Der Fachbereich „Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation“ startet in das Projektsemester: 350 Studentinnen und Studenten der Universität Hildesheim erforschen mit künstlerischen Mitteln die kulturellen, politischen und sozialen Auf- und Umbrüche von 1968. 50 Jahre danach untersucht das Projektsemester der kulturwissenschaftlichen Studiengänge der Universität Hildesheim die kulturellen, politischen und sozialen Auf- und Umbrüche von 1968. 350 Studierende erforschen dabei, wodurch ihre Großeltern und Eltern bewegt wurden und was sie selbst in Bewegung gesetzt haben. Von Adorno bis zum Sexkino, von Woodstock bis zur Ökobewegung fragen sie in 25 künstlerischen und wissenschaftlichen Projekten nach den Widersprüchen und der aktuellen Relevanz des Phänomens 1968. „Uns interessiert nicht der nostalgische Rückblick“, so Professor Jens Roselt, Dekan auf dem Kulturcampus Domäne Marienburg, „sondern die Aufmerksamkeit für Veränderungsprozesse, welche unsere Gegenwart nachhaltig geprägt haben.“ Die Ergebnisse in den Bereichen Literatur, Theater, Medien, Kunst, Musik, Philosophie und der Populären Kultur werden in einer öffentlichen Präsentationsphase vom 4. bis zum 8. Juli 2018 in Hildesheim gezeigt.
Kontakt:
Bei Fragen zum Projektsemester ist der Theaterwissenschaftler und Dekan des kulturwissenschaftlichen Fachbereichs, Prof. Dr Jens Roselt erreichbar unter roselt@uni-hildesheim.de.
Kurz erklärt:
Künstlerisch-praktisches Projektsemester an der Universität Hildesheim Das Hildesheimer Projektsemester findet 2018 zum elften Mal statt. Studentinnen und Studenten des Fachbereichs „Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation“ lassen sich über mehrere Monate auf künstlerische Prozesse jenseits der üblichen 90-Miuten Taktung der Lehrveranstaltungen ein. Sie arbeiten in interdisziplinären Projektgruppen in den Bereichen Theater, Literatur, Medien, Film, Philosophie, Musik und bildende Kunst. Der Kulturcampus Domäne Marienburg und die Stadt Hildesheim werden dabei für einen Sommer zu einem künstlerischen Produktionsort für Theater, Medien, Film, Kunst und Philosophie. Die Studiengänge Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis, Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus, Szenische Künste und Philosophie-Künste- Medien zeichnen sich durch die Verbindung von künstlerischer Praxis und wissenschaftlicher Arbeit aus. Seit 1992 findet alle zwei Jahre das fachübergreifende Projektsemester mit einem bestimmten thematischen Schwerpunkt statt. Die Projekte bieten unter anderem die Chance, Konzepte des Inszenierens, Kuratierens, der Vermittlung und des Kulturmanagements unter realen Bedingungen zu erproben. Neben dem Projektsemester produzieren die Hildesheimer Studiengänge zudem das europäische Theater- und Performancefestival „transeuropa“ sowie das größte Festival junger Literatur in Deutschland „Prosanova“.
PROJEKTE
[cl-ib image=“987461122″ title=“1968 (2018)“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Stefan Krankenhagen und Mats Staub“ link=“url:%23neunzehn“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17″ desc_mobile_size=“13″]
[cl-ib image=“987461111″ title=“Konfrontationen – das Jahr 1968 und die ungeschnittene Einstellung“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Martin Jehle“ link=“url:%23konfrontation“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ title_size=“23px“ title_mobile_size=“11px“ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461112″ title=“Spiel mir das Lied von Tod“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Martin Dege, Professor Dr. Thomas Lange“ link=“url:%23tod“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461102″ title=“Die 1968. Dimension“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Elena Groß, Maximiliane Spieß, Professor Dr. Simon Roloff“ link=“url:%23dimension“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461100″ title=“unter dem pflaster liegt der strand“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Julia Kerk, Ekaterina Sophia Trachsel“ link=“url:%23pflaster“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461109″ title=“Fluxus-History: Kunst – Musik – Live-Elektronik“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Dr. Alan Fabian, Sara Stehr“ link=“url:%23fluxus“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461101″ title=“68er BEWEGUNG – choreografierte Politik // politische Choreografie“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Professorin Dr. Annemarie Matzke “ link=“url:%23politische_choreografie“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461110″ title=“Weibliche Sexualität“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Dr. Katrin Wille, Dr. Heidi Salaverria“ link=“url:%23sexualit%C3%A4t“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461208″ title=“All together now! Kollaborative Formate für ein Musikfestival entwickeln“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Johannes Ismaiel-Wendt & Matthias Müller “ link=“url:%23together“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ title_size=“23px“ title_mobile_size=“11px“ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461292″ title=“1968 und das Begehren nach der Gruppe – eine Soundperformance // the longing for group activities in the aftermath of 1968“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Dr. Jochen Bonz“ link=“url:%23begehren“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ title_size=“23px“ title_mobile_size=“11px“ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461104″ title=“SEXKINO // SEX THEATER“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Jan Künemund, Dr. Eike Wittrock“ link=“url:%23sexkino2″ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461107″ title=“ Wer bist Du? Der Therapie- und Meditationsboom der 68er“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Rolf Elberfeld“ link=“url:%23werbistdu“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461955″ title=“Freie Musik! Radikal und widerständig“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Dr. Ulrich Wegner/Frank Paul Schubert“ link=“url:%23free“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461291″ title=“Sampling 68: Alte Lieder vom neuen Menschen“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Matthias Rebstock“ link=“url:%23sampling“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461254″ title=“So I’ll stand and fight.“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Laura Kallenbach, Professorin Dr. phil Geesche Wartemann“ link=“url:%23fight“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461457″ title=“POP“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Karl Möllers, Jan Schönfelder“ link=“url:%23pop“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461519″ title=“Wahrheit ist Arbeit. Politisches schreiben“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Dr. Guido Graf, Annette Pehnt“ link=“url:%23wahrheit“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461366″ title=“Bewegungen“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Luzi Groß, Dr. Torsten Scheid“ link=“url:%23bewegungen“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987463765″ title=“Frauenvolksversammlung: Athen, Bremen, Hildesheim“ desc=“ Projekt(beg-)leitung: Dr. Martina Groß, Professor Dr. Jens Roselt“ link=“url:%23frauen“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461253″ title=“Woodstock, Vietnam“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Tim Staffel“ link=“url:%23woodstock“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987463772″ title=“transeuropa fluid“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Sophie Blomen. Sophie Hübner, Dr. Eike Wittrock“ link=“url:%23transeuropa“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987464298″ title=“Reloading TWA. Das Adorno-Projekt“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Christian Schärf“ link=“url:%23reloading“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461457″ title=“Naturverhältnisse – Die Geburt der Ökologie-Bewegung und ihre künstlerischen Folgen“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Andreas Hetzel, Dr. Ana Honnacker“ link=“url:%23natur“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461535″ title=“Night of the Living Dead“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Dr. Volker Wortmann“ link=“url:%23living_dead“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
[cl-ib image=“987461549″ title=“I whip my hair back and forth“ desc=“Projekt(beg-)leitung: Professorin Dr. Annemarie Matzke“ link=“url:%23hair“ animation=“phorcys“ bgcolor=“#de7400″ desc_size=“17px“ desc_mobile_size=“13px“]
SEXKINO // SEX THEATER
Projekt(beg-)leitung: Jan Künemund, Dr. Eike Wittrock
„Die taktile Rezeption steht gegen den Betrug des Voyeurismus. Denn solang der Bürger mit der reproduzierten Kopie sexueller Freiheit sich begnügt, erspart sich der Staat die sexuelle Revolution.“ Schreibt Valie Export über ihre Aktion „Tapp- und Tastkino“ von 1968. Wir fragen: wie hängen Prozesse und Verfahren der Sichtbarmachung mit sexueller Revolution und Befreiung zusammen, damals und heute? Haben Darkroom, Sexshow und Pornokino heute noch emanzipatorisches Potenzial oder haben sie sich in „unserem offenen und toleranten Leben“ (A. Merkel) überlebt? Wie sexy ist die „Hypersexualisierung“, wie befreiend die abstrakte Rhetorik von der aufgeklärten Gesellschaft? Für das SEXKINO werden im Projekt zeitgenössische künstlerische Antworten auf diese Fragen gesucht und an neuen, befreienden (!) Sichtbarmachungen von Sexualität gearbeitet. Mit einem very expanded cinema-Begriff, also alles von Performance bis Film.
1968 (2018)
Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Stefan Krankenhagen und Mats Staub
Was erinnern wir von einer Vergangenheit, die nicht die unsere ist? Welche der Mythen, welche der Stereotypen und welche der massenmedialen Bilder von 1968 erreichen die Gegenwart fünfzig Jahre später? Und gibt es überhaupt noch neu zu entdeckende Geschichte(n) von 68 – oder nur die auf endlose Wiederholung gestellten Verweise zwischen „Freie Liebe“, „Politisierung“ und „Flower Power“?
Das Projekt 1968 (2018) macht sich an die Arbeit der Erinnerung ohne dabei in der Geschichte ankommen zu wollen. Wir sammeln alles, was uns in den Sinn und vor das Smartphone kommt. Wir ordnen, zerstören und sortieren eine eigene Geschichte, die vielleicht sogar so weit geht, dass wir in Form eines medialen Reenactments die damaligen Positionen als die eigenen ausgeben. Statt nur Geburtstagsgäste der großen 68er Party zu sein, könnte sich das Projekt selbst zum Jubilar machen. Inszenierendes Mittel dafür ist das eigene Smartphone und ästhetische Formvorgabe das Bewegtbild mit Voice-Over, wie es Mats Staub in seiner installativen Arbeit „21. Erinnerungen ans Erwachsenwerden“ verwendet hat. Anders als in dieser Arbeit, geht es uns nicht um eine reine Zeitzeugenbefragung, sondern darum, welchen Zugang wir heute zu den Bildern von 1968 finden. Dafür muss das Endprodukt kein Film sein, sondern kann auch als eine slideshow mit Voice-Over entstehen. Doch welches Format auch immer gewählt wird: für die Teilnahme wird vorausgesetzt, dass Sie mit Ton- und Bildschnitt für das Smartphone vertraut sind.
SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD
Projekt(beg-)leitung: Martin Dege, Professor Dr. Thomas Lange
Zum Projektsemesterthema „1968“ updaten wir den Italowesternklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“. Wir gehen mit artgerechter Menschenhaltung vor, verwenden als Zutaten uns, die heutige Zeit und die Rückbesinnung auf Selbstermächtigung und doityourself. Filmerisch verwenden wir die original Tonspur, die visuelle Ebene wird nach Itzum, Kuwi und 2018 übersetzt. Inhaltlich toben wir uns in allem aus, wo heutzutage – wenn auch nicht immer offensichtlich in unserer globalisierten Welt, das „Spiel mir das Lied vom Tod“ gespielt wird. Und machen damit uns und unsere Heimat erlebbar. (#politischeKunst, der #neueHeimat Begriff, „Weltparlament“ von Milo Rau, Christoph Schlingensief ..)
All together now! Kollaborative Formate für ein Musikfestival entwickeln
Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Johannes Ismaiel-Wendt, Matthias Müller
Hildesheim ist nicht und war nie Woodstock. Hildesheim überrascht allerdings als “kleine Großstadt“ mit einer ausdifferenzierten Festivallandschaft. Diese entstand größtenteils in den vergangenen 15 Jahren, sie wächst weiterhin und sie entstand vielfach durch engagierte Studierende sowie durch ehemalige Studierende. Aktuell gibt es wieder Bewegungen verschiedener Akteure in der Stadt, ein Festival zu etablieren: Klangstärke. In der Projektsemester-Gruppe zielen wir, unter anderem mit Blick auf Klangstärke °18, auf die Entfaltung kooperativer Ansätze zur Planung und Gestaltung einer Musikveranstaltung in Hildesheim. Wir fragen uns mit einer Neigung zu Utopien: Wie könnten partizipative und/oder sich selbst vermittelnde Musik- oder Sound-Settings in der Stadt platziert werden? Welche Planungs- und Arbeitsformen müssten gewählt werden, damit ein Festival nicht nur wie ein Satellit in die Stadt getragen wird (vgl. Woodstock, Wacken etc.), sondern möglichst viele oder diverse Menschen in der Stadt die Produktion als ihre eigene erleben?
Zum einen soll ein Leitfaden oder eine Art Gebrauchsanweisung für Festivalplanung im Allgemeinen erstellt werden, die auch zukünftigen Generationen von Studierenden mit auf den Weg gibt, was es für die Erschaffung und Etablierung einer Kulturveranstaltung in Hildesheim zu berücksichtigen gilt. Ein bedeutsames Thema der Projektsemesterarbeit ist die Auseinandersetzung mit kollaborativen und partizipativen Ansätzen für Festivalplanung allgemein. Was gilt es für die Erschaffung und Etablierung einer Kulturveranstaltung in Hildesheim zu berücksichtigen? Was bedeutet die Auseinandersetzung mit lokalen und regionalen Strukturen, Institutionen, Ansprechpartnern, Sponsoren, Förderern sowie zwischen „Stadt“ und „Universität“ als Teil aktueller Dialogprozesse zur kulturellen Stadtentwicklung im Zuge der Bewerbung Hildesheims um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2025“? Und wozu überhaupt so viel „Wir-Gefühl“ in der Stadt für Studierende mit meist temporärem Aufenthalt?
Zum anderen möchten wir während des Projektsemesters unbedingt eigene kleine musikalische Aktionen oder (interaktive) Installationen, Audio Walks, Workshops, Klanglabore o.ä. unter der Berücksichtigung o.g. Fragen entwickeln und verwirklichen. Dass diese praktische Arbeit und der Spirit auch noch in das im Herbst/Winter stattfindende Festival Klangstärke °18 einfließen kann, ist ein weiteres Ziel. Wir hoffen also sehr darauf, dass die Projektsemestergruppe sich auch über das Sommersemester hinaus engagieren möchte.
1968 und das Begehren nach der Gruppe – eine Soundperformance // the longing for group activities in the aftermath of 1968
Projekt(beg-)leitung: Dr. Jochen Bonz Künstlerischer Lehrauftrag: Nora Kümel mit Timur Nilitas
Bei der Studentenrevolte von 68 handelte es sich zweifellos um ein Massenphänomen. Und der politisch-kulturelle Wandel, der von diesen Ereignissen angestoßen wurde, betraf mit der BRD sogar eine ganze Gesellschaft. Aber bereits in den 60er Jahren, besonders aber in der direkten Folge der Studentenrevolte und in den Milieus, die von ihr affiziert waren und deren Aktivitäten in den folgenden Jahren zu den ‚Neuen Sozialen Bewegungen‘ avancieren sollten, zeigt sich in der historischen Perspektive die Relevanz anderer Kollektive als ‚Gesellschaft‘ und ‚Masse‘ – nämlich die Gruppe. So heißt es beispielsweise im Buchklappentext zur Publikation ‚Die Gruppe‘ des Psychoanalytikers Horst-Eberhard Richter 1972: „Die Gruppe ist nahezu über Nacht die Hoffnung vieler geworden, die sich von dieser neuen Lebensform Hilfe zur Überwindung individueller Einsamkeit und Ohnmacht, seelischen Leidens, sowie sozialer und Politischer Ineffizienz versprechen.“ Um dieses Begehren nach der Gruppe zu erforschen, kombiniert das Projekt zwei Forschungsansätze miteinander, die außerdem noch in spezieller Weise methodisch miteinander verknotet werden. Der eine Ansatz ist kulturgeschichtlicher Art und besteht in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Gruppenphänomenen, die es damals gab – wie Rockbands, WGs, Agit-Prop-Theatergruppen, Selbsterfahrungsgruppen, den K-Gruppen, der RAF, alternativen universitären Lehr- und Forschungsgruppen und – wie könnte es auch anders sein? -Fußballteams… etc.
Der zweite Forschungsansatz ist auf das Ästhetische gerichtet und besteht darin, Sound Studies zu betreiben. In kreativer Hinsicht ist damit gemeint, dass wir eine ästhetische Praxis des Arbeitens mit Klängen betreiben werden, in der Raum ist für DJ-Sets und die Ausarbeitung von Soundfeatures und Tracks. Aber auch in historischer Perspektive stößt man bei so unterschiedlichen Autoren wie dem Soundscape-Forscher Raymond Murray Schafer, dem Medientheoretiker Friedrich Kittler und in Paul Willis‘ ethnografischer Studie über Hippies auf eine in den späten 60er-, frühen 70er Jahren vorliegende Klangästhetik, die sich vor allem an bestimmten Spielarten von Rockmusik festmacht und von sämtlichen Autoren mit Verwunderung, Ärger oder Begeisterung in dem Effekt beschrieben wird, einen ‚Raum‘ zu erzeugen und das Subjekt des Hörens immersiv einzunehmen, es also in etwas herein zu holen, das es sich mit anderen teilt; es zum Teil von etwas zu machen. Dieses ‚Etwas‘ hat eine Nähe zur Gruppe. Und die immersive Ästhetik der Rockmusik dieser Zeit entspricht – unseres Erachtens – damit dem Begehren nach der Gruppe. (Dieses Begehren hält im Übrigen bis heute an, was sich in den Spielarten der elecronic dance music unserer Zeit zeigt, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, immersiv und gemeinschaftsstiftend zu sein. Vielleicht hat sich das Begehren nach der Gruppe heute sogar noch verstärkt?)
Die Methode, mit der das Projekt arbeitet, ist eine vierstündige, wöchentlich stattfindende Gruppensitzung, die nach dem Konzept der ‚Operativen Gruppe‘ angelegt ist- ein progressives Gruppenarbeitsmodell, das in den 1940er Jahren von Enrique Pichon Rivière in Argentinien entwickelt wurde und in den 1970er Jahren auch im deutschsprachigen Raum Resonanz erfuhr. Die operative Gruppe zielt darauf ab, eine Aufgabe zu bewältigen, ein Arbeitsvorhaben umzusetzen. Für Enrique Pichon Riviere ist dies gleichbedeutend damit, dass man etwas lernt, was man noch nicht weiß. Oder anders ausgedrückt: die Operative Gruppe hebt auf Wandel ab, auf Veränderung.Dies erreicht sie durch eine freie Kommunikation, in der nicht gesagt wird, was herkömmlicherweise als angemessen gilt, sondern was einem durch den Kopf geht – in Bezug auf die Aufgabe und die Gruppe als sozialer Raum.
Literatur zum Konzept der Operativen Gruppe sowie zum immersiven Klangverständnis bei Schafer, Kittler und Willis steht ab Ende Januar als digitaler Reader bereit.
Rund um die Operative Gruppe als Zentrum des Projektes finden Workshops zur Tonstudiotechnik und die Erarbeitung einer immersiven Tanz-Choreografie statt. Die verschiedenen Aktivitäten und Erarbeitungen werden in einer Soundperformance zusammengeführt.
POP
Projekt(beg-)leitung: Karl Möllers, Jan Schönfelder
Mitte der 50ger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt sich unabhängig voneinander in England und den USA – einige Jahre später auch in Westdeutschland (kapitalistischer Realismus) – das Phänomen der Popart; z.T. aus der Begeisterung über die nach dem 2. Weltkrieg wachsende kapitalistische Konsumwelt, aber auch in kritischer Distanz zu ihr. Die Künstler nutzen Versatzstücke und Gestaltungskriterien aus der Werbung, aus Comics und anderen trivialen Quellen. Im oft willkürlichen Zusammentreffen dieser Formelemente entstehen neue „Wahrheiten“, neue „Klänge“ im Sinne des Adorno Zitats (s.o.). Die Popart bestimmte das Lebensgefühl der 60er Jahre maßgeblich mit. Sie ist immer noch eine wichtige Voraussetzung, Grundlage und Inspiration für die zeitgenössische Kunst. Im Projekt versuchen wir, die Arbeitsweisen und Strategien verschiedener Popartkünstler nachzuvollziehen und eigene Arbeiten im Sinne der Popart herzustellen.
Wer bist Du? Der Therapie- und Meditationsboom der 68er
Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Rolf Elberfeld,
Im Projekt gehen wir zwei verschiedenen Strömungen innerhalb der 68er-Bewegung nach, die beide eng miteinander verbunden sind. Die Therapie- und die Meditations-Bewegung der 68er haben verschiedene Wege aufgenommen und entwickelt, die wir uns im Einzelnen anschauen und teilweise auch ausprobieren wollen. Dabei soll die Übung „Wer bist Du?“ eine zentrale Rolle spielen. Voraussetzung für die Teilnahme ist Neugier sich selbst gegenüber und die Bereitschaft und Möglichkeit, sich selbst kritisch zu betrachten. Zudem ist große Lust zum Tanzen sehr willkommen!
FREE! Radikal und widerständig: Freie Musik und die Ästhetik des Augenblicks
Projekt(beg-)leitung: Dr. Ulrich Wegner, Frank Paul Schubert
Im Jahr 1968 wurde »Machine Gun« eingespielt, ein Album, auf dem das Peter Brötzmann Octet eine neue, kompromisslos freie Spielhaltung an den Tag legte. In den Jahren der erstarkenden Studenten-Bewegung erschien die radikale musikalische Grenzüberschreitung, die in dem Begriff des »Kaputtspielens« (Peter Kowald) eine sprachliche Zuspitzung fand, wie ein künstlerischer Reflex des politischen Widerstand einer jungen Generation, die das Überkommene in Frage stellte.
In unserem Projekt soll es darum gehen, freie Spielkonzepte und deren politische/gesellschaftliche Aussagekraft, wie sie die freie Musikszene der 1968er Jahre prägten, auf ihre Gültigkeit bzw. Entwicklungsfähigkeit in der Gegenwart zu überprüfen. Es soll zum einen die Geschichte des Free Jazz als einer künstlerischen Ausdrucksform in einem kontroversen politischen Umfeld nachgezeichnet werden. Zum anderen sollen in einem Workshop-Format Konzepte des spontanen Zusammenspiels erprobt und damit die Fähigkeit gestärkt werden, ohne fixiertes Material stimmige Strukturen und Formen zu entwickeln. Dieser ganz der künstlerischen Praxis gewidmete Projektbereich wird von einem Vertreter der freien Musik-Szene Deutschlands, dem Saxofonisten Frank Paul Schubert, geleitet werden.
Die Projekt-Arbeit soll in die Entwicklung eines Konzertformats für die Präsentationswoche einmünden.
Sampling 68. Alte Lieder vom Neuen Menschen

Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Matthias Rebstock
Sampling 68. Alte Lieder vom Neuen Menschen.
Im Projekt soll 1968 mit seinen ikonisch gewordenen Bildern und Sounds auf die revolutionäre Zeit um 1918 sowie auf die Gegenwart 2018 projiziert werden: Drei Phasen der „Gleichgewichtslosigkeit“ (Helmut Lethen). Die gesellschaftlichen Umbrüche 1918 im Vorfeld der Gründung der Weimarer Republik und um 1968 waren geprägt von der Vision eines Neuen Menschen. Dabei wurde dieser ursprünflich auf Nietzsche zurück gehende Topos des Neuen Menschen einerseits durch zahlreiche künstlerische Avantgarden geprägt wie diese selbst von ihm hervorgebracht wurden: Kosmismus, Dadaismus, Bauhaus; die Situationisten, Neo-Dada, Fluxus etc. Wir werden mit den dokumentarischen Sounds und Bildern dieses Topos vom Neuen Menschen szenisch und musikalisch experimentieren, sie als Samples benutzen und im Prozess des Remixens die Frage nach der Gegenwart stellen: was steckt in diesen Samples noch an Aufbruch, Versprechen, Vision? Was wäre dem restaurativen und reaktionären Umbruch entgegenzusetzen, in dem wir uns heute befinden? Wie lässt sich der „unbedingte Drang nach Zukunft“ entfachen? Bietet der gegenwärtig umstrittene „accelerationism“ einen Ansatz, der sich als Entwurf einer neuen linken Politik versteht? Ihm zufolge sind die aktuellen politischen Strukturen nicht geeignet, die globalen Probleme in den Griff zu bekommen. Und zwar weil sie zu langsam sind, zu wenig von Technik verstehen und weil die politischen Strukturen nicht mehr passen in eine rasante Welt, in der Facebook, Google, Genforschung und Aktienhandel Hochgeschwindigkeit neu definiert haben.
Das Projekt richtet sich an Studierende aller Fächer. Instrumentale Kenntnisse sind erwünscht, aber nicht Voraussetzung. Obwohl: eine E-Gitarre wäre schon schön. Wir werden mit improvisatorischen Spielformen, offenen Notationen der 60er Jahre, Konzeptstücken etc. experimentieren, Plattensammlungen der 60er samplen und remixen und möglichst auch eine Band auf die Beine stellen.
Das Projekt wird zusammen mit dem Schauspiel- und Musiktheaterkomponisten Michael Emanuel Bauer durchgeführt.
Bewegungen
Projekt(beg-)leitung: Luzi Groß, Dr. Torsten Scheid
„Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ sangen Tocotronic vor über 20 Jahren noch mit ironischem Unterton. „Endlich können wir uns bewegen“, schreibt die 29jährige Mareike Nieberding in der Zeit als ihre Bewegung „Demo“ ins Vereinsregister eingetragen ist. Andere, wie das Zentrum für Politische Schönheit, machen Politik mit öffentlichen Kunstaktionen, und der Turnerpreisträger Wolfgang Tillmans verschickt Plakate anlässlich der Bundestagswahl. Trump, AFD und Brexit haben die Notwendigkeit deutlich gemacht, dass sich etwas bewegen muss.
Im Projekt „Bewegungen“ wird es um gesellschaftliche, politische und künstlerische Bewegungen und ihre visuelle Dimension, ihre Verwirklichung in Form von Plakaten, Transparenten, Filmen, Demonstrationen oder in Internetforen gehen. Das Projekt wird sich im historischen Rückgriff auf das frühe 20. Jahrhundert mit der in vieler Hinsicht vorbildhaften Reformbewegung ebenso auseinandersetzen, wie mit den 1968 entwickelten Protestkulturen und den aktualisierten Formen ihres ästhetischen Ausdrucks in der Gegenwart. Welche Utopien werden in aktuellen Bewegungen formuliert und in welchen ästhetischen Formen verwirklicht und aktualisiert sich der Protest aktuell in Politik und Kunst.
Ausgehend von dieser Auseinandersetzung entwickeln die Studierenden in Form von fotografischen Inszenierungen, appropriativen Prozessen, Collagen etc. eigene Formen der politischen Partizipation und ihrer künstlerischen Reflexion, die mit einer studentisch kuratierten Präsentation im Kehrwiederturm abschließen.
Das Projekt wird von Dr. Torsten Scheid und Luzi Gross geleitet und in Kooperation mit dem Kunstverein Hildesheim durchgeführt. Darüber hinaus ist eine Zusammenarbeit mit dem Kellerkino und der Via 113 geplant.
Frauenvolksversammlung: Athen, Bremen, Hildesheim
Projekt(beg-)leitung: Dr. Martina Groß, Professor Dr. Jens Roselt
„Als in der Spielzeit 1968/1969 das Bremer Stadttheater Aristophanes „Frauenvolksversammlung“ inszenierte, wurden das erste Mal in einem deutschen Stadttheater der Nachkriegszeit kollektive Arbeitsweisen erprobt, indem die Regie auf das Ensemble als Kollektiv übertragen wurde. Dieser Prozess verlief, sowohl innerhalb des Ensembles als auch innerhalb der Theaterinstitution, alles andere als reibungslos und führte direkt im Anschluss an die Premiere am 29.3. 1969 zur Absetzung des Stücks. Die Inszenierung ist damit nicht nur formal der erste Versuch Formen der Kollektivität und der Partizipation ̶ also Phänomene die uns bis heute im Theater beschäftigen ̶ auszuprobieren. Auch auf inhaltlicher Ebene zeigt sich Aristophanes „Frauenvolksversammlung“, erstmalig aufgeführt 392 v. Chr. in Athen, als hochaktuell, indem zentrale Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, der Demokratie und der Geschlechterverhältnisse aufgeworfen und durchgespielt werden. Wir setzen uns daher sowohl dramaturgisch als auch szenisch mit dem Material auseinander, d.h. mit dem Stück bzw. dem Stoff der „Frauenvolksversammlung“, aber auch mit dem Diskurs der die Bremer Uraufführung umgeben hat.“
„So I’ll stand and fight.“ – Gender : Generation : Performance : Protest
Projekt(beg-)leitung: Laura Kallenbach, Professorin Dr. phil Geesche Wartemann
„Wenn ich etwas erklären möchte, dann möchte ich das auch darstellen. Wenn ich selbst das Material sein kann, dann werde ich es auch sein.“ (VALIE EXPORT) Im September 1968 verbrannten Frauen in Atlantic City im Rahmen der „Miss America“-Wahl medienwirksam nicht ihre BHs und Sigrid Rüger warf in Frankfurt am Main tatsächlich drei Tomaten auf das Podium der Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes. Beide Ereignisse gelten als Initialmomente der sogenannten „zweiten Welle“ der Frauenbewegung und zogen sowohl in den USA als auch in Deutschland und Europa Proteste und Aktionsformen nach sich. Im Projekt soll es darum gehen, sich mit den Themen und den sich aus ihnen ergebenden Protestformen dieser Frauenbewegung auseinanderzusetzen und danach zu Fragen, wie im und für den Protest Geschlechterbilder performativ (nutzbar gemacht) werden. Neben öffentlichen Protesten auf der Straße und an Universitäten stehen Arbeiten von Yoko Ono, VALIE EXPORT, Marina Abramovic und anderen im Zentrum des Projekts. Wie inszenieren, befragen und dekonstruieren Künstlerinnen dieser Zeit Geschlechterrollen? Wie verbinden sie Körperkunst und Körperprotest? Zwischen 1966 und 1972 formierte sich in Berlin auch das erste westdeutsche Kindertheater. In großer Nähe zur studentischen Protestbewegung nahm das GRIPS Partei „für die unterdrückte Klasse der Kinder in einem kinderfeindlichen Land“. Von Anbeginn wurden dabei auch gängige Geschlechterrollen und Geschlechterordnungen befragt und Stücke wie „Mannomann“ und „Mensch Mädchen“ aufgeführt. Im Projekt fragen wir nach der Aktualität und reflektieren die Darstellungsmittel auch dieser Inszenierungen von Geschlechterrollen, die sich an ein junges Publikum richteten. Gemeinsam werden wir uns auf die Suche nach historischem Text-, Bild- und Videomaterial begeben und uns diesem über künstlerische Strategien des Reenactments nähern. So lassen sich sowohl Inszenierungsstrategien der jeweiligen Vorbilder offenlegen, als auch eigene, distanzierte Positionen zum Material entwickeln. Ziel des Projekts wird es sein, diese beiden Aspekte – sowohl die Annäherung an ein historisches Material, als auch dessen Befragung und die eigene Verortung – in einer eigenen künstlerischen Arbeit umzusetzen. ProjektteilnehmerInnen, die sich besonders für ein junges Publikum interessieren, können ihre szenische Praxis für diese ZuschauerInnen entwickeln und vor ihnen aufführen.
Woodstock, Vietnam
Projekt(beg-)leitung: Tim Staffel
Am Vorabend des vietnamesischen Neujahrsfest im Jahr 1968 startet die Tet-Offensive der Nordvietnamesischen Armee und des Vietcong gegen Südvietnam und das amerikanische Militär. In Europa und in den USA wird das Bild eines gerechten, sauberen Krieges erstmals angezweifelt, die Möglichkeit eines Sieges in Frage gestellt. 1969 wird ein kommerzielles Musikfestival zum Mythos einer Bewegung, die für Frieden steht und der normativen Gewalt einer bürgerlichen Gesellschaft den Kampf ansagt. Elliott Timber, in der New Yorker Schwulenszene zu Hause, kehrt in seine alte Heimat zurück und verpachtet das Motel seiner Eltern in White Lake an die Veranstalter des Woodstock-Festivals. Während in Vietnam zu Rock ´n´ Roll-Musik hemmungslos um einzelne Anhöhen gekämpft wird, wird sich zwischen den Hügeln der Gemeinde Bethel hemmungslos geliebt. Leben und Überleben werden zu einem maßlosen Rausch.
Vietnam und Woodstock liegen räumlich weit auseinander, sind aber untrennbar miteinander verbunden. Das Projekt bringt
die beiden Orte zusammen und beschäftigt sich mit Krieg als Rock ´n´ Roll der grenzüberschreitenden Erfahrungen. Krieg auf Droge und auf Droge gegen den Krieg. Jimmy Hendrix liefert den Soundtrack und Hieronymus Bosch die Bilder. Zentrum dieses Projekts soll ein Camp sein – Feldlager und Festival-Gelände in einem. Von hier aus werden einzelne Aktionen, Inszenierungen und Interventionen auf dem Gelände der Domäne gestartet. Die Teilnehmer des Projekts beleben drei Tage in der Woche das Camp. Jede Woche passiert etwas: Aufführungen, Diskussionsrunden, Vorträge oder Konzerte. Zugleich wird eine Aufführung erarbeitet, die sich auch aus den Einzelteilen zusammensetzt. Alles ist öffentlich.
Fluxus-History: Kunst – Musik – Live-Elektronik
Projekt(beg-)leitung: Dr. Alan Fabian, Sara Stehr
„1968 war alles gelaufen…“, so der Kunsthistoriker Klaus Herding: „Selten kommt ein Umbruch in Politik und Kunst zur gleichen Zeit. Die 1968er Kunst jedenfalls ist längst vor 1968 entstanden.“ So hatte sich in der Kunst/Musik in den angehenden 1960er Jahren eine Aktionskunst(musik) formiert, die das Kunstwerk und die zugehörigen kunstsozialsierten Räume (Museum, Konzerthaus etc.) als bürgerlichen Fetisch ablehnten: Fluxus – mit George Maciunas, Nam June Paik, Ben Patterson, Wolf Vostell, John Cage, David Tudor, La Monte Young, Milan Knižák, Yoko Ono u.a. Ihre Aktionen, die die Fluxuskünstler aus reduzierten alltäglichen Handlungen komponierten, sahen sie dabei auch als ästhetisches Mittel eines antibürgerlichen Aufbegehrens, einer Kunst und Anti-Kunst. In der Kunst um Fluxus verbinden sich Musik und Bildende Kunst zu „intermedia“ (Dick Higgins). Das Seminar möchte eine wissenschaftliche Perspektive auf das historische Fluxus-Material eröffnen, dazu gehören Objekte, Manifeste, Scores, Videoaufzeichnungen, Fotografien und Künstleräußerungen. Mit welchem politischen Anspruch sind die Künstler einst angetreten und wie hat sich ihre Kunst, heute oftmals institutionell gerahmt und ausgestellt, mit der Zeit verändert (z.B. in Bezug auf Gender-/Frauenforschung)? Und welche geeignete Präsentationsform für das historische Material und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auseinandersetzung damit lässt sich im Rahmen des Projektseminars heraus entwickeln? Geplant ist ein Präsentationsformat, in dem sich museale Ausstellungspraxis, wissenschaftliche Vortragspraxis und live-elektronische Musikperformance-Praxis gegenseitig transformieren – ein Format, dass die ProjektsemestlerInnen erst noch zu erfinden haben!
transeuropa fluid
Projekt(beg-)leitung: Sophie Blomen. Sophie Hübner, Dr. Eike Wittrock
Post-Woodstock lädt transeuropa fluid – Europäisches Festival für Performative Künste zur gemeinsamen Festivalarbeit ein. Wir werden ab März 2018 hands on an der Umsetzung des vom 24.05. bis zum 27.05.2018 stattfindenden Festivals arbeiten: In den Bereichen Infrastruktur, Kommunikation, Produktion, Ausstattung, Dokumentation und Künstler*innenbetreuung besteht die Möglichkeit zur Teilhabe und eigenverantwortlichen Arbeit. Innerhalb des großen Verbunds des transeuropa-Teams bauen wir ein Festivalzentrum, kommunizieren mit internationalen Künstler*innen, schreiben Schichtpläne und entwickeln ein Rahmenprogramm. Alle, die schon im Wintersemester 2017/18 in Übungen oder Seminaren an Projektskizzen für transeuropa fluid gearbeitet haben, können diese im Projektsemester durchführen. Natürlich ist es ebenso möglich neu einzusteigen. Im Rahmen des Projektsemesters besteht die Möglichkeit Teil davon zu werden, Festivalluft zu schnuppern und Kulturarbeit zu erproben. Wir freuen uns, euch im Team aufzunehmen!
ACHTUNG: Aufgrund des Zeitraums des Festivals, beginnt das Projekt bereits am 15.03.2018 und endet am 15.06.2018. Falls dies zu individuellen Problemen führen sollte, finden wir via rafael.ecker@transeuropa-festival.de sicherlich eine Lösung.
Wahrheit ist Arbeit. Politisches Schreiben
Projekt(beg-)leitung: Dr. Guido Graf, Prof. Dr. Annette Pehnt
„Sei nicht kleinlich mit der Wahrheit, sonst kommt sie Dir großzügig. Wir hassen die Wahrheit, weil sie einer der dreckigsten Vögel auf der Welt Ist.“ (Martin Kippenberger). Wahrheit gibt es nur als Widerspruch zum Falschen. Also bejahen wir die Welt als Irrtum und suchen aus den Erfahrungen politischer Zeitgenossenschaft nach neuen, potentiell wahren Ausdrucksmöglichkeiten, mit manchen unschönen und zugleich schönen Texten. Bissig können diese Texte sein, humorvoll, persiflierend, verbunden auch mit grotesken Verschiebungen von Sprache und Bedeutung. Doch nicht als Selbstzweck. Was sich möglicherweise verletzend, provozierend, banal, absurd, naiv und geschmacklos gibt, muss auch empfindsam, scharfsinnig, wissend, mitleidig, ernst und die Wirklichkeit reflektierend sein können, um das Falsche, das Affirmative und das Täuschende unserer Gegenwart in Frage stellen zu können. Wir schreiben Texte, diskutieren sie in einer Werkstatt und publizieren die Texte in einer einmaligen gedruckten Sonderausgabe von Pfeil und Bogen. Literarische Revue.
Die 1968. Dimension
Projekt(beg-)leitung: Elena Groß, Maximiliane Spieß, Professor Dr. Simon Roloff
Protest gegen den Status quo, Traum von einer besseren, einer anderen Welt: Das Projekt „Die 1968. Dimension“ setzt sich mit dem Konzipieren einer fremden Welt auseinander.
Konfrontationen – das Jahr 1968 und die ungeschnittene Einstellung
Projekt(beg-)leitung: Martin Jehle
Die 1960er-Jahre sind für die filmische Sonderform der ungeschnittenen Einstellung von besonderer Bedeutung. Während der in den 1940er-Jahren durch Citizen Kane (1941) angestoßene Trend zur Plansequenz in Hollywood langsam vorübergeht und Filme mit kürzeren Einstellungen produziert werden, hat sich die ungeschnittene Einstellung im europäischen Kino vor allem durch die Filme von Jean Renoir, Max Ophüls und den Regisseuren des italienischen Neorealismus etabliert und entwickelt sich im Laufe der 1960er-Jahre zu einem der wichtigsten Markenzeichen des ambitionierten Autorenkinos.
Im Jahr 1968 entstehen der erste Kurzfilm von Chantal Akerman, der zweite Kurzfilm von Theo Angelopoulos, sowie frühe Spielfilmarbeiten von Regisseuren wie Andrej Tarkowskij, Bernardo Bertolucci und Miklós Jancsó – allesamt Regisseure, die in ihrer Filmarbeit auf besondere Weise von der Plansequenz Gebrauch machen. Jancsó inszeniert um das Jahr 1968 vier abendfüllende Spielfilme, die sich allesamt durch minutenlange, ununterbrochene Kamerafahrten auszeichnen. Sein Film Confrontation (Fényes szelek, 1969) beschreibt die politischen Diskussionen ungarischer Studierender mit den für ihn üblichen Mitteln von Musik, Tanz und Gesang und dient dem Seminar als Inspiration und Namengeber.
Ausgehend von den historischen Vorbildern, die gesichtet und besprochen werden, beschäftigt sich das Projekt vor allem mit der Umsetzung studentischer Kurzfilmarbeiten. Die wichtigste Regel dafür lautet: die Filme werden als Plansequenz umgesetzt und greifen nicht auf die klassischen Verfahren der Filmmontage zurück. Dadurch kommt der Vorbereitung und damit der Produktion der Filme eine ebenso zentrale Bedeutung zu wie dem Teamwork, einem ausgiebigen Probenprozess mit den Schauspielern und der Crew, sowie den sonst oft in den Hintergrund tretenden Mitteln der Postproduktion, insbesondere der dramaturgischen Ebene der Tongestaltung. Ziel des Projektes ist eine Präsentation der fertigen Arbeiten zu Semesterende.
68er BEWEGUNG – choreografierte Politik // politische Choreografie
Projekt(beg-)leitung: Professorin Dr. Annemarie Matzke
Im Mai 1968 setzen sich Studierende und Schüler_innen auf die Straße vor der Lorenzkirche in Nürnberg und blockierten fünf Minuten den Verkehr. 2013 rührte sich Erdem Gündüz auf dem Taksim-Platz in Istanbul als „standing man“ nicht und 2017 gründet sich für die Bundestagswahl die Partei „Demokratie in Bewegung“. Die Relation aller Bewegungen einer Gemeinschaft und der organisatorische Effekt einer Bewegung selbst wirft auch für alle Bewegungskünste, wie den Tanz und die Performance, die Frage nach ihrer politischen Bedeutung auf. Somit muss sich in den Künsten damit beschäftigt werden, wie die Dynamik einer Gemeinschaft funktioniert und gestaltet werden kann, welche Ökonomie und Hegemonie Bewegungen entwerfen und damit partizipieren. In diesem Projekt werden choreografische, tänzerische und performative Grundkenntnisse vermittelt (ohne, dass besondere tänzerische Fähigkeiten vorausgesetzt sind). Hierbei können unterschiedliche Tänze, Bewegungsexperimente und somatische Praktiken zum Ausgangspunkt der eigenen choreografischen Arbeit sein. Der eigene choreografische Zugang wird herausgefunden und erprobt. Beispiele politischer Bewegungen der 68er und der Jetztzeit wie auch Beispiele der Bewegungskünste beider Zeiten werden in aktuelle choreografisch-politische Frage- und Aufgabenstellungen transformiert. Die Teilnehmer_innen werden in weiteren Schritten dramaturgisch beraten und sollen selbstständig eine große gemeinschaftliche Tanzperformance oder kleinere Einzelperformances erarbeiten. Alba Scharnhorst und René Reith studieren den Master Inszenierung der Künste und der Medien und arbeiten seit 2014 im Rahmen des Künstler_innennetzwerks systemrhizoma an der Schnittstelle zwischen Tanz, Theater und bildender Kunst. Hierbei entstehen sowohl Vermittlungsprojekte als auch Bühneninszenierungen.
Reloading TWA. Das Adorno-Projekt
Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Christian Schärf
In diesem Projekt geht es um die Figur Theodor W. Adornos und seine Rolle im Diskurs und bei den Ereignissen 1967 bis zu seinem Tod im August 1969. Der Zeitgenosse, Philosoph, Literat, Musiker und Musiksoziologe Adorno soll multimedial in die Wahrnehmung treten, in Bild, Text und Ton. Hinzu kommt die Auswertung großer Teile des Briefwechsels Adornos. Wir werden die Frage verfolgen, inwieweit die historischen Ereignisse mit dieser eminenten Gestalt des philosophisch-literarischen Lebens verknüpft sind und in welchen Modellen wir sie wieder herstellen können, wenn wir die Epoche mit dem Fokus auf eine prägende Person einer Rekonstruktion unterziehen. Der Schwerpunkt der Textarbeit liegt auf Adornos Vorlesungen der fünfziger und sechziger Jahre sowie auf seinen öffentlichen Auftritten, v. a. im Rundfunk. Ausblicke auf die Zeit des Exils und auf die musiksoziologischen Schriften inbegriffen. Besuche im Adorno Archiv in Frankfurt/Main werden die Recherche vertiefen. Ziel ist es, in verschiedenen Formaten Bilder, Texte, Dialoge oder Performances zu und über Adorno zu verfassen und diese in ein Kaleidoskop der deutschen Intellektuellenrepublik der Nachkriegszeit bis 1970 einzufügen.
I whip my hair back and forth
Projekt(beg-)leitung: Professorin Dr. Annemarie Matzke
Was hat dieses Projekt gemein mit einem Musikvideo der amerikanischen Künstlerin Willow Smith und dem Hippie-Musical „Hair“, das 1968 seine Broadway-Premiere feierte? Alle drei sehen Haare im Zentrum einer widerständigen Inszenierung, die sich aktiv zu herrschenden Normen und Schönheitsidealen positioniert und vielfältige Frisuren sowie die performativen Akte ihrer Träger*innen in ein positives theatrales Licht stellen möchte. Gemeinsam wollen wir uns damit beschäftigen, dass Spliss und Haarausfall nicht das einzige Problem sind. Dazu werden wir eine fundierte wissenschaftliche Basis schaffen, Beispiele aus Alltag, Populärkultur und Theaterbereich analysieren und diskutieren, um schließlich selbst diverse widerständige Acts zu konzipieren und in einem gemeinsamen Showformat unser aller Haarpracht zu performen.
„Flow it, show it. Long as God can grow it. My hair.“ – Hair, 1968
Night of the Living Dead
Projekt(beg-)leitung: Dr. Volker Wortmann
Am 1. Oktober 1968 hatte mit George A. Romeros „Night of the Living Dead“ ein Film Premiere, der das Horrorgenre und die Filmfigur des Zombies grundlegenden revidieren sollte. Dass der Film, dessen Hauptprotagonist von dem afro-amerikanischen Darsteller Duane Jones gespielt wurde, zudem politisch gelesen werden würde, war zunächst nicht einkalkuliert. Das politische Potential seines Films trat Romero erst in dem Moment vor Augen, als er während der Dreharbeiten von der Ermordung Martin Luther Kings hörte.
Der Film selbst referiert (gleich ob gewollt oder ungewollt) auf diverse Diskurse der Zeit: Es geht um Rassenkonflikte, den kalten Krieg, um eine drohende Nuklearkatastrophe, um Herztransplantationen, Tierversuche und die immer unklarer werdende Grenze von Leben und Tod.
Das Projekt wird – vom Film als Referenztext ausgehend – die verschiedenen, hier aufeinandertreffenden Diskursstränge aufnehmen und in diverse Teilprojekte überführen, die möglicherweise auf einen Langfilm hinauslaufen werden (aber nicht hinauslaufen müssen).
Im Rahmen des Projekts ist zudem geplant, an einem Zombie-LARP in der Nähe von Magdeburg teilzunehmen.
Naturverhältnisse – Die Geburt der Ökologie-Bewegung und ihre künstlerischen Folgen
Projekt(beg-)leitung: Professor Dr. Andreas Hetzel, Dr. Ana Honnacker
Im Projekt beschäftigen wir uns mit der Geburt der Ökologiebewegung aus dem Geist der 1968er und ihren künstlerisch-ästhetischen Folgen.
Die von den 1968ern geübte Herrschaftskritik richtete sich immer auch gegen herrschaftsförmige „gesellschaftliche Naturverhältnisse“: gegen die Übernutzung, Ausbeutung und Zerstörung einer zunehmend als prekär erfahrbaren natürlichen Umwelt. Leitend war dabei eine Diagnose Horkheimers und Adornos: Das neuzeitliche Projekt wissenschaftlich-technischer Naturbeherrschung habe sich letztlich gegen den Menschen selbst gekehrt; der vermeintliche Fortschritt, den die westliche Moderne für sich reklamiert, sei um den Preis einer zum äußersten gesteigerten Inhumanität der gesellschaftlichen Verhältnisse erkauft. Einer auf Naturbeherrschung zielenden Vernunft der westlichen Moderne halten die 68er insofern ein „Eingedenken der Natur im Subjekt“ (Adorno) entgegen. Sie entdecken eine „Natur, die wir selbst sind“, und machen sie zu einer Instanz politischen und künstlerischen Widerstands. „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ – mit diesem Slogan machen die 68er darauf aufmerksam, dass noch die hochartifiziellen Stadtlandschaften der Moderne in Stoff- und Energiekreisläufe einbezogen sind, die nicht von Menschen gemacht wurden, dass unsere Zivilisation genau die Natur unterdrückt und unsichtbar macht, von der sie nach wie vor lebt. Sie entdecken damit die Ökologie als Bühne politischer und kultureller Auseinandersetzungen.
Im Projekt wollen wir zunächst unterschiedliche Quellen einer Kritik der modernen gesellschaftlichen Naturverhältnisse (David Henry Thoreau, John Muir, Aldo Leopold, Rachel Carson …) sichten, die für die 68er wichtig wurden. Zugleich befassen wir uns mit künstlerischen Interventionen an den vielfältigen Grenzen von Gesellschaft und Natur, ausgehend etwa von Konzepten wie „Land Art“ (Walter de Maria, Robert Smithson, Richard Long; die erste Land Art Ausstellung fand 1968 in New York statt…), „Performing Landscape“, „Primitivism“ (John Zerzan), „Practice of the Wild“ (Gary Snyder), „Art as Garbology“ (Amanda Boetzkes). Dazu werden wir den Seminarraum und die Stadt immer wieder verlassen, auf der Suche nach einer Natur, die heute auch als Erfahrungsraum zu verschwinden droht und die wir mit eigenen künstlerischen Interventionen neu erschließen wollen. Dazu erkunden wir, in kürzeren und längeren Exkursionen, Orte in und um Hildesheim, an denen Natur in ihrer vollen Integrität, aber auch in ihrem Verlust und Schwinden, darauf wartet, von uns entdeckt und künstlerisch erinnert zu werden.
Weibliche Sexualität
Projekt(beg-)leitung: Dr. Katrin Wille, Dr. Heidi Salaverria
Der Anspruch auf „sexuelle Revolution“, der mit 1968 unlöslich verbunden ist, brach sicher mit vielen Konventionen und Tabus – aber nicht oder nicht genug mit der Konvention, sexuelle Freiheit aus
der Perspektive der Männer zu verstehen. Bis heute stellt die Bildsprache des Mainstreams Begehren als männliches Begehren dar, am plakativsten in der heterosexuellen Pornoindustrie. Das Narrativ ist gleichzeitig schlicht und phantasmatisch: Der Mann erregt sich an der Frau, die Frau erregt sich daran, dass der Mann sich an ihr erregt (besser gesagt: Sie tut so, damit der Mann sich an dem Phantasma befriedigt, sie befriedigt zu haben).
Diese Leerstelle von 1968 verweist auf die Frauenbewegung der 70er Jahre, die sowohl versucht hat, diese Leerstelle zu erklären wie sie zu füllen, indem weibliches Begehren selbst zum Thema gemacht wurde. Philosophinnen wie Irigaray haben gezeigt, dass diese Leerstelle sich nicht bloß auf einen „kleinen“ Ausschnitt von Alltagspraktiken (nämlich das private Liebesleben von Frauen) auswirkt, sondern im Gegenteil auf ganz grundsätzliche Weise das Denken und Fühlen abendländischer Metaphysik imprägniert: Vermeintlich neutrale Philosophie ist geschlechtlich aufgeladen, Geschlechtlichkeit ihrerseits von dieser Logik – Derrida spricht vom Phallogozentrismus – durchdrungen. Innerhalb dieser binären Logik von Natur/Kultur, Körper/Geist, Subjekt/Objekt stellt Weiblichkeit stets das Andere dar, weibliche Sexualität Freuds „dunklen Kontinent“.
Wie lässt sich diese Logik durchbrechen? Welche Theorien, Bilder, Fantasien und Erfahrungen gibt es zum aktiven weiblichen Begehren – eines, das nicht nur das passive Pendant des männlichen repräsentiert? Welche Bilder von Weiblichkeit (und Männlichkeit) werden destruiert und konstruiert, welche Körpererfahrungen thematisiert, welche Darstellungsformen gewählt? Was bedeutet das philosophisch und wie drückt sich dies in Kunst, Literatur, Theater, Film und Popkultur aus?
Im Projekt wollen wir uns mit diesen Versuchen der „Selbstbewusstwerdung weiblicher Sexualität“ beschäftigen. Dabei wird es u.a. darum gehen, über die heterosexuelle Matrix hinaus zu denken und
queere, trans- und intersexuelle Perspektiven zu berücksichtigen, welche die binäre Begehrensstruktur auf lehrreiche Weise durchkreuzen. Auch die mittlerweile klassische Debatte zwischen Differenz- (Irigaray) und Gleichheitsansätzen (De Beauvoir, Butler) in der feministischen Philosophie wird für unsere Diskussion sicher fruchtbar sein.
An diese Debatte knüpft die Frage nach der politischen Relevanz des Themas an, die zur Stellungnahme nötigt: Hat sich das Anliegen einer „Selbstbewusstwerdung weiblicher Sexualität“ für uns heute
erledigt – weil es erfüllt ist oder weil es falsch angelegt ist? Oder ist das Anliegen so aktuell wie damals – nur die Ausdrucksformen müssen andere werden? Ist Selbstbewusstwerdung der richtige Schritt in Richtung politischer Ermächtigung oder führt sie möglicherweise zu Entpolitisierung und zu einem Rückzug ins Private (dem traditionell weiblichen Ort, in dem Frauen über ihre Gefühle sprechen, derweil die Männer sich die Welt aneignen)?
Am Ende des Projekts steht ein Beitrag zum Festival des Projektsemesters, in dem unser Ringen um die Frage: Aktuell oder Schnee von gestern? seinen Ausdruck finden wird.
In vielen Initiativen der Frauenbewegung nach 1968 wurde die Forderung laut, Frauen müssten bestimmte Themen in reinen Frauengruppen aushandeln. Wir möchten daran anschließen und deshalb sind in diesem Projekt nur Frauen zugelassen.
unter dem pflaster liegt der strand
Projekt(beg-)leitung: Julia Kerk, Ekaterina Sophia Trachsel
„Wir meinen zunächst, daß die Welt verändert werden muß“ (Guy Debord 1980). Wir nehmen ein paar der wichtigsten Wörter aus dem Jahr 1968 und nehmen sie wörtlich: Was heißt es, wenn Studierende sich BEWEGEN? Was ist eine Student*innen-BEWEGUNG, was ist ein AUFSTAND, was ist eine UNRUHE? Was WÄLZEN die Revoltierenden ZURÜCK (revolutio – spätlateinisch „Umdrehung“ / „Das Zurückwälzen“)? Und WO tun sie das alles?
„Jeder Raum ist […] das Ergebnis unserer Wahrnehmung und unserer Leiblichkeit.“ (Barbara Gronau 2010). Gemeinsam werden wir im Verlauf des Semesters Räume entwerfen für dieses Zurückwälzen, Bewegen und Umdrehen: wir bauen gemeinsam an einer Welt und blicken auf Beispiele aus Szenographie, bildender Kunst und Architektur von 1968. Wir fragen danach, wie wir heute Räume schaffen können, die Unruhe stiften und uns zum Wälzen, Verändern, Aufstehen und Bewegen bringen. Wir denken Choreographie und Szenographie zusammen und zusammen bauen wir unser Projekt. Zu Beginn betrachten wir gemeinsam Fotografien, Skizzen und Bilder aus dem Jahr 1968 und eignen uns diese Momentaufnahmen räumlich und körperlich an: In welcher Bewegung sind diese Körper eingefroren? Wie fühlt sich diese Position an, wenn ich sie jetzt einnehme? Wie würde ich mich auf dieser Couch verhalten? Was brauche ich für einen Raum, was für Objekte und was für Licht, um dieses Bild nachzustellen? Wie kommt eine kollektive Pose zustande? In was für Räumen sitzen, liegen, stehen, tanzen diese Körper? Welche Räume schaffen Kommunen? Was gibt es für architektonische Zukunftsvisionen in diesen Skizzen und Bildern? Wir stellen und tanzen (legendäre) Bilder von Körpern in Räumen nach und entwickeln darüber eine kollektive Idee für einen Bauplan. Wir nutzen Skizzenbücher, kollektive Inspirationswände und stellen Modelle her. Dabei lernen wir, was es heißt, gemeinsam Ideen zu entwickeln und diese dann auch umzusetzen. Wir beginnen darauf hin, gemeinsam Räume zu montieren, zu zimmern, zu tapezieren, aufzupusten, zu beschmieren und zu verwandeln. Was sind das für Bewegungen, die wir tun, wenn wir gemeinsam etwas bauen? Ist das Choreographie? Und wie können wir Räume schaffen, die ihre Besucher*innen später zum Tanzen, Wälzen, Kriechen, Schlummern, Revoltieren und Küssen bringen? Ob am Ende Happenings, (Video-)Installationen, Performances oder Bewegungs-Scores für Zuschauer*innen diese Räume in Bewegung bringen, finden wir gemeinsam heraus. Und ob wir unter dem Pflaster den Strand entdecken oder Blasen vom vielen Tanzen wird sich zeigen.

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