P A R A L L E L u ni V E R S E N
Ferne Uni: Studierendenalltag im digitalen Semester
- ein Beitrag von Isabell Zehnder
Noch letztes Semester saßen wir alle gemeinsam in Hildesheim, auf der Domäne, im Vorlesungssaal. Im Sommersemester ist plötzlich alles anders. Viele sind gar nicht in Hildesheim, ich selbst und die meisten meiner Freund*innen auch nicht. Jede*r hat sein eigenes Home Office, gewissermaßen ist die Uni nun ein über Deutschland verteilter Hörsaal. Während einer Zoom-Vorlesung breitet sich die berühmte Kuwi Bubble noch manchmal unsichtbar am Schreibtisch aus, doch nach eineinhalb Stunden ist diese Bubble wie eine Seifenblase auch wieder schnell zerplatzt.
Manchmal starre ich auf das Mosaik aus Webcam-Aufnahmen. Wo sie wohl alle sitzen und was sie wohl tun, wenn die Vorlesung vorbei ist? Das digitale Semester macht die anderen ungreifbar und unnahbar. Manchmal offenbart diese digitale Distanz aber auch intime Details über Menschen, die ich eigentlich kaum kenne, die sich mir analog nie offenbart hätten. Details, die an der Domäne wohl nie sichtbar geworden wären. Die Wohnsituation der Kommiliton*innen und Dozent*innen beispielsweise. Das Zimmer, der Einrichtungsstil oder gar Mitbewohner*innen, die ins Bild laufen oder nebendran frühstücken. Kinder, die im Hintergrund schreien. Alles Details, die mir aus dem Kontext gerissen präsentiert werden. Mir einen Einblick in den Uni- und Quarantänealltag der anderen geben, ohne mir zu verraten, wie es ihnen wirklich geht und was sich außerhalb dieser eineinhalb Stunden in ihrem Leben abspielt.
Um über den Zoom-Kasten hinaus und hinter die Webcam zu blicken habe ich hier Studierende zu ihrem momentanen Alltag, ihrer Lebenssituation und ihrem Lebensmittelpunkt während des digitalen Semesters befragt. Während sie sonst alle Kulturwissenschaften an der Domäne studieren, trennen sie nun viele Kilometer von einander. Sie haben mir durch Fotografien und Interviews einen Einblick in ihr persönliches Uni(-)versum gewährt. In der Entstehungsgeschichte dieses Beitrags verwandelt sich das anonyme Zoom-Mosaik nach und nach zu einem Mosaik aus persönlichen Homeoffice-Geschichten, Anekdoten, Fotos und einer Landkarte. In all diesen Elementen suche ich Anworten auf meine Frage, ob das digitale Semester wohl mehr digital-nomadic Freiheit oder Einsamkeit und schizophren anmutende Paralleluniversen mit sich bringt.
Deutschlandweiter Hörsaal
Die Homeoffices der interviewten Studierenden: fünf bis 200 km von der Uni entfernt
Leon
Elsa
Lillith
Klara
Fotos: Lillith Sievers
Fotos: Elsa Vogels
Fotos: Klara Prautzsch
Fotos: Leon Timme
Titelvideo: clideo.de
Hindergrundbild: pixabay.com