Welche Bedeutung hat der bei Studierenden beliebte Ort in der Stadtgeschichte?
Die Steingrube trägt ihren Namen, weil sie einmal als Steinbruch genutzt, später dann aber zugeschüttet wurde. In städtischen Urkunden wurde sie erstmals 1324 erwähnt.
Im Mittelalter wurde die Steingrube als öffentliche Hinrichtungsstätte genutzt. Dort mussten auch etwa zehn als „Hexen“ verfolgte FLINTA, Männer und Kinder sterben. Insgesamt wurden in Hildesheim etwa 25 Personen in sogenannten Hexenprozessen zum Tode verurteilt. Bis heute hat weder die Stadt Hildesheim noch die Hildesheimer Kirche diese Personen rehabilitiert.
1876 wurde aus Mitteln der Reparationszahlungen, welche Frankreich aufgrund seiner Niederlage im Deutsch-Französischen-Krieg zahlen musste, die Steingrubenkaserne errichtet. Die Fläche der heutigen Steingrube diente als Exerzierplatz für die Soldaten des III. Hannoverschen Infanterieregiments Nr. 79. Im März 1945 wurde die Kaserne als einzige in Hildesheim in einem Luftangriff zerstört. Zu diesem Zeitpunkt war der Platz nach dem NSDAP-Funktionär Karl Dincklage benannt. Nach dem Krieg wurde auf dem Kasernen-Gelände das Scharnhorstgymnasium erbaut.
Auf Mapping the Lives kann man nachsehen, welche Personen bis zu ihrer Deportation durch dir Nazis an der Steingrube wohnten: Das war beispielsweise Paula Wolff, welche am Karl-Dincklage-Platz 29 wohnte und am 23.07.1942 ins Ghetto deportiert wurden.
Im Oktober 2014 wurden anlässlich des 25. Jahrestages der sogenannten deutschen „Wiedervereinigung“ in der Steingrube drei Bäume als Zeichen für der Deutschlands Einheit gepflanzt:
Drei Bäume – eine Buche für den Westen, eine Kiefer für den Osten und eine Eiche für das wiedervereinigte Deutschland – sind in Form eines gleichseitigen Dreiecks gepflanzt. Von oben betrachtet soll dies die Form eines Daches darstellen, ein Dach Deutschland, das alle BürgerInnen dieses Landes beschützt. Das Wachsen der Bäume und der Kronen soll darüber hinaus Wachstum, Aufschwung, Wandel und das Zusammenwachsen des ehemals geteilten Landes dokumentieren, so die Stadt Hildesheim.
Wo diese drei Bäume 2021 hin verschwunden sind, ist unklar. Ich habe sie nicht finden können.
So hoffe ich darauf, dass eines Tages die Stadt Hildesheim schafft, eine Gedenkkultur zu initiieren, welche denen gerecht wird, die hier zu Schaden gekommen sind und worin Platz ist für eine wirkliche Auseinandersetzung damit, wem diese Gesellschaft ein schützendes Dach bietet und bieten möchte.
Text und Collagen: Judith Rinklebe
Quellen
https://www.hildesheimer-geschichte.de/recht-und-gesetz/hexen-in-hildesheim/
https://www.hildesheim.de/stadtarchiv/strassennamen/alphabetische-liste/steingrube.html
https://moltkestrasse89.de/Historisches/