Skaten für Anfänger*innen
Normalerweise radelten wir aus der Stadt am Hohnsen entlang und bogen bei Ochtersum links auf den Radweg ab, der uns jede Woche zur Domäne führte. Noch ahnten wir nicht, dass wir bald mit unseren Boards unter dem Arm die gleiche Strecke fahren und nur etwas weiter hinten rechts abbiegen würden — zum Skatepark, dem neuen Dreh- und Angelpunkt unserer sportlichen wie auch sozialen Aktivitäten.
Nur knapp zehn Fahrradminuten von der Domäne entfernt, eröffnete sich uns östlich der Innersten eine völlig neue Welt. Auf den ersten Blick ist es ein vielleicht trist anmutender grauer Platz umgeben von Fußballfeldern, akustisch untermalt durch das Knallen der Bretter, die auf den Beton schlagen. Er wird allerdings bespielt von einer bunten Gemeinschaft aus Skater*innen, welche abseits des Platzes teilweise völlig diverse Leben führen – eine völlig neue Bubble.
Doch noch vor vier Wochen konnten wir noch kein einziges Gesicht auf dem Skateplatz einem Namen zuorden, wussten nicht was "Shredder" bedeutet und gaben auch die obligatorischen Faustchecks zur Begrüßung nicht intuitiv.
Alles begann vor knapp zwei Monaten, noch mitten in den kalten pandemie-geprägten Semesterferien: Inspiriert durch ein paar skatende Freund*innen liehen wir uns Boards aus, um "einfach mal zu probieren". Erst fuhren wir auf dem Volksbankparkplatz hin- und her, trauten uns dann auf die ersten Huckel an der Steingrube und irgendwann zum Skatepark. Erst wirkte dieser einschüchternd auf uns: die "Mini"-Halfpipe, die auf uns keinesfalls mini wirkte, die alteingesessenen Skater*innen, die so grazil die Rampen hoch und runterrollten, als würde das Board ihren Füßen kleben. Bald wurden uns aber auch von ihnen Tricks gezeigt und wir erlangten langsam Einblick in diese Skateplatz-Bubble, welche eigentlich doch nur aus aufgeschlossenen Menschen mit einer gemeinsamen Leidenschaft für Bretter mit Rollen dran besteht.
Am Ende hätten wir nicht geglaubt, dass die Skateboards unter unseren Füßen uns hin zu einem neuen Lifestyle tragen würden, der manchmal bedeutet bis nach Sonnenuntergang mit einem Bier in der Hand am Skateplatz zu sitzen. Nicht umsonst wird Skaten oft nicht nur als Sport, sondern als eigene Kultur beschrieben.
Falls ihr nun Lust bekommen habt, den Online-Uni-Alltag durch ein paar Stunden auf dem Board aufzufrischen, hier ein paar Tipps, Tricks und Hintergründe zum Skaten, von Anfängerinnen für Anfänger*innen.
Tipps und Tricks
Der Ort
Bevor man einen Kickflip oder einen Olli probiert, sollte man zuerst mit den Basics beginnen (https://www.youtube.com/watch?v=KTJnEIipufg). Ein Skatepark kann zunächst sehr chaotisch und einschüchternd wirken und es ist nicht unbedingt der ideale Ort, um sicher auf dem eigenen Skateboard zu werden. Also bietet es sich erstmal an, es überall mithinzunehmen und darauf durch die Stadt zu cruisen. Je mehr man sich damit anfreundet und es sich immer weniger wie ein Fremdkörper anfühlt, desto mehr wird man seinen daran Spaß daran finden. Orte, die sich dafür anbieten, sind in Hildesheim die Steingrube oder der Parkplatz an der Volksbank.
Kopfsache
Überraschenderweise hängt das Skaten weniger von körperlichen Konditionen, dem perfekten Board oder dem informativsten Youtube-Video ab, sondern viel mehr von der eigenen Psyche. Skaten ist Kopfsache, könnte man sagen. Um einen Trick zu meistern, Rampen hinunter zu preschen oder einen „Drop in“ zu wagen, muss man absolut fokussiert sein, die eigenen Gedanken ausstellen. Es geht um eine Art Hypnose, die zwar viel mit Mut und Disziplin zu tun hat, doch vor allem den Glauben in sich selbst priorisiert.
Flucht aus dem Alltag
In gewisser Weise lässt es sich gut mit dieser Übung zu vergleichen, bei welcher man sich nach hinten fallen lässt, um von einer anderen Person aufgefangen zu werden. Doch statt das Vertrauen zum anderen zu erproben, geht es hier nun einzig und allein um das eigene Selbstvertrauen.
Es ist also nicht allzu verwunderlich, dass viele Menschen skaten, um dem Alltag zu entfliehen und die Gedanken für ein paar Stunden auszuschalten. Am Ende geht es auch gar nicht anders. Zweifelt man, wird man fallen, tut man es nicht, wird man vielleicht auch fallen, aber die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass einem tatsächlich etwas gelingen wird.
Hinfallen und Aufstehen
Hinfallen gehört beim Skaten genauso dazu wie auf dem eigenen Board zu stehen. Man schürft sich die Knie auf, prellt sich die Rippen, ziert die eigene Haut mit grünen, roten, blauen und lila Flecken. Es gibt allerdings auch viele Wege, sich zu schützen. Es mag vielleicht gegen die rebellische Natur des Skatens sein, aber man wird von niemandem schräg angeguckt, wenn man zum Beispiel einen Helm trägt. Es ist ebenfalls gut, richtig fallen zu lernen, sich besser abzufangen und vor allem dabei den Kopf zu schützen. Mit Gehirnerschütterungen und Brüchen ist nicht zu spaßen und kann einem viel viel mehr kosten als „uncool“ auszusehen.
Trotzdem wird das Fallen unvermeidbar sein, egal welche Vorkehrungen man treffen mag. Doch liegt dahinter auch die makabre Schönheit vom Skaten. Sich zu verletzten schweißt zusammen und dann wieder aufzustehen und es noch einmal zu versuchen, umso mehr.
Als Frau auf dem Skateplatz
Auch wenn es seit den letzten Jahren immer üblicher wird, dass auch Frauen skaten, kann es schon manchmal sein, dass man das einzige weibliche Wesen auf dem Skatepark ist. Das kann zunächst sehr einschüchternd sein, doch darf man sich davon auf keinen Fall abhalten lassen. Statt komisch angeguckt zu werden, wird man von allen Seiten viel Unterstützung erhalten. Es kommt oft vor, dass alt eingesessenen Skater*innen einem erzählen, wie gut sie es finden, dass Skaten nun nicht mehr nur „Jungensache“ ist. Vor allem bei den jüngeren Generationen kann man ein immer gemischteres Verhältnis beobachten.
Skaten hat etwas Empowerndes, vor allem für Frauen: Man testet die eigene Stärke, den eigenen Mut, die eigene Schmerzenzgrenze. Statt sich von dem männlichen Protagonisten retten zu lassen, muss man nun auf sich selbst vertrauen und erkennen, dass man mehr aushalten kann als vielleicht zuvor gedacht.
Die Community
Skater*innen sind wohl der inklusivste Schlag Mensch auf den man treffen kann. Auf dem Skatepark besteht ein wilder Mix aus den verschiedensten Hintergründen, Altern und Geschlechtern. Es geht nicht einmal darum, wer besser ist, das einzige was eine Rolle spielt, ist die geteilte Liebe fürs Skaten. Es mag vielleicht so scheinen, als würde es sich um einen solitären Sport handeln, doch ist hier die Gemeinschaft und der Zusammenhalt mindestens genauso wichtig wie das Erlernen von neuen Tricks. Man jubelt sich gegenseitig zu, sorgt sich wenn jemand hinfällt und bietet sich gegenseitig Unterstützung an.
Solange man freundlich ist, Rücksicht nimmt und sich fürs Skaten interessiert, kann man nicht viel falsch machen.
Im Internet kann man viel Unterstützung finden und neue Tricks lernen. Hier ein paar Videos:
www.youtube.com/watch?v=QkeOAcj8Y5k&t=389s/
How to Shove It the EASIEST Way on a Skateboard Tutorial — YouTube
www.youtube.com/watch?v=p3NXd3DhH08/
www.youtube.com/watch?v=Vn4rbFP0PLQ/
www.youtube.com/watch?v=SNu_qXuNnQc/
www.youtube.com/watch?v=9YsPiJLRFpQ/
Filme wie „Skatekitchen“ oder „MID90is“ sind ebenfalls sehr zu empfehlen:
www.youtube.com/watch?v=iT1izrIxoos/
www.youtube.com/watch?v=9YsPiJLRFpQ/
Aller Anfang ist hart. Man wird fallen, frustriert sein, sich ein wenig lächerlich machen und wahrscheinlich sogar als Poser*in abgestempelt werden. Doch bleibt man bei der Sache, übt, übt, übt, dann werden die Erfolgsmomente langsam eintrudeln. Vor allem in Zeiten von Corona ist es großartig, endlich mal auf die altvertrauten Spaziergänge durch Hildesheim zu verzichten und sich stattdessen zum Skatepark zu begeben. Die Fähigkeiten, die man dabei erlernen wird, werden nicht nur äußerlich sein, sondern vor allem auch innerlich. Bald stellt man fest, wie das eigene Selbstvertrauen wächst, wie man resistenter und auch mutiger wird.
Clara Schöharting und Isabell Zehnder
Fotos: Isabell Zehnder