ES GEHT UM IHRE FREIHEIT.
Ein multimedialer Einblick
in die Arbeit von
No border. No problem.

Nicht nur purer Aktivismus
Die Geflüchteten-Hilfe in europäischen Brennpunkten birgt für Aktivist*innen so einige Risiken, welche durchaus dazu führen können, dass sich für aktivistisch Neuinteressierte Hemmschwellen offenbaren. Das Projekt No border. No problem. hilft dabei, durch ein vertrautes Gruppenmiteinander – vor allem durch Studierende mit persönlichen Vorerfahrungen – Ängste und Sorgen abzubauen. Gerade in einer Zeit, in der es auf individuelles und menschliches Handeln ankommt, gibt es deutschlandweit an Universitäten nur wenige humanitäre Anlaufstellen wie das freie Projekt No border. No problem (Nbnp). Die Nbnp-Teilnehmenden planen sowohl die humanitäre Hilfe als auch die Unterstützung von aktivistischen Strukturen Vorort.
Alles auf Anfang
Das freie Projekt der philosophischen Fakultät No border. No problem. mit anfangs 40 Interessierten profitiert von den Vorerfahrungen Studierender, die bereits Hilfe in Camps für Geflüchtete leisteten. Die Vorerfahrenen gaben einen Überblick über Hilfeleistungen für Geflüchtete in den europäischen Elendslagern und erzählten persönlich von ihren Erlebnissen in den Brennpunkten:►
Calais, Lesbos und an der bosnisch-kroatischen Grenze. Mit ergriffenen Gefühlen und doch mit der Hoffnung, etwas verändern zu wollen, ging die Gruppe danach nach dem Muster des World-Cafés in Arbeitsgruppen über. Jederzeit war das Mitanpacken in hierarchiefreien Gruppen möglich. Zu den Arbeitsgruppen zählen: Soliparty, Finanzen, Benefizkonzert, Awareness, Akquise und Öffentlichkeitsarbeit.▼
Letztere, die Öffentlichkeitsarbeit, produzierte einen No border. No problem.-Trailer. Dieser gibt unter anderem einen Einblick in die wöchentlichen Gruppen-Plenen und bebildert die erste von No border. No problem. veranstaltete Soliparty auf dem Wagenplatz im Winter 2017. Auch heute plant die Soliparty-Gruppe Events und veranstaltete im Frühjahr 2018 zudem eine weitere auf dem Trillke-Gut sowie ein klassisches Benefizkonzert unmittelbar bevor sich 25 Teilnehmende der Gruppe selbst mit einem Vorbereitungswochenende und zahlreichen Projektideen im Rucksack auf den Wag machten, um Aktivist*innen für mehrere Wochen an einem europäischen Brennpunkt zu unterstützen.

UNTERSTÜTZUNG
Sacher-Variationen
verschiedene Aktionen. Die Spendengelder dienen zur Unterstützung der humanitären Hilfe.
Beispiele hierfür sind etwa:

Hi-Town-Soul (l. oben) sorgt auf der Nbnp-Soliparty für funkige und elektronische Beats auf dem Trillke-Gut; daneben (mitte l.) ein Plakat einer Nbnp-Solibar und Freiwillige schnippeln und kochen Chili für die Nbnp-Soliparty (mitte r.); darunter ein Zeitungsartikel aus der HiAZ über das Projekt. Auf dem Nbnp-Benefizkonzert ist Friedrich Thiele (r.) zusehen, der unter anderem beim Soloabend die Caprice Nr. 24 für Violoncello (!) spielte und auf dem Wagenplatz wuselten Musiker des Kulturcampus mit ihren Instrumenten (l. unten).
Wo kommen Menschen auf der Flucht nicht weiter und wo kann aktiv vor Ort geholfen werden?
Diese Frage stellte sich auch No border. No problem.
Beispiele für Einsatzorte sind: Lesbos (Griechenland), Idomeni (Mazedonien), Calais, Dünkirchen, Caen (Frankreich), Melilla (Spanien) sowie Como und Ventimiglia (beide Italien): Nicht nur hier besteht zum Beispiel die Möglichkeit, Hilfe für Schutzsuchende zu leisten – im Mittelmeer sind genauso Seenotrettungsschiffe, wie die Dresdner „Lifeline“ oder „Sea-Watch“ auf Unterstützung angewiesen. Nicht zu vergessen sind die vielen wild entstandenen Geflüchtetencamps in Libyen – sowie an der restlichen Grenze Nordafrikas zu Europa, in denen es schier unmöglich ist, aktivistisch-humanitäre Hilfe zu leisten. Die Karte zeigt eine Übersicht einiger europäischer Brennpunkte. Dazu zählen einerseits geschlossene Geflüchtetenlager wie in Motril, in welchen die Geflüchteten gemäß des Dublin-Abkommens ihre Identität abgeben müssen und wild entstandene Camps, also eine Ansammlung von Menschen, die ohne staatliche Unterstützung unter einer Brücke (wie in Ventimiglia) oder im Schutz eines Waldes und in Abgeschiedenheit auf die Nacht warten, um ihre Flucht fortzuführen.
Seit kurzem verlagert sich die Fluchtroute von Italien immer mehr nach Spanien. Denn nach dem Verweigern der Aufnahme von nichtstaatlichen Rettungsschiffen, den populistischen, italienischen Parlamentswahlen im März und dem einhergehenden gewaltsamen Rechtsruck in Italien leiden Geflüchtete und Aktivist*innen häufiger unter Repressionen: Wild entstandene Camps, in denen teils kleine Strukturen entstehen, wie etwa Geflüchtete-kochen-für-Geflüchtete-Restaurants, werden immer wieder geräumt – wie in Ventimiglia, einer italienischen Grenzstadt zu Frankreich, in der mehr als die Hälfte der Einwohner*innen bei den Wahlen im März rechts wählte. Man darf gespannt sein, wie die sozialistische Zentralregierung Spaniens und die spanische Bevölkerung auf die steigenden Geflüchtetenzahlen in ihrem Land reagieren. Aktuelle Erfahrungsberichte von Aktivist*innen vor Ort sind unter www.nobordernoprobem.org abzurufen.
Ventimiglia, Italien
Lesbos, Griechenland
Calais, Frankreich
Idomeni, Griechenland
Como, Italien
Grande-Synthe (Dünkirchen), Frankreich
Caen, Frankreich
Melilla, Spanien
Motril, Spanien
VENTIMIGLIA.
Ventimiglia. Eine Küstenstadt der italienischen Riviera, unweit der französischen Grenze und Monaco, benannt als Tourismusstadt mit einem der bekanntesten Wochenmärkte Italiens. Jeden Freitag strömen Reisebusse voller französischer und italienischer Shoppingtouristen in die Stadt, um die günstigsten Angebote zu ergattern und anschließend mit einem Eis an der Strandpromenade entlang zu schlendern. Urlaubsfeeling kommt auf, wenn man bei gutem Wetter durch die Altstadt mit ihren kleinen Gassen und den vielen bunten Häuser spazieren geht und sich die Sonne aufs Gesicht scheinen lässt. Ach, das Leben kann so schön sein …

… wenn man Europäer*in ist.
Denn für viele Menschen bedeutet die Stadt etwas ganz Anderes als Urlaub. Ventimiglia ist für Menschen auf der Flucht eine Zwischenstation auf ihrem Weg nach einem besseren Leben; nach Frankreich, Deutschland oder Großbritannien. Nicht weit von der Innenstadt, unter einer vierspurigen Autobrücke, leben bis zu 300 Geflüchtete und warten auf eine Gelegenheit, die Grenze zu überqueren. Manchmal warten sie nur wenige Tage, manchmal Wochen oder Monate. Und immer wieder werden sie dorthin zurück geschickt, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird oder sie an der Grenze aufgegriffen werden.

Von einer Infrastruktur kann dort keine Rede sein, denn es gibt weder Toiletten noch Duschen oder Elektrizität. Essen gibt es nur einmal täglich von der selbstorganisierten Küche Kesha Niya. Das tägliche Warten wird zum Alltag.
Deshalb haben sich um die 25 freiwillige Helfer*innen dort auf den Weg gemacht, um Hilfe zu leisten und aktivistische Organisationen wie die "Kesha Nija Küche" vor Ort zu unterstützen. "No Border. No Problem." hat sich im Vorfeld Projekte überlegt, wie etwa ein mobiles Duschsystem oder mobiles Internet. Mit den zuvor bei Solidaritätsveranstaltungen eingenommenen Spenden wurde den Freiwilligen die Möglichkeit gegeben, all das umzusetzen und dringend benötigte Sachen, wie Decken für sehr kalte Tage, vor Ort zu besorgen. Insgesamt waren in einem Zeitraum von Mitte Februar bis Ende April etwa 25 freiwillige Helfende aktiv, die ihr Quartier auf drei Farmen in den französischen Alpen bezogen und mit ihrer Arbeit und den Spenden diese Projekte täglich in Ventimiglia verwirklichen konnten:
Stimmen von Freiwilligen
Christian*
Clara
Juliana
AKTIONEN
Das freie Kollektiv No Border. No Problem. möchte durch die Ausstellung Aufmerksamkeit auf die Situation der Geflüchteten in Europa lenken und gleichzeitig Solidarität durch ein Nachempfinden der Situation schaffen.
Dafür haben Nbnp-Freiwillige einigen Menschen auf der Flucht unter der Brücke in Ventimiglia gefragt, ob sie Interesse an solch einem Projekt haben und die Einwegkameras verteilt.
Die Ausstellung Unter der Brücke kann man die Sterne nicht sehen. eröffnete mit einer Vernissage am 6. Juni 2018 im &büro und war auch bei der Mittsommernacht zu sehen. Wer Interesse hat, sie zu sehen, kann sich unter der unter Kontakt stehenden Email melden.
Auf dem Snntg-Festival, zwischen Hannover und Hildesheim auf dem Gelände eines Straßenbahnmuseums war No Border. No Problem. neben Non-profit-Organisationen wie "Amnesty International" oder "Viva con Agua" vertreten. Mit den Nbnp-Freiwilligen konnte am Infostand geplaudert, gebastelt und eigene Patches genäht werden; No Border. No Problem bat zwei Forumstheater-Vorführungen an, in denen zwei Dilemmata-Szenen aus Ventimiglia zusammen mit dem Publikum improvisiert wurden mit anschließendem Reflexionsgespräch. Zudem diente ein Straßenbahnwagon als Kulisse der Wanderfotoausstellung Unter der Brücke kann man die Sterne nicht sehen.
KONTAKT
Wer Interesse hat, bei No Border. No Problem. mitzuwirken, Partys und Ausstellungen zu veranstalten oder Spenden zu sammeln, Radiobeiträge zu erstellen oder mit einer anderen Idee Geflüchtete an Grenzen zu unterstützen, kann sich unter der Email nobordernoproblem@posteo.de melden.
*Name wurde geändert
Beitrag:
Marisa Berg, Juliana Brandis, Tom Solbrig
Fotos:
Hauke Dannenfeld, Tom Solbrig