So I’ll stand and fight
"Ich stelle mir vor, dass wir transparent werden."
Drinnen wärmt sich eine Gruppe von jungen Menschen auf, sie scheinen sich gut zu kennen. Das merken wir sofort, aber vor allem auch in den nächsten eineinhalb Stunden, die wir sie begleiten, mit offenen Ohren und eingeschaltetem Aufnahmegerät. Wir befinden uns im Projekt „So I’ll stand and fight“, in einem Projekt, in dem es um vieles geht, dass wir es so schnell gar nicht greifen können, denn was behandelt wird und was nicht, in welcher Form auch immer, ist umfassend. Heute soll es darum gehen, in einer Improvisation den Gedanken freien Lauf zu lassen. Vorstellungen, Ideen und Wünsche für die abschließende Performance zum Semesterende sollen gesammelt, laut ausgesprochen, weitergedacht werden. Derzeitiges Ziel: nicht entscheiden zu müssen, was realistisch ist und was nicht – sondern das zu denken, was in den Sinn kommt. Die Atmosphäre: vertraut, wohlwollend, offen, energetisch.
Dann: Stille. Eine schöne Stille.
Die Stimmen hallen nach. Von draußen von der großen Straße dröhnt Autolärm, ein gedämpftes Hupen in der Ferne, etwas abgepolstert wie durch Wattewolken durch die Fenster.
Draußen, da ist die Realität. Drinnen, da sind wir.
Die Gedanken erzählen Geschichten.
Von Schwarzlicht,
Tomatenwürfen auf sexistische Plakate,
Bloody Mary,
Inline-Skates und Fantasie-Namen,
Schulhöfen,
Getränkegutscheinen,
queeren Partybands, Awareness-Teams, Genderperformance.
wild gestikulierende Hände in der Luft über dem Körper schwebend,
und ruhige Hände auf dem Bauch, und immer wieder Stille zum Gedankensortieren und -weiterspinnen. Es sind viele Vorstellungen, die unsere Ohren erreichen, viele Ideen, was alles möglich ist, mal real, mal fiktiv, mal abstrus, mal verstörend, mal schmunzelnd, aber vor allem ist da immer wieder diese Grenzenlosigkeit, die uns in den Bann zieht, die uns die Ohren spitzen lässt.
Wir wagen
kaum uns zu bewegen, sondern sitzen irgendwann nur still daneben und lauschen dieser Gedanken- und Ideenfabrik. Ein Topf an Wünschen und Anregungen, die in nächster Zeit ausgewertet werden sollen, um konkretere Konzepte entwickeln zu können, den ganzen Gedankenspielen eine Form geben können, eine Form für eine Performance.
Die Stimmen erzählen von Abendkleidern, vom Hauptcampus, Live-Übertragungen und 48h-Live-Performances.
Denn Zeit ist da.
Raum auch.
Raum für Gedanken. Und Wünsche und Fragen.
Raum für Schreie, für Ausrufe, für kritische Auseinandersetzung.
Ein Fingertrommeln auf der Brust.
Ein feines, penetrantes Surren eines Lautsprechers im Raum.
Autolärm hinter der Doppelverglasung.
Ein Husten.
Ein Lachen.
Ein Seufzen.
Die Gruppe performt, inszeniert, spielt Gedankenspiele, wie sie da so auf dem Boden liegen. Lässt Gedankenschlösser entstehen und greift damit in den Himmel, liegt dabei ruhig auf dem Boden der Tatsachen. Performance, Kreisverkehre, Megafone – hier passt erst einmal alles und nichts zusammen, und das ist auch gut so. Es wird
nach-gedacht, laut-gedacht, weiter-gedacht.
Es werden Bikini-Oberteile für Männer im Schwimmbad verteilt. Gedanklich.
Am Ende: schließt sich der Kreis, die eingangs erdachte Punkband, spielt jetzt „Eye of The Tiger“.