Die Umge­stal­tung der Hoch­schul­land­schaft wurde nach außen unter positiv-konno­tierten Globa­li­sie­rungs­ar­gu­menten kommu­ni­ziert. So soll die inter­na­tio­nale Vergleich­bar­keit den Studie­renden erleich­tern, im Ausland zu studieren oder nach dem Studium in einem anderen Land zu arbeiten.[23] Wenn man sich die Bologna-Erklä­rung im Kontext gesell­schaft­li­cher Entwick­lungen anschaut, lässt sich diese aber gut als das dechif­frieren, was sie ist: eine Anord­nung zur Neoli­be­ra­li­sie­rung der Hochschulen.

Mit der Ausge­stal­tung des als Lissabon-Stra­tegie bezeich­neten Programms der Euro­päi­schen Union zur Etablie­rung eines „Mark­t­eu­ropas[24], wurden die euro­päi­schen Staaten um die Jahr­tau­send­wende wirt­schafts­po­li­tisch, aber auch staats- und hoch­schul­po­li­tisch umge­staltet. Durch die Umge­stal­tung zu „natio­nalen Wett­be­werbs­staaten“ sollte die euro­päi­sche Wett­be­werbs­fä­hig­keit auf dem Welt­markt erhöht werden.[25]

Die Bologna-Erklä­rung kann als Konse­quenz des Geistes der „Lissabon-Ziele“ verstanden werden. Ganz im Sinne eines Mark­t­eu­ropas werden Hoch­schul­re­formen demnach vorder­gründig „an den wissen­schafts­externen Zielen der Wett­be­werbs­fä­hig­keit der euro­päi­schen Univer­si­täten, der „Arbeits­markt­re­le­vanz“ der Studien und der „Beschäf­ti­gungs­fä­hig­keit“ („employa­bi­lity“) der Studie­renden orien­tiert.“[26]

Um dies zu ermög­li­chen, wurden gewisse tech­ni­sche Voraus­set­zungen geschaffen. So zum Beispiel: eine Verein­heit­li­chung von Studi­en­ab­schlüssen im euro­päi­schen Raum, verkürzte Studi­en­zeit­räume, Förde­rung der „euro­päi­schen Dimen­sion“ qua Curri­cula und eine Art gemein­samer Währung, um den work-load vergleichbar zu machen – das Euro­pean Credit Transfer System (ECTS).[27]

Zwar gab es mit der Bologna-Erklä­rung eine Reihe an weiteren Neue­rungen, aber hier sollen vor allem die Einfüh­rung des Leis­tungs­punk­te­system (ECTS), die Modu­la­ri­sie­rung von Inhalten und die Regel­stu­di­en­zeit in den Blick genommen werden.

Weniger Zeit bei anhal­tendem Stress 

Die Regel­stu­di­en­zeit für die konse­ku­tiven Bachelor- und Master­stu­di­en­gänge wurde insge­samt auf 10 Semester fest­ge­setzt. Damit ist für Bache­lor­stu­di­en­gänge eine Studi­en­dauer von 6 Semes­tern vorge­sehen, für ein Master­stu­dium von 4 Semes­tern. In einem Artikel von buten un binnen wird die BAföG- und Sozi­al­ar­bei­terin beim ASTA der Uni Bremen dazu mit folgenden Worten zitiert: "Alles, was nach meiner Ansicht wissen­schaft­li­ches Arbeiten ausge­macht hat, ist total zusam­men­ge­kürzt worden." Die Inhalte, die vor der Bologna-Erklä­rung in einem mehr­jäh­rigen Grund­stu­dium und einem mehr­jäh­rigen Haupt­stu­dium vermit­telt wurden, sind jetzt in ein "Schmal­spur­stu­dium" gepresst. Im buten un binnen-Artikel wird resü­miert: „Weniger Zeit bei anhal­tendem Stress.“[28]

Zudem sind die meisten Finan­zie­rungs­hilfen für Studie­rende an die Regel­stu­di­en­zeit gebunden. Im Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setz steht: „Ausbil­dungs­för­de­rung wird für die Dauer der Ausbil­dung – einschließ­lich der unter­richts- und vorle­sungs­freien Zeit – geleistet. […] jedoch grund­sätz­lich nur bis zum Ende der Förde­rungs­höchst­dauer nach § 15a […].“[29] Bei der Förde­rungs­höchst­dauer handelt es sich um die Regelstudienzeit.

Auch wer sich aufgrund über­durch­schnitt­lich guter Noten oder heraus­ra­gendem sozialen Enga­ge­ment tenden­ziell für ein Stipen­dium bewerben möchte, aber die Regel­stu­di­en­zeit über­schritten hat, wird bei den meisten Stipen­dien per se ausge­schlossen.[30]

Hinzu kommt noch, dass in einigen Bundes­län­dern – und Nieder­sachsen zählt dazu – soge­nannte Lang­zeit­stu­di­en­ge­bühren anfallen können. In Nieder­sachsen werden diese nach 12 Semes­tern erhoben und belaufen sich auf 500 Euro pro Semester.[31]

Den Auswir­kungen all dieser Rege­lungen soll noch ausführ­li­cher nach­ge­gangen werden. Um hier aber ein erstes Fazit zu ziehen: Viele Studie­rende sind auch finan­ziell darauf ange­wiesen, ihr Studium in der ange­geben Regel­stu­di­en­zeit abzu­schließen, damit zum grund­sätz­li­chen Druck des Studiums nicht auch noch der mögliche Stressor einer unge­si­cherten Finan­zie­rung dazu­kommt (dabei wird sich im Folgenden zeigen, dass selbst das Studieren in Regel­stu­di­en­zeit und die damit verbun­denen Finan­zie­rungs­hilfen nicht grund­le­gend vor finan­zi­eller Notlage schützen).

Weniger Inhalt bei anhal­tendem Stress

Neben der Regel­stu­di­en­zeit ist die Modu­la­ri­sie­rung ein weiteres Kern­ele­ment des zwei­glied­rigen Studiums von Bachelor und Master. Lehr­ver­an­stal­tungen und Prüfungs­leis­tungen werden in Module auf Basis einer entspre­chenden Struk­tu­rie­rung und Glie­de­rung des gesamten Studi­en­ganges einge­teilt. Das bedeutet: Das gesamte Studium wird in Blöcke von Veran­stal­tungen rund um jeweils ein Kern­thema geglie­dert. Dabei werden die Inhalte auf „unver­zicht­bare Kern­ele­mente“ zusam­men­ge­staucht. Zeit­gleich wird die Prüfungs­last erhöht, da nun, für jedes Modul, das man abschließen möchte, eine Prüfungs­leis­tung zu erbringen ist. Der Sozio­loge Peter Samol sieht darin eine Inhalts­ver­ar­mung, die dennoch den Druck auf die Studie­renden erhöht. Er stellt fest: „Der Bildungs­po­litik ist damit das Kunst­stück gelungen, die Studi­en­qua­lität zu verschlech­tern und zugleich die Studie­renden zu über­for­dern.“[32]

Ein Voll­zeitjob ohne Bezahlung

Auch die soge­nannten Leis­tungs­punkte bringen eine kritik­wür­dige Konse­quenz mit sich. Sie wurden einge­führt, um zu bemessen, wie viel Arbeits­auf­wand eine Studi­en­ein­heit mit Vor- und Nach­be­rei­tung erfor­dert.[33] Für einen Bache­lor­ab­schluss braucht es 180 Leis­tungs­punkte, für einen Master­ab­schluss 120 Leis­tungs­punkte. Bei einer Regel­stu­di­en­zeit von sechs Semes­tern für den Bachelor und vier Semes­tern für den Master bedarf es einer Erbrin­gung von 30 Leis­tungs­punkten pro Semester. Ein Leis­tungs­punkt ist dabei mit einem Arbeits­auf­wand von 25 bis 30 Stunden bemessen. Bei 30 Leis­tungs­punkten pro Semester entspricht das in etwa einer 40-Stunden-Woche, also dem Umfang eines Voll­zeit­jobs – nur hier eben ohne Bezahlung.

Die Sache mit dem Geld

Einen Voll­zeitjob ohne Bezah­lung können sich aber nur die wenigs­tens leisten. Denn obwohl 86% der Studie­renden von ihren Eltern unter­stützt werden, decken die elter­li­chen Zuschüsse die Lebens­hal­tungs­kosten oft nicht ab. Im Schnitt beläuft sich der Betrag einer elter­li­chen Finan­zie­rung auf 541 Euro.[34] Laut dem Centrum für Hoch­schul­ent­wick­lung (CHE) liegt der Geld­be­darf von Studie­renden zwischen 800 und 900 Euro – und das vor Infla­tion und Ener­gie­krise.[35] Noch schwie­riger ist die finan­zi­elle Situa­tion für Menschen, deren Eltern sie nicht unter­stützen können. Die Einfüh­rung von BAföG sollte zwar auch denje­nigen, die nicht von ihren Eltern mitfi­nan­ziert werden, ermög­li­chen, ein Studium aufzu­nehmen, meist reicht das BAföG aber bei weitem nicht aus. Zudem bekommen nur die wenigsten Student*innen den Höchst­för­der­satz. Somit lässt sich oftmals nur ein gewisser Teil der Lebens­hal­tungs­kosten finan­zieren.[36] Hinzu kommt noch, dass die Studie­renden, die BAföG beziehen, nach ihrem Studium mit Schulden ins Berufs­leben starten, da es sich beim BAföG für Studie­rende um ein Teil­dar­lehen handelt.[37]

Elter­liche Finan­zie­rung und/oder Bezu­schus­sung durch BAföG reicht demnach für viele Studie­rende nicht aus, um über die Runden zu kommen. Laut der 21. Sozi­al­erhe­bung des Deut­schen Studen­ten­werkes gehen knapp zwei Drittel aller Studie­renden neben dem Voll­zeit­stu­dium einem Nebenjob nach. Die Hälfte dieser gaben an, ohne Neben­ein­künfte durch einen Nebenjob, ihren Lebens­un­ter­halt nicht bestreiten zu können.[38] Mit elter­li­cher Finan­zie­rung, BAföG und/oder poten­zi­ellen Neben­jobs lassen sich somit zwar gerade so die Lebens­hal­tungs­kosten bezahlen, trotzdem lebt eine Viel­zahl von Studie­renden armutsgefährdet.

„Eine Person gilt […] als armuts­ge­fährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mitt­leren Einkom­mens der Gesamt­be­völ­ke­rung verfügt.“[39] Das mitt­lere Einkommen von armen Studie­renden liegt 463 Euro unter­halb der Armuts­schwelle und somit bei 802 Euro.[40] Die stetige Teue­rung der Preise für Lebens­mittel, Strom, Gas (und so weiter) verschärft die Situation.

Doch nicht erst seit den enormen Preis­an­stiegen durch Infla­tion und Ener­gie­krise ist eine Viel­zahl von Studie­renden armuts­ge­fährdet. Schon 2020 lebten 30 % von ihnen in Armut, so der Pari­tä­ti­sche Wohl­fahrts­ver­band.[41] Laut statis­ti­schem Bundesamt stieg diese Zahl im Jahr 2021 auf 37,9%. Bei Studie­renden, die zusammen mit Kommilton:innen oder allein leben, verdop­pelt sich der Wert auf 76,1%.[42]

Da selbst 45 % der Studie­renden, die BAföG beziehen, von Armut betroffen sind, ist die Situa­tion für Menschen, die kein BAföG beziehen dementspre­chend nochmal prekärer.[43] Zurzeit bekommt nur ein Drittel von den Studie­renden, die akut von Armut betroffen sind BAföG und nur 11% aller Studie­renden. „Die neuesten BAföG-Erhö­hungen ändern daran nichts: Sie decken nicht einmal die aktu­elle Infla­ti­ons­rate.“[44]

Über der Regel­stu­di­en­zeit aufgrund von psychi­schen Erkrankungen

Anhand der Zahlen der 21. Sozi­al­erhe­bung des Deut­schen Studen­ten­werks lässt sich erkennen, dass 11% aller Studie­renden in Deutsch­land von einer studi­en­erschwe­renden gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gung betroffen sind. „Bei 47 Prozent der studi­en­erschwe­rend Beein­träch­tigten ist eine psychi­sche Erkran­kung entweder die einzige Beein­träch­ti­gung oder dieje­nige, die sich am stärksten auf das Studium auswirkt.“

Diese Beein­träch­ti­gung nehmen erheb­li­chen Einfluss auf den Studi­en­ver­lauf, sodass sich die Studi­en­dauer bei mehr als einem Drittel der Betrof­fenen auf über zehn Hoch­schul­se­mester streckt.[45] Das führt dazu, dass viele der Betrof­fenen ihr Anrecht auf BAföG verlieren und/oder Lang­zeit­ge­bühren zahlen müssen.

Es gibt für Menschen mit psychi­schen Erkran­kungen sowohl für BAföG als auch für Lang­zeit­stu­di­en­ge­bühren zwar die Möglich­keit einen Nach­teils­aus­gleich zu bean­tragen, wobei dieser aber mit einem enorm büro­kra­ti­schen und stig­ma­ti­sie­renden Prozess verbunden ist – und keine Garantie auf Bewil­li­gung gibt.[46] Ein Prozess, dem man sich in schlechter psychi­scher Verfasst­heit oftmals nicht aussetzen kann.

Die lang­fris­tigen Konse­quenzen der Depres­sion oder ein Rück­griff auf den Begriff der kompri­mierten Realität

Selbst wenn man theo­re­tisch in der Lage dazu ist, sich diesem Prozess auszu­setzen, braucht es dafür aber erstmal das Wissen um die eigene Erkran­kung und die diagnos­ti­zierte Bestä­ti­gung dieser. Ich für meinen Teil musste Jahre der Selbst­gei­ße­lung durch­leben, um über­haupt anzu­er­kennen, dass ich depressiv bin und noch weitere, bis ich damit nach außen treten konnte. Jahre, in denen ich der festen Über­zeu­gung gewesen bin, dass die Depres­sion – ohne sie zu Beginn als solche zu erkennen – ein Teil von mir ist, für den ich selbst verant­wort­lich bin. Ein Teil, für den ich mich schämen muss, über den ich nicht spre­chen darf. Ich habe geglaubt, „schwach“ zu sein, wertlos zu sein, habe Trauer und Wut auf mich selbst, in mich selbst hinein­ge­fressen. Der Kultur­wis­sen­schaftler Mark Fisher, selbst depressiv und mitt­ler­weile durch Suizid verstorben, findet für diese Selbst­gei­ße­lung die folgenden Worte: „Depres­sion is partly consti­tuted by a snee­ring ‘inner’ voice which accuses you of self-indul­gence – you aren’t depressed, you’re just feeling sorry for yourself, pull yourself toge­ther“.[47]

Um einen Rekurs zum Begriff der kompri­mierten Realität zu finden, auch um die benannten lang­fris­tigen Konse­quenzen, die nicht unmit­telbar nach einer depres­siven Episode zum Tragen kommen, aufzu­greifen, hier eine kleine Ausführung:

Der als kompri­mierte Realität beschrie­bene Zustand, setzt sich für mich wie bereits beschrieben aus zwei Ebenen zusammen. Auf der ersten Ebene steht die expli­zite Leid­er­fah­rung, welche die Realität auf diese kompri­miert. Auf der zweiten Ebene stehen die Konse­quenzen, die aus der ersten Ebene kompri­mierter Realität folgen. Diese Konse­quenzen habe ich in kurz­fris­tige und lang­fris­tige Konse­quenzen unter­teilt, wobei beide mitein­ander zusammenhängen.

Sie hängen in der Art mitein­ander zusammen, dass sie sich gegen­seitig bedingen, verste­tigen und repro­du­zieren. Als kurz­fris­tige Konse­quenzen habe ich dieje­nigen gesetzt, welche als direkte Konse­quenz einer Arbeits­un­fä­hig­keit verstanden werden können. Als lang­fris­tige Konse­quenzen sind solche zu begreifen, die als indi­rekte Folge einer Arbeits­un­fä­hig­keit zu deuten sind.

Eine depres­sive Episode bringt zwangs­läufig einen Mehr­auf­wand nach der depres­siven Episode mit sich. Dieser Mehr­auf­wand führt zum einen zu den schon beschrie­benen Effekten einer Über­for­de­rung und des Versa­gens­ge­fühls. Zum anderen ist in ihm aber ebenso ein verste­tigter Mehr­auf­wand inbe­griffen. Das bedeutet:

aus einer Woche, die grund­sätz­lich schon mit einem Arbeits­auf­wand von 40 Stunden bemessen ist, wird schnell eine 50–60-Stundenwoche, allein um den liegen­ge­blie­benen Stoff nach­zu­holen. Dieser Arbeits­auf­wand ist für gesunde Menschen schon ein derartig hohes Belas­tungs­ri­siko, dass dieser nur schwer zu bewäl­tigen ist. Für eine depres­sive Person, die gerade eine depres­sive Episode hinter sich hat, ist er faktisch nicht zu bewältigen.

So stehe ich in jeder Phase nach einer Depres­sion vor einem Berg aus Arbeit, von der immer etwas liegen bleibt, weil ich sie nicht zu bewäl­tigen weiß. Daran anschlie­ßend bildet sich aus einem Berg aus Arbeit, von dem immer etwas liegen bleibt, ein verste­tigter Berg aus Arbeit, an dessen Wachstum ständig durch die Depres­sion gear­beitet wird – ein Berg aus Arbeit, an dessen Abbau ich ständig versuche zu arbeiten, der aber stetig weiterwächst.

Wie man sich schon denken kann, lässt dieser Teufels­kreis kaum zu, 30 Leis­tungs­punkte pro Semester zu bewerk­stel­ligen. Wer aber keine 30 Leis­tungs­punkte pro Semester erbringt, verliert nach einer gewissen Zeit seinen Anspruch auf BAföG . So bei mir der Fall:

nach dem vierten Semester ist gegen­über dem BAföG-Amt ein Leis­tungs­nach­weis zu erbringen. 30 Leis­tungs­punkte pro Semester bei vier Semes­tern Studi­en­lauf­zeit bedeuten 120 Leis­tungs­punkte. Diese konnte ich nicht nach­weisen. Somit ist meine finan­zi­elle Absi­che­rung (in Form des Höchst­satzes) ab dem vierten Semester wegge­fallen und ich musste mir einen Nebenjob suchen, um Miete, Essen ecetera zu bezahlen. Ich denke es ist nach­zu­voll­ziehen, dass diese Entwick­lung meine Situa­tion enorm verschärft und nicht dazu beigetragen hat, dass ich die an mich gestellten Anfor­de­rungen durch mein Studium erbringen konnte.

Infol­ge­dessen sehe ich den Verlust meines Anrechts auf BAföG, meinen Status als Lang­zeit­stu­dent und die damit zusam­men­hän­gende Pflicht Lang­zeit­ge­bühren zahlen zu müssen als indi­rekte Auswir­kung aus meiner Depres­sion und als eine direkte Auswir­kung auf meine Depression.

Der stetig wach­sende Berg aus Arbeit, der sich selbst repro­du­ziert, der Teufels­kreis aus Depres­sion und Konse­quenzen der Depres­sion hat also eine kurz­fris­tige als auch eine lang­fris­tige Kompo­nente. Diese beiden Kompo­nenten haben mich dabei immer wieder auf das Gefühl zurück­ge­stoßen, Schuld an meinem eigenen Schicksal zu sein und nicht genug geleistet zu haben.

Versa­gens­ge­fühle als Mär von der eigenen Schul­dig­keit oder die einver­leibte Meritokratie

Der im Sprach­ge­brauch west­li­cher Indus­trie­na­tionen fest veran­kerte Begriff der Leis­tungs­ge­sell­schaft lässt sich auf eine soge­nannte meri­to­kra­ti­sche Ideo­logie zurück­führen. Diese besagt, dass jeder Mensch die gesell­schaft­liche Posi­tion innehat, die er sich „verdient.“ Die „verdiente“ Posi­tion hat sich die jewei­lige Person dabei durch ihre eigene Arbeit und aus eigener Kraft, also anhand ihres indi­vi­du­ellen Verdienstes „verdient.“ Damit ist das einzelne Schicksal einzelner Indi­vi­duen und deren gesell­schaft­liche Stel­lung als Folge eigener Verant­wort­lich­keit und nicht als Folge struk­tu­reller Prozesse zu verstehen. Obwohl viel­fach kriti­siert, ist diese Vorstel­lung in nahezu allen west­li­chen Staaten kultu­rell einge­schrieben.[48]

Wenn man nach einer Begrün­dung für diese Einschrei­bung sucht, dann lässt sich zumin­dest ein Teil dafür in der soge­nannten Posi­tiven Psycho­logie finden. Der Posi­tiven Psycho­logie zufolge ist das Streben nach Glück der höchste Ausdruck mensch­li­cher Erfül­lung. Jedes Indi­vi­duum hat demnach natür­li­cher­weise den Drang glück­lich zu sein.[49] Allein diese Behaup­tung lässt sich kaum wissen­schaft­lich belegen, da sie von einem objek­tiven und mess­baren Glücks­be­griff ausgeht. Man könnte sich fragen: Was ist Glück über­haupt? Ist Glück messbar? Und wenn Glück messbar wäre, wie würde man Glück messen?

Der Psycho­loge Martin Seligman, der als Begründer der Posi­tiven Psycho­logie gelten kann, behauptet auf all diese Fragen die passenden Antworten gefunden zu haben. Nach seinem Dafür­halten lässt sich Glück nämlich wie folgt bemessen: H = S+C+V oder auch happi­ness = genetic set + circum­s­tances + volun­tary control. Aufge­schlüs­selt bedeutet dies, dass sich das persön­liche Glück aus der Genetik, den persön­li­chen Umständen und der willent­li­chen Kontrolle eines Menschen zusam­men­setzt. Die einzelnen Kate­go­rien sind dabei mit einer unter­schied­li­chen Wirk­kraft ausge­stattet: Glück ist demnach zu 50 % auf die eigene Genetik zurück­zu­führen, zu 10% auf die indi­vi­du­ellen Lebens­um­stände und zu 40% auf den eigenen Willen. Seligman lieferte damit die passende Theorie zur Legi­ti­ma­tion der meri­to­kra­ti­schen Idee: Du bist deines eigenes Glückes Schmied.

Sowohl die einzelnen Kate­go­rien als auch die jeweilig bemes­senen Werte sind in keinster Weise haltbar und wurden mitt­ler­weile viel­fach wider­legt. Trotz der Tatsache, dass diese „Glück­formel“ nach­weis­lich falsch ist, konnte sie großen Einfluss auf psycho­lo­gi­sche wie auch gesamt­ge­sell­schaft­liche Diskurse nehmen.[50] Zu erklären ist das unter anderem durch die aggres­sive Lobby­ar­beit multi­na­tio­naler Konzerne und konser­vativ-neoli­be­raler Stif­tungen. So wurde Selig­mans Forschung unter anderem von der John Temp­leton Foun­da­tion – gegründet durch John Temp­leton, einem US-ameri­ka­ni­schen Investor, Banker und Fund Manager[51] – und der Coca-Cola Company finan­ziert.[52]

Sowohl die Posi­tive Psycho­logie als auch die Geld­geber profi­tierten von ihrer Geschäfts­be­zie­hung. Durch enorme Finanz­mittel ausge­stattet, schaffte es die Posi­tive Psycho­logie, sich im öffent­li­chen Bewusst­sein fest­zu­setzen und Glück als ein mess­bares Konzept zu etablieren. Den multi­na­tio­nalen Konzernen und einer milli­ar­den­schweren Indus­trie wurde somit wiederum zu vermeint­lich wissen­schaft­li­cher Legi­ti­mität verholfen. Die vermark­tete Idee: „Jeder und jede Einzelne kann sein Leben neu erfinden und das Beste aus sich machen, wenn er oder sie nur positiv auf sich selbst und das eigene Umfeld blickt.“[53] Die Posi­tive Psycho­logie liefert damit den Unterbau zur meri­to­kra­ti­schen Idee: Die eigene Leis­tung ist entscheidend!

Die Lehre vom Indi­vi­duum oder der Versuch eines Zwischenfazits

In den vorhe­rigen Abschnitten habe ich nach­ge­zeichnet, warum Leis­tungs­druck, Konkur­renz­kampf, finan­zi­elle Sorgen, Versa­gens- und Zukunfts­ängste – die von vielen Studie­renden als Auslöser für ihre Depres­sion ange­geben werden – durch die Bedin­gungen, unter denen ein Studium abläuft, zu finden sind. Zudem wurde aufge­zeigt, dass diese Bedin­gungen syste­ma­tisch durch die vorherr­schende Wirt­schafts- und Gesell­schafts­ord­nung hervor­ge­bracht werden.

Im öffent­li­chen Diskurs wird dieser Zusam­men­hang gekonnt igno­riert. Die Verant­wor­tung (vor allem für eine mögliche Behand­lung) wird oft auf das einzelne Indi­vi­duum abge­wälzt und jegliche Frage nach gesell­schaft­li­chen Ursa­chen wird ausge­schlossen. Dabei ist sich die Forschung bis heute uneins, wie Depres­sionen entstehen. Es wird zwar seit knapp mehr als einem Jahr­hun­dert Ursa­chen­for­schung betrieben, aber noch immer fehlen verläss­liche Ergeb­nisse – vor allem, was die (neuro-)biologischen Ursa­chen einer Depres­sion angeht.

Schon 1980 wurde die soge­nannte Ätio­logie – die Lehre von den Ursa­chen für das Entstehen von Erkran­kungen – aus dem dama­ligen psych­ia­tri­schen Diagno­se­hand­buch gestri­chen. Aus einem einfa­chen Grund, so Stephan Schleim, Psycho­loge, Philo­soph und Professor für Geschichte und Theorie der Psycho­logie an der Univer­sität Groningen: „Weil man einräumen musste, dass man die Ursa­chen der psychi­schen Störungen nicht kannte; oder dass das Wissen hypo­the­tisch und umstritten war.“[54]

Obwohl sich daran bis heute kaum etwas geän­dert hat, gibt es immer wieder Stimmen, welche um die biolo­gi­schen Ursa­chen für Depres­sionen wissen wollen. So werden Depres­sionen oft über ein chemi­sches Ungleich­ge­wicht im neuro­nalen System oder eine gene­ti­sche Veran­la­gung erklärt.

Es gibt zwar psychi­sche Erkran­kungen – wie zum Beispiel Alzheimer –, bei denen tatsäch­liche Verän­de­rungen im Gehirn als Ursache zu deuten sind, für psychi­sche Erkran­kungen wie Depres­sionen gibt es jedoch keine eindeu­tigen neuro­bio­lo­gi­schen Anzei­chen. Zwar exis­tieren Studien, die auf markante Auffäl­lig­keiten hinweisen, dabei könnten diese aber auch als Auswir­kung der Depres­sion und nicht als deren Ursache zu verstehen sein. „Wenn ich auf einem MRT-Bild Hirn­ver­än­de­rungen sehe, heißt das nicht, dass diese die Ursache für eine psychi­sche Störung sind“, so Herta Flor, wissen­schaft­liche Direk­torin am Zentral­in­stitut für Seeli­sche Gesund­heit in Mann­heim.[55]

Daneben ist die Bedeu­tung psycho­so­zialer Faktoren mitt­ler­weile gut erforscht. So wurde viel­fach heraus­ge­stellt und bestä­tigt, dass einschnei­dende Lebens­er­eig­nisse wie der Tod einer nahe­ste­henden Person oder der Jobver­lust eine erheb­liche Auswir­kung auf die psychi­sche Verfasst­heit von Menschen nehmen.

Im Vergleich zu Auswir­kungen mögli­cher gene­ti­scher Dispo­si­tionen, stellt sich heraus, dass psycho­so­ziale Faktoren einen knapp viermal größeren Einfluss als gene­ti­sche Faktoren haben. Psychi­sche Erkran­kungen wie Depres­sionen alleinig oder haupt­säch­lich über die Genetik eines Menschen zu erklären, ist demnach mehr als umstritten.[56] Stephan Schleim stellt fest: „Allen­falls erklären diese [die Gene] kleine Unter­schiede zwischen den Menschen, die schlimme Dinge und viel Stress erleben. […] Mit anderen Worten: Es gibt keine Depres­sions- oder Schi­zo­phrenie-Gene, sondern nur eine leicht verän­derte gene­ti­sche Anfäl­lig­keit für die Störungen.“[57]

Aus der anhalten Suche nach mögli­chen Ursa­chen für Depres­sionen und den bis dato gene­rierten Erkennt­nissen aus dieser, haben sich mitt­ler­weile verschie­dene Erklä­rungs­mo­delle für Depres­sion ergeben. Ein gängiges Erklä­rungs­mo­dell ist das biopsy­cho­so­ziale Erklä­rungs­mo­dell für Depres­sionen. Hier nach erhöhen biolo­gi­sche, psycho­lo­gi­sche und soziale Faktoren die Vulnerabi­lität (Verletz­lich­keit) für die Entste­hung einer Depres­sion. Folgt man diesem Modell, dann wird eine Depres­sion erst durch das Zusam­men­treffen von mögli­chen Stres­soren wie anhal­tendem Stress und psycho­bio­lo­gi­scher Vulnerabi­lität ausge­löst.[58]

Nicht umsonst wird die Psycho­logie also auch als die Lehre vom Indi­vi­duum bezeichnet, denn sowohl das biopsy­cho­so­ziale Modell als auch alle weiteren haben eines gemein: Die struk­tu­relle, gesell­schaft­liche Rahmung wird komplett außer Acht gelassen.

Die Verant­wor­tung für Leis­tungs­druck, Konkur­renz­kampf, finan­zi­elle Sorgen Versa­gens­ängste und Zukunfts­ängste trägt damit der*die Einzelne. Zwar werden mögliche Stres­soren mitein­be­zogen – in Teilen sogar als Auslöser aner­kannt – doch die Ursäch­lich­keit dieser wird ausge­blendet. Statt struk­tu­relle Problem­lagen mitein­zu­be­ziehen, bleibt Betrof­fenen nichts anders übrig als ihre (mögliche) Veran­la­gung und die äußere Realität zu akzep­tieren, um somit einen persön­li­chen Umgang damit zu finden. Infol­ge­dessen werden Depres­sionen inter­na­li­siert und indi­vi­dua­li­siert und eine kollek­tive Verant­wor­tung für psychi­sche Erkran­kungen in Bezug auf Ursa­chen, Verständnis und Behand­lung verunmöglicht.

Die Poli­ti­sie­rung von Depres­sionen oder der Versuch eines Fazits

„I offer up my own expe­ri­ences of mental distress not because I think there’s anything special or unique about them, but in support of the claim that many forms of depres­sion are best unders­tood – and best combatted – through frames that are imper­sonal and poli­tical rather than indi­vi­dual and ‘psycho­lo­gical’.“[59] 

Die Ausein­an­der­set­zung mit der eigenen Depres­sion ist zunächst eine Ausein­an­der­set­zung darum, wie der eigene Leidens­druck redu­ziert und die eigene Hand­lungs­fä­hig­keit wieder­her­ge­stellt werden kann.[60] Im öffent­li­chen, wie im thera­peu­ti­schen Diskurs ist die Wieder­her­stel­lung und Siche­rung der eigenen Hand­lungs­fä­hig­keit zumeist an die Aner­ken­nung der Herr­schafts­ver­hält­nisse gekop­pelt. „Das geht – konkur­renz­be­zogen – meis­tens auf Kosten anderer, sodass meine Hand­lungs­fä­hig­keit zwar zunächst gesi­chert, gleich­zeitig aber auch unter­graben werden kann, da ich davon ausgehen muss, dass andere ihre Hand­lungs­fä­hig­keit auch auf meine Kosten ausbauen, wenn sie dazu die Möglich­keit haben.“[61]

Hier setzt meine Kritik an und plädiert dafür, dem Diskurs um Depres­sionen eine struk­tu­relle, gesamt­ge­sell­schaft­liche Ebene hinzu­zu­fügen. Mir geht es demnach nicht darum, die bestehenden psycho­lo­gi­schen Erkennt­nisse zu negieren, sondern diese zu erweitern.

Wenn wir psychi­sche Erkran­kungen in Bezug auf Ursa­chen, Verständnis und Behand­lung nur bezüg­lich ihrer indi­vi­du­ellen Ebene hin unter­su­chen, verkennen wir damit, dass wir als Indi­vi­duen in gesamt­ge­sell­schaft­liche Zusam­men­hänge einge­bettet sind, die auf uns wirken – auf die wir als Indi­vi­duen aber ebenso wirken (können).

Explizit zum Kontext eines Studiums bedeutet das: Wenn wir als Studie­rende erkennen, dass Stres­soren wie Leis­tungs­druck oder eigene Versa­gens­ängste in unserer Wirt­schafts- und Gesell­schafts­ord­nung ange­legt sind, dann bietet das eman­zi­pa­to­ri­sches wie thera­peu­ti­sches Poten­tial. Das Einbe­ziehen einer struk­tu­rellen Kompo­nente ermög­licht es eine gewisse Distanz zu benannten Stres­soren zu entwi­ckeln und sie nicht aus eigener Schwäche und/oder Wert­lo­sig­keit zu erklären. Aus dieser Erkenntnis heraus lässt sich ein kollek­tives Bewusst­sein für proble­ma­ti­sche Zustände und deren mögliche Verbes­se­rung entwickeln.

Ich hoffe dieser Text konnte einen Teil dazu beitragen.

 

 

Endnoten

[1] Vgl. tages­schau (2022): WHO-Bericht. Mehr psychi­sche Krank­heiten durch Corona. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/who-corona-anstieg-psychische-krankheiten-101.html. (Abfrage: 10.02.2023).

[2] Vgl. Deut­sche Gesell­schaft für Psycho­so­ma­ti­sche Medizin und Ärzt­liche Psycho­the­rapie e.V. (2021): Auswir­kungen der Pandemie: Studie­rende leiden stark unter Einsam­keit und Depres­sion. https://www.dgpm.de/de/presse/presse-informationen/presse-information/auswirkungen-der-pandemie-studierende-leiden-stark-unter-einsamkeit-und-depression/. (Abfrage: 09.02.2023).

[3] Anzahl Studie­rende: Vgl. Statista (2023): Anzahl der Studie­renden an Hoch­schulen in Deutsch­land in den Winter­se­mes­tern von 2002/2003 bis 2022/2023. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/221/umfrage/anzahl-der-studenten-an-deutschen-hochschulen/. (Abfrage: 07.02.2023). (Abfrage: 07.02.203).

Anzahl Hoch­schulen: Vgl. Statista (2022): Anzahl der Hoch­schulen in Deutsch­land in den Winter­se­mes­tern 2016/2017 bis 2021/2022. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/247238/umfrage/hochschulen-in-deutschland-nach-hochschulart/. (Abfrage: 07.02.2023).

[4] Vgl. Wiki­pedia: Depres­sion. https://de.wikipedia.org/wiki/Depression#cite_note-DGPPN-14. (Abfrage: 06.02.2023).

[5] Vgl. Gelitz, Chris­tiane (2021): Eine neue Ordnung für psychi­sche Störungen. In: Spek­trum: https://www.spektrum.de/news/eine-neue-ordnung-fuer-psychische-stoerungen/1923280. (Abfrage: 03.02.2023).

[6] Vgl. Stif­tung Deut­sche Depres­si­ons­hilfe und Suid­zid­prä­ven­tion: Daignose der Depres­sion. https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/was-ist-eine-depression/diagnose-der-depression. (Abfrage: 02.02.2023).

[7] Duden: kompri­miert. https://www.duden.de/rechtschreibung/komprimiert. (Abfrage: 29.01.2023).

[8] Duden: Synonyme zu kompri­miert. https://www.duden.de/synonyme/komprimiert. (Abfrage: 29.01.2023).

[9] Vgl. Hoch­schul­in­itia­tive Deutsch­land (2021): Depres­sion im Studium: Was sind die Warn­si­gnale & wie kann ich Hilfe bekommen?. https://hochschulinitiative-deutschland.de/blog/depression-im-studium. (Abfrage: 04.02.2023).

[10] Simon, Johannes (2019): Jung und depressiv. Viele Studie­rende kämpfen mit psychi­schen Erkran­kungen. Druck, Zweifel und Zukunfts­angst tragen dazu bei. In: der Freitag: https://www.freitag.de/autoren/josimon/jung-und-depressiv. (Abfrage: 06.02.2023).

[11] Vgl. Baumann, Moritz (2022): Corona und Psyche im Studium. In: zdf heute: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-studierende-psyche-belastung-universitaet-100.html. (Abfrage: 06.02.2023).

[12] Vgl. Redak­ti­ons­netz­werk­Netz­werk Deutch­land (2020): Studenten in der Corona-Krise: Bei Depres­sionen „nicht zögern, sich Hilfe suchen“. https://www.rnd.de/gesundheit/studenten-in-der-corona-krise-bei-depressionen-nicht-zogern-sich-hilfe-zu-suchen-B7E27XSH66BMCSPC2O5X2JL4C4.html. (Abfrage: 05.02.2023).

[13] Vgl. Baumann 2022

[14] Deut­sche Gesell­schaft für Psycho­so­ma­ti­sche Medizin und Ärzt­liche Psycho­the­rapie e.V. 2021

[15] Vgl. Baumann 2022

[16] Simon 2019

[17] Breuer, Inge­borg (2014): Unser opti­miertes Leben. In: Deutsch­land­funk:  https://www.deutschlandfunk.de/soziologie-unser-optimiertes-leben-100.html. (Abfrage: 09.02.2023).

[18] Vgl. Deutsch­land­funk Kultur (2022): „Wir leben in einer Zeit morbider Symptome“. https://www.deutschlandfunkkultur.de/nancy-fraser-kapitalismus-arbeit-ausbeutung-100.html. (Abfrage 09.02.2023).

[19] Vgl. Cabanas, Edgar/Illouz, Eva (2021): Das Glücks­diktat, 2. Auflage. Berlin: Suhr­kamp Verlag. 65.

[20] Der Begriff der Reform ist irre­füh­rend, da es sich bei der Bologna-Dekla­ra­tion nicht um völker­recht­lich bindende Verträge handelt. Viel eher ist sie als nicht-bindende poli­ti­sche Willens­er­klä­rung zu verstehen. Dieser Tatbe­stand darf nicht darüber hinweg­täu­schen, dass sich die euro­päi­schen Mitglieds­staaten einem enormen Druck ausge­setzt sahen, die Bologna-Dekla­ra­tion umzu­setzen. Eine ausführ­liche Analyse dazu bei:

Pongratz, Ludwig (2019): Falsche Fährten. Illu­sionen der Bildungs­re­form. Darm­stadt: tuprints.

[21] Vgl. Samol, Peter (2022): Bildung in Zeiten des Neoli­be­ra­lismus. In: neues deutsch­land: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163710.neoliberale-bildungspolitik-bildung-in-zeiten-des-neoliberalismus.html. (Abfrage: 08.02.2023).

[22] Vgl. Schna­cken­burg, Alexander/Borchert, Anna-Lena (2022): Die ewige Reform: Bremer Forscher zu 20 Jahren Bachelor und Master. In: https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/bologna-bachelor-master-reform-bremen-100.html. (Abfrage: 07.02.2023).

[23] Vgl. Süddeut­sche Zeitung (2017): Was steckt hinter dem Bologna-Prozess. https://www.sueddeutsche.de/bildung/hochschulreformen-was-steckt-hinter-dem-bologna-prozess‑1.1373781. (Abfrage: 08.02.2023).

[24] Preglau, Max (2009): „Bologna“ in Theorie und Praxis − ein euro­päi­sches Projekt im Lichte lokaler Erfah­rungen an der LFU Inns­bruck. In: Keller­mann, Paul/­Meyer-Renschhausen, Manfred Boni Elisa­beth (Hrsg.): Zur Kritik euro­päi­scher Hoch­schul­po­litik. Forschung und Lehre unter Kuratel betriebs­wirt­schaft­li­cher Denk­muster. Wies­baden: VS Verlag für Sozi­al­wis­sen­schaften. 173–188. Hier: 176.

[25] Ebd.: 176f.

[26] Ebd.: 174.

[27] Vgl. Ebd.

[28] Schna­cken­burg, Alexander/Borchert, Anna-Lena 2022

[29] Bundes­mi­nis­te­rium der Justiz: Bundes­ge­setz über indi­vi­du­elle Förde­rung der Ausbil­dung (Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setz — BAföG) § 15 Förde­rungs­dauer. https://www.gesetze-im-internet.de/baf_g/__15.html. (Abfrage: 10.02.2023).

[30] Vgl. Bolle, Wiebke (2020): Schafft die Regel­stu­di­en­zeit ab!. In: Spiegel: https://www.spiegel.de/start/regelstudienzeit-warum-sie-die-soziale-ungleichheit-zwischen-studierenden-verstaerkt-a-2168fea4-c76d-44a0-bcd9-406d5dbb2d53. (Abfrage: 07.02.2023).

[31] Vgl. Deut­sches Studen­ten­werk: Länder­re­ge­lungen bei Lang­zeit­stu­di­en­ge­bühren. https://www.studentenwerke.de/de/content/l%C3%A4nderregelungen-bei-langzeit. (Abfrage: 10.02.2023).

[32] Samol 2022

[33] Vgl. Zeit Campus: Studi­en­an­fänger. So geht der Bachelor. Seite3/7: Was sind Credit Points?. https://www.zeit.de/studium/studienfuehrer-2010/studium-bachelor-leitfaden/seite‑3. (Abfrage: 09.02.2023).

[34] Vgl. studieren.de: Geld im Studium. https://studieren.de/studenten-und-geld.0.html. (Abfrage: 09.02.2023).

[35] Vgl. Burch­hard, Amory (2019): Kritik an der Bafög-Reform. Experten warnen vor der Krise der Studi­en­fi­nan­zie­rung. In: Tages­spiegel: https://www.tagesspiegel.de/wissen/experten-warnen-vor-krise-der-studienfinanzierung-5036683.html. (Abfrage: 10.02.2023).

[36] Vgl. Midden­dorff et al. (2017): Die wirt­schaft­liche und soziale Lage der Studie­renden in Deutsch­land 2016. 21. Sozi­al­erhe­bung des Deut­schen Studen­ten­werks – durch­ge­führt vom Deut­schen Zentrum für Hoch­schul- und Wissen­schafts­for­schung. Berlin: Bundes­mi­nis­te­rium für Bildung und Forschung (BMBF).

[37] Vgl. bafoe­ga­ku­tell (2021): BAföG Förde­rungs­arten – Zuschuss, Darlehen, Voll­zu­schuss. https://www.bafoeg-aktuell.de/bafoeg-foerderungsarten/. (Abfrage: 09.02.2023).

[38] Vgl. Midden­dorf et al. 2017.

[39] tages­schau (2022b): Viele Studie­rende armuts­ge­fährdet. https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/studierende-armutsgefaehrdet-101.html. (Abfrage: 09.02.2023).

[40] Vgl. Zeit Campus (2022): Fast ein Drittel der Studie­renden lebt in Armut. https://www.zeit.de/campus/2022–05/studierende-armut-paritaetischer-wohlfahrtsverband. (Abfrage: 10.02.2023).

[41] Kücük­vardar, Sinan (2022): Geld­sorgen im Studium. https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/geldsorgen-im-studium-45-prozent-der-bafoeg-bezieher-leben-in-armut-18158542.html. (Abfrage: 10.02.2023).

[42] Vgl. tages­schau 2022b.

[43] Vgl. Zeit Campus 2022.

[44] Balzer, Lea Marlen (2023) Armut im Studium. In: Deutsch­land­funk Nova: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/armut-im-studium-ich-weiss-nicht-wie-ich-von-tag-zu-tag-ueberleben-soll. (Abfrage: 10.02.2023).

[45] Vgl. Leuphana Univer­sität Lüne­burg (2022): Studieren mit psychi­schen Erkran­kungen. https://www.leuphana.de/einrichtungen/gleichstellung/angebote-und-informationen/studium-und-beeintraechtigung/studieren-mit-psychischen-erkrankungen.html. (Abfrage: 09.02.2023).

[46] Vgl. Deut­sches Studen­ten­werk: BAföG: Nach­teils­aus­gleiche für beein­träch­tigte Studie­rende. https://www.studentenwerke.de/de/content/baf%C3%B6g-nachteilsausgleiche‑f%C3%BCr-beeintr%C3%A4chtigte-studierende. (Abfrage: 09.02.2023).

[47] Fisher, Mark (2014): Good For Nothing. In: the occu­pied times: https://theoccupiedtimes.org/?p=12841. (Abfrage: 06.02.2023).

[48] Vgl. Cabanas/Illouz 2021: 12.

[49] Vgl. Ebd.: 15.

[50] Vgl. Schreiber, Juliane Marie (2022): Ich möchte lieber nicht. 5. Auflage. München: Piper Verlag. 51f.

[51] Vgl. Wiki­pedia: John Temp­leton. https://en.wikipedia.org/wiki/John_Templeton. (Abfrage: 10.02.2023).

[52] Vgl. Schreiber 2022: 53.

[53] Cabanas/Illouz 2021: 16.

[54] Schleim, Stephan (2017): Was sind Ursa­chen von Depres­sionen. In: Spektrum.de SciLogs: https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/was-sind-ursachen-von-depressionen/. (Abfrage: 11.02.2023).

[55] Wolf, Chris­tian (2018): Ist das Gehirn krank, wenn die Seele leidet?. In: Spektrum.de: https://www.spektrum.de/news/ist-das-gehirn-krank-wenn-die-seele-leidet/1589932. (Abfrage: 11.02.2023).

[56] Vgl. Schleim 2017

[57] Ebd.

[58] Vgl. Risch et al. (2012): Kogni­tive Erhal­tungs­the­rapie bei rezi­di­vie­render Depres­sion. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag Berlin Heidel­berg. 10f.

[59] Fisher 2014

[60] Hand­lungs­fä­hig­keit meint hier erstmal die Befä­hi­gung zur allge­meinen Lebens­füh­rung, ist in einer neoli­be­ralen Gesell­schaft aber zumeist auch an einen Begriff der Produk­ti­vität und/oder Arbeits­leis­tung geknüpft. Dahin­ge­hend kann der Zweck von Psycho­the­rapie zur Wieder­her­stel­lung der Hand­lungs­fä­hig­keit als solcher grund­le­gend kriti­siert werden. Eine ausführ­liche Analyse sprengt an dieser Stelle jedoch den Rahmen und ist auch nicht maßgeb­lich für den hier postu­lierten Kritik­punkt. Nur so viel: Ich teile viele Punkte einer Analyse, die Psycho­the­rapie als neoli­be­rales Instru­ment zur Wieder­ein­glie­de­rung in Verwer­tungs­lo­giken ausweist – dennoch lehne ich diese nicht ab (ich bin selbst in Behand­lung), sondern halte sie für reformbedürftig.

[61] Knebel, Leonie (2017): Muss Psycho­the­rapie poli­tisch werden? Nein, aber…. In: Deut­sche Gesell­schaft für Verhal­tens­the­rapie e.V.: https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=4988&cHash=9b3269fe7c10a532ad6c458ee9b474ff. (Abfrage: 11.02.2023).

 

 

Ein Beitrag von Tilman Rasmus Busch, veröf­fent­licht am 20. April 2023

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