Inter­view
mit Eike Wittrock

Könnten Sie sich den Studie­renden bitte kurz vorstellen? 

Mein Name ist Eike Witt­rock, ich bin wissen­schaft­li­cher Mitar­beiter in der Theater-Abtei­lung des Insti­tuts für Medien, Theater und Popu­läre Kultur. Wissen­schaft­lich beschäf­tige ich mich mit der Geschichte des Bühnen­tanzes und konzen­triere mich dabei beson­ders auf Künstler_innen und Werke am Rande der Geschichte, die viel­leicht vergessen oder über­sehen worden sind. Dabei geht es mir jedoch nicht darum, diese wieder bekannt zu machen, sondern zu fragen, aus welchen Gründen bestimmte Posi­tionen an den Rand gedrängt wurden. Beson­ders inter­es­siert mich dabei derzeit die Geschichte der queeren Perfor­mance wie auch jene des (west­li­chen) Exotismus, also der Bezug­nahme auf außer­eu­ro­päi­sche Stile. Von dort ausge­hend, schärft sich auch mein Blick auf die Gegen­wart: Was wird heute an den Rand gedrängt? Wo ist unsere zeit­ge­nös­si­sche Thea­ter­kultur viel­fäl­tiger und diverser, als man viel­leicht denkt, wo noch über­haupt nicht?

In Hildes­heim wird auf die Verknüp­fung von Theorie und Praxis großen Wert gelegt. Was bedeutet das konkret? 

Konkret heißt das, dass wir in den Lehr­ver­an­stal­tungen versu­chen, theo­re­ti­sche Ausein­an­der­set­zungen und prak­ti­sche Vorge­hens­weisen zu kombi­nieren. Das heißt sowohl, dass ich in meinen theo­re­ti­schen Semi­naren versuche, viele Beispiele aus der künst­le­ri­schen Praxis zu bringen, als auch in den prak­ti­schen Übungen eine theo­re­ti­sche Fundie­rung einzu­bringen. Im nächsten Semester unter­richte ich zum Beispiel für Master­stu­die­rende ein Seminar über das barocke Trau­er­spiel, eine nur noch sehr selten aufge­führte Thea­ter­form aus dem 17. Jahr­hun­dert. Dazu passend gibt es dann eine Übung, wo wir versu­chen, in der Ästhetik des deut­schen Barock ein Thea­ter­stück zum Tod von Whitney Houston zu entwickeln.

Welche Rolle spielt für Sie die eigene künst­le­ri­sche Praxis für die Lehre?

Bevor ich nach Hildes­heim an die Univer­sität kam, habe ich lange als Kurator und Drama­turg in der soge­nannten freien Szene gear­beitet: bei einem großen inter­na­tio­nalen Festival in Hamburg sowie in klei­neren Projekten, die an unter­schied­li­chen Orten reali­siert wurden. Aus dieser Praxis habe ich viele Fragen mitge­nommen, mit denen sich zeit­ge­nös­si­sche Künstler_innen gerade ausein­an­der­setzen und die ich versuche, in meinen Lehr­ver­an­stal­tungen wider­zu­spie­geln. Außerdem stehe ich noch immer in engem Kontakt mit meinen früheren Kolleg_innen, was mir die Möglich­keit gibt, in meinen Lehr­ver­an­stal­tungen mit Thea­ter­häu­sern zu koope­rieren und den Studie­renden prak­ti­sche Erfah­rungen im mögli­chen Berufs­feld zu ermöglichen.

Sind Sie außer­halb der Univer­sität selbst künst­le­risch aktiv? Mit welchen Projekten sind Sie aktuell künst­le­risch aktiv? 

Derzeit gönne ich mir eine kleine Pause, da ich im letzten Jahr sehr viel gemacht habe. Da war ich sowohl in der Tanz­platt­form Deutsch­land — der größten und wich­tigsten Tanz­bi­en­nale des Landes — invol­viert und habe zwei größere eigene Projekte mit meiner guten Freundin und Kollegin Anna Wagner aus Frank­furt gemacht. Zuerst hatten wir in den Sophien­sälen Berlin die zweite Ausgabe unseres Julius-Hans-Spiegel-Zentrums veran­staltet, wo wir zeit­ge­nös­si­sche Choreograf_innen einladen, sich mit den (verwor­fenen) Exotismen in der Geschichte des zeit­ge­nös­si­schen Tanzes ausein­an­der­zu­setzen. Und dann haben wir uns einen Jugend­traum erfüllt und einen Perfor­mance-Zirkus gegründet, in dem wir alle unsere Lieblingskünstler_innen einge­laden haben, kurze zirkus­hafte Perfor­man­cenum­mern zu entwi­ckeln. Damit sind wir im Sommer wie ein rich­tiger Zirkus durch die Lande gefahren.

Was ist für Sie das Beson­dere am Studium an der Domäne aus Sicht des Dozenten? 

Das Beson­dere ist einer­seits die Verbin­dung von Praxis und Theorie in der Lehre, die einen immer wieder anspornt, Themen zu finden, die sowohl theo­re­tisch span­nend sind wie auch einen prak­ti­schen Bezug haben. Ande­rer­seits ist es auch toll, mit den Kolleg_innen ins Gespräch über ihre Arbeiten zu kommen, denn auf der Domäne sind ja viele verschie­dene Fächer vertreten: Theater, Medien, Popu­läre Kultur, Musik, Philo­so­phie, Lite­ratur, Kunst und Kultur — da gibt es viele span­nende Themen und Gedanken.

Wie empfinden Sie die Atmo­sphäre zwischen Studie­renden und Dozent_innen? 

Die Atmo­sphäre zwischen Studie­renden und Lehr­kräften ist relativ fami­liär. Man lernt sich schnell kennen und kann dabei auch sehr offen nicht nur über wissen­schaft­liche Probleme und künst­le­ri­sche Fragen reden (und streiten), sondern auch über Fragen und Probleme im Studium.

Fühlen Sie sich hier wohl? 

Ich könnte mir gerade keine andere Univer­sität in Deutsch­land vorstellen, an der ich arbeiten möchte.

Gibt es für Sie einen beson­deren Ort an der Domäne?

Der Weg mit dem Fahrrad durch die Felder ist schon toll. Auch wenn es im Winter etwas mühsam ist, freue ich mich trotzdem jeden Morgen wieder über den Blick über die vereisten Felder. Das Fahr­rad­fahren hat mich aber nicht davor bewahrt, dass ich aufgrund der phäno­me­nalen Kuchen­aus­wahl im Hofcafé seit Beginn meiner Arbeit hier ein paar Kilo zuge­nommen habe.

Haben sie selbst schon einmal eine Eignungs­prü­fung absolviert? 

Nach der Schule wollte ich mal Schau­spieler werden und habe mich an ein paar Schau­spiel­schulen beworben, bin aber bei diesen konser­va­tiven Vorspre­chen kläg­lichst geschei­tert. Aus mir ist aber jetzt auch so was geworden. Nach­träg­lich bin ich tatsäch­lich sogar sehr froh, dass es mit den Schau­spiel­schulen nicht geklappt hat und ich so ein viel größeres und aufre­gendes Verständnis von Theater kennen­ge­lernt habe, in dem die Arbeit mit profes­sio­nellen Schauspieler_innen nur eine Option unter vielen ist.

Haben Sie noch einen Rat für die Bewerber_innen? 

Wir legen in der Aufnah­me­prü­fung nicht nur Wert auf künst­le­ri­sche Qualität, sondern schauen auch darauf, dass die zukünf­tigen Studie­renden über das, was sie uns mitbringen und zeigen, inter­es­sant und eigen­ständig spre­chen und reflek­tieren können. Toll ist es, wenn Studie­rende uns dabei zeigen, dass sie offen und neugierig sind und auch über den eigenen Teller­rand hinaus­schauen können. Gehen Sie also noch mal in eine Thea­ter­per­for­mance, schauen Sie zeit­ge­nös­si­schen Tanz an, einen Film im Programm­kino, eine zeit­ge­nös­si­sche Ausstel­lung in einem Kunst­verein oder Museum, lesen Sie einen expe­ri­men­tellen Roman oder schauen Sie in ein gutes Popkultur-Magazin wie Missy oder Spex, und lassen Sie sich davon inspirieren.

Vielen Dank.

 

Dieses Inter­view entstand 2017 im Rahmen eines News­let­ters des Fach­be­reichs 2 – Kultur­wis­sen­schaften und Ästhe­ti­sche Kommu­ni­ka­tion – an der Stif­tung Univer­sität Hildes­heim mit Infor­ma­tionen rund um die Eignungs­prü­fungen und die Bewer­bung in den Bachelorstudiengängen.

Eike Witt­rock
Institut für Medien, Theater und Popu­läre Kultur, Abtei­lung Theater

Forschungs­schwer­punkte
◣ Tanz­ge­schichte des 19. und 20. Jahrhunderts
◣ Schwules Theater der 1970er Jahre
◣ Floriographie
◣ Medi­en­ar­chäo­logie des Theaters
◣ Post­ko­lo­niale und Queere Theorie