Wie mitein­ander reden? Zur Gesprächs­kultur am Philosophie-Institut

von | Apr. 25, 2023

Aufre­gung, Ängste und Unsi­cher­heiten – das sind Gefühle, die viele Studie­rende vor und während ihres Studiums erleben. Der Beginn eines Studiums ist nicht immer nur mit Hoff­nungen und Wünschen verbunden, sondern auch mit Schwie­rig­keiten und Fehlern. Insbe­son­dere im Kontakt mit Lehrenden und Kommiliton*innen können Gefühle der Unter­le­gen­heit entstehen, die das Studieren erschweren. Das altehr­wür­dige Fach Philo­so­phie hat viele große Persön­lich­keiten und Denk­schulen hervor­ge­bracht, deren Reich­hal­tig­keit und Komple­xität oft Ängste auslösen. Aber wie kann man diese Ängste über­winden und was sind über­haupt die Probleme beim Spre­chen in Seminaren?

Foto: Emilia Klug

In den von mir geführten Inter­views hat sich heraus­ge­stellt, dass die meisten Studie­renden zu Beginn ihres Studiums die größten Unsi­cher­heiten empfinden. Das hängt vor allem damit zusammen, dass Neuan­kömm­linge die Gesprächs­kultur und Themen noch nicht so gewohnt sind. Ein biss­chen fühlt es sich an, als würde man an einem Spiel teil­nehmen, dessen Regeln jeder außer einem selbst kennt. Prof. Dr. Andreas Hetzel, stell­ver­tre­tender Leiter des Philo­so­phie-Insti­tuts, erlebt immer wieder, dass einige Neuan­kömm­linge sich weniger zutrauen als andere, geschweige denn im Gespräch mit Studie­renden aus höheren Semes­tern. Dabei sind ihre Beiträge ebenso wichtig. Auch Studie­rende erzählen von dieser Proble­matik, von all den unbe­kannten Begriffen und Namen, die nicht selbst­ver­ständ­lich erklärt werden. Diese lassen Scheu und die Angst entstehen, etwas Falsches oder weniger Intel­li­gentes zu sagen. Zusätz­lich hat das Fach Philo­so­phie oft mit Themen zu tun, die komplexer darge­stellt werden, als sie sind, oder bei denen nicht darauf geachtet wird, dass alle mitkommen. Wenn man in einem solchen Seminar nun von Beginn an Worte nicht kennt und Philosoph*innen fremd sind, wird die Barriere immer höher. Nicht selten kommt es vor, dass Studie­rende ihre Semi­nare verlassen, weil sie sich dort nicht wohl­fühlen und keinen Beitrag leisten können.

Hetzel unter­streicht, dass Nach­fragen immer will­kommen sind und auch nicht verur­teilt werden. Diese Erfah­rung haben auch diverse Studie­rende gemacht, sobald sie sich erst einmal trauten, eine Nach­frage zu stellen. Lehrende und Kommiliton*innen beant­worten diese in der Regel gerne, schließ­lich ist man selten die einzige Person im Raum, die unsi­cher ist.

Es gilt also: Wenn man Freude und einen Lern­ef­fekt in Semi­naren haben möchte, schadet es sicher nicht, Nach­fragen zu stellen. Dran­bleiben und Mitdenken sind schließ­lich die beste Medizin, um Unsi­cher­heiten im Keim zu ersticken.

Das Problem Studie­render untereinander

Aber nicht nur zwischen Dozie­renden und Studie­renden gibt es Hürden, auch Studie­rende unter­ein­ander können es sich manchmal nicht leicht machen. Vor allem Erstis sind mitunter von höheren Semes­tern einge­schüch­tert – ob dies nun mit oder ohne Inten­tion geschieht. Zumeist sind es eigene Unsi­cher­heiten, die sich zeigen, wie etwa Zweifel, ob man gut genug ist, die nur entfernt etwas mit den anderen Studie­renden zu tun haben. Manchmal sind es aber auch direkte Gespräche zwischen Studie­renden, in denen Wissens­ge­fälle deut­lich hervor­treten. Da kann schon mal das Gefühl aufkommen, die eine oder andere Person würde prahlen, auch wenn das selten der Fall ist. Studie­rende höherer Semester gaben ausnahmslos an, in Semi­naren alle Meinungen hören zu wollen, da ihnen immer ein Mehr­wert oder zumin­dest ein Diskus­si­ons­an­satz inne­wohne. Das Wissen eignet man sich eben im Laufe des Studiums an, darum ist es ganz natür­lich, dass die höheren Semester über einen größeren Wissens­schatz verfügen. Dieser muss nicht als bedroh­lich, sondern kann viel mehr als Chance ange­nommen werden, mit diesen ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und Meinungen auszu­tau­schen. Meist kann man gerade in diesen Gesprä­chen eine Menge lernen, nebenbei Freunde finden und Hürden abbauen.

Das eigent­liche Problem scheint jedoch viel tiefer und grund­le­gender anzu­setzen. An einige Dinge, wie etwa das Duzen der Dozie­renden oder das gene­relle Gendern, ist man nicht gewöhnt, wenn man aus der Schule kommt. Unan­ge­nehme Situa­tionen, in denen Studie­rende des ersten Semes­ters sich nicht richtig ernst genommen fühlen oder Angst bekommen, Fehler zu machen, nachdem andere sie von oben herab zurecht­ge­wiesen haben, können da schon mal vorkommen. Hier ist vor allem Nach­sicht von Seiten derer gefragt, die es besser wissen.

Das mitge­stalten der Gesprächkultur

Die Fehler­kultur spielt laut Hetzel eine tragende Rolle am Kultur­campus und im Philo­so­phie-Institut. Alle Studie­renden sollten Fehler machen dürfen, die nicht verur­teilt, sondern erör­tert würden. Schließ­lich sei es im Fach Philo­so­phie kaum möglich, grobe Fehler zu machen. Es gebe bloß verschie­dene Denk­an­sätze, die disku­tiert werden können.

Auch Studie­rende erleben die Fehler­kultur in der Regel als ange­nehm. Die wenigsten haben Erfah­rungen gemacht, in denen ihnen etwas wirk­lich unan­ge­nehm war oder sie das Gefühl hatten, keine Fehler machen zu dürfen. Dies soll sowohl dazu einladen, es einfach mal zu probieren und ins Spre­chen zu kommen als auch anderen und sich selbst eine Chance zu geben.

Das Wich­tigste scheint schließ­lich zu sein: Von Beginn an zu parti­zi­pieren. Nur wer spricht, hat die Chance, teil­zu­haben, die Gesprächs­kultur mitzu­ge­stalten und ein ange­neh­meres Klima für alle zu schaffen. Hetzel ist es wichtig, alle mitein­zu­be­ziehen. Natür­lich sei das aus Sicht der Dozie­renden nicht immer leicht, schließ­lich möchten sie zum Spre­chen animieren, ohne Personen unter Druck zu setzen, die nicht teil­nehmen wollen. Diese Balance gilt es zu halten: Räume zu schaffen, in denen man sich sicher fühlt und die Fehler­freund­lich sind, und jene zu schließen, in denen von oben herab gespro­chen wird. Um das Ziel einer offenen, respekt­vollen Kommu­ni­ka­tion zu errei­chen, die möglichst viele Personen mitein­schließt, müssen alle mitma­chen. Dozie­rende müssen auf die Studie­renden eingehen und nicht voraus­setzen, dass jede*r immer weiß, was gemeint ist. Gleich­zeitig kann es nur von Vorteil sein, wenn Studie­rende ihre Scheu ablegen und den Mut finden, Fehler zu machen sowie einander zu unter­stützen. Das Duzen ist auf dem Weg zum Abbau von Hier­ar­chien sicher ein guter Schritt. Und sollte doch mal etwas über­haupt nicht so wie geplant laufen: Sprecht es an.

Ein Beitrag von Emilia Klug, veröf­fent­licht am 25. April 2023

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