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Der Begriff der ästhe­ti­schen Praxis ist ein im produk­tiven Sinne offenes Konzept der Kultur­wis­sen­schaften. Anders als in der „ästhe­ti­schen Erzie­hung“, wo seit Schiller die gesamte Bildung des Menschen im Zentrum steht und in der „ästhe­ti­schen Erfah­rung“, die durch den Erfah­rungs­be­griff eine starke Beto­nung der (subjek­tiven) Wahr­neh­mung zeigt, wird mit der Wendung „ästhe­ti­sche Praxis“ eine Form des Handelns in den Mittel­punkt gerückt, die sowohl von zweck­ra­tio­nalen wie auch ethi­schen Hand­lungs­formen zu unter­scheiden ist. Das Adjektiv ästhe­tisch bezeichnet hierbei eine Weise des Handelns, in der gestal­te­ri­sche Spiel­räume, perfor­ma­tive Ausdrucks­be­we­gungen und leib­lich-sinn­li­ches Situ­iert­sein eine zentrale Rolle spielen. Ästhe­ti­sche Praxis ist somit nicht auf die tradi­tio­nellen Künste beschränkt, sondern umfasst unter­schied­liche Gegen­stands­felder von der medialen Darstel­lungs­formen über Alltags­prak­tiken und dem Design bis zur Popu­lären Kultur. Die Rede von ästhe­ti­scher Praxis unter­scheidet sich dabei von anderen Fokus­sie­rungen – etwa von einer habi­tu­ellen „symbo­li­schen Praxis“ im Sinne Bour­dieus oder von den inner­halb der Cultural Studies unter­suchten „Wieder­an­eig­nungs­prak­tiken“ von Kultur­pro­dukten –, da sie keine Engfüh­rung auf sozi­al­struk­tu­relle Faktoren vornimmt, sondern die spezi­fi­schen Quali­täts­merk­male des Handelns im Hinblick auf eine ästhe­ti­sche Form und Formie­rung ins Zentrum der Aufmerk­sam­keit rückt. Gleich­zeitig sind die ästhe­ti­schen Prak­tiken natür­lich auf tech­nisch-mate­ri­elle, insti­tu­tio­nelle, orga­ni­sa­to­ri­sche, ökono­mi­sche, poli­ti­sche und andere Rahmen­set­zungen ange­wiesen bzw. sie stehen in einem engen Wech­sel­ver­hältnis zu jenen. Ästhe­ti­sche Praxis reagiert auf solche Rahmen­set­zungen und trans­for­miert oder entgrenzt sie häufig. Die Frage nach den Krite­rien, die eine Praxis zu einer ästhe­ti­schen Praxis machen, stellt somit den ersten Komplex des dies­jäh­rigen Jahres­themas dar. Eine Annahme dabei ist, dass nicht a priori entschieden werden kann, was eine ästhe­ti­sche Praxis zu einer solchen macht, sondern dass sich mit jeder empha­ti­schen Form ästhe­ti­scher Praxis neu stellt. Gleich­zeitig rückt die ästhe­ti­sche Praxis – in der Engfüh­rung einer künst­le­ri­schen Praxis – in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus metho­do­lo­gi­scher Über­le­gungen in den Kultur­wis­sen­schaften. Denn die Künste und ihre Prak­tiken spielen eine zentrale Rolle in einer, auch wissen­schafts­po­li­tisch forcierten, Neuaus­rich­tung der univer­si­tären Wissens­pro­duk­tion. Unter dem Stich­wort der künst­le­ri­schen Forschung wird dafür plädiert, auch die Produk­tion von Kunst als Forschungs­pro­zess zu begreifen. Nicht zu Unrecht wird dabei ange­nommen, dass die ästhe­ti­sche Praxis der Kunst(-produktion) die Bahnen des Gewohnten verlässt oder das Gewohnte in seinen Spiel­räumen über­prüft und erwei­tert. Denn nicht das propo­si­tio­nale Wissen und die

Begriffs­ge­schichte bestimmen das Handeln ästhe­tisch-künst­le­ri­scher Praxis, sondern situa­tive Reso­nanzen und sinn­lich evozierte Evidenzen führen die Handelnden über ihre eigenen Rahmen­set­zungen hinaus. Die Jahres­ta­gung will sich deshalb auch mit jüngeren Konzepten der künst­le­ri­schen Forschung ausein­an­der­setzen. Diese sind zum einen als eine inno­va­tive epis­te­mi­sche Praxis in den Fokus der Kultur­wis­sen­schaften gerückt; zum anderen beschreiben sie eine gegen­sei­tige Wunsch­vor­stel­lung: Die Wissen­schaft möchte durch die Kunst zu ‚verzau­berter Theorie‘ werden, die Kunst durch die Wissen­schaft zu einer ‚exakten Praxis‘. Das Thema der Jahres­ta­gung fragt daher zwei­tens nach den imma­nenten Bedin­gungen, Möglich­keiten und Grenzen der epis­te­mi­schen Schnitt­stellen zwischen ästhe­tisch-künst­le­ri­scher Praxis und kultur­wis­sen­schaft­li­cher Forschung.

Für die kultur­wis­sen­schaft­liche Perspek­tive auf ästhe­ti­sche Praxis wird noch ein weiteres Moment rele­vant. Denn es ist offen­sicht­lich, dass Kultur­wis­sen­schaft­le­rinnen sich zuweilen selbst auf dem Feld ästhe­ti­scher Prak­tiken als Akteur enga­gieren und inso­fern die ästhe­ti­sche Praxis, die es zu analy­sieren gilt, in einigen Teilen (mit-)gestalten. Solches Vorgehen bietet natur­gemäß nicht nur Chancen, es wirft auch Probleme auf. Denn es ist keines­wegs ausge­macht, ob und wie die Zunahme an Selbst­re­fe­renz, die in solchen Konver­genzen liegt, durch eine Rollen­dif­fe­ren­zie­rung von Wissenschaftlerin/Künstlerin über­haupt noch metho­disch aufge­fangen werden kann. Dennoch: Hier wird ästhe­ti­sche Praxis nicht nur Gegen­stand der Forschung, sondern kann unter bestimmten Bedin­gungen auch zur Methode kultur­wis­sen­schaft­li­cher Forschung werden. Dies lässt sich etwa für die Beob­ach­tung der tradi­tio­nellen Künste plau­sibel machen. Erforscht man etwa das Theater als eine Person, die nie selbst an einem Proben­pro­zess teil­ge­nommen hat, so werden vor allem die Auffüh­rung und der dazu­ge­hö­rige Text im Zentrum der Aufmerk­sam­keit stehen. Führt man aber eigene Proben­pro­zesse oder Insze­nie­rungen durch und evoziert damit diver­gente Beob­ach­tungs- und Erfah­rungs­mög­lich­keiten, so verän­dert sich die Perspek­tive auf den Gegen­stand erheb­lich Theater (und die Künste allge­mein) werden als je spezi­fi­sche ästhe­ti­sche Versuchs­an­ord­nung sichtbar. Ohne dabei propo­si­tio­nales Wissen zu hinter­gehen, stehen andere Leit­dif­fe­renzen – und ihre metho­do­lo­gi­sche Refle­xion – im Zentrum der ästhe­ti­schen Praxis. Drit­tens will das Thema der Jahres­ta­gung deshalb nahe­legen, ästhe­ti­sche Praxis selbst als eine Methode der kultur­wis­sen­schaft­li­chen Forschung zu befragen. Für diese Perspek­tive bietet es sich an, dass in Hildes­heim erst­mals Work­shops ange­boten werden können, in denen die ästhe­ti­sche Praxis der Kultur­wis­sen­schaften perfor­mativ thema­tisch wird.

Vorschläge zu den drei aufge­führten Themen­fel­dern in Form von Panels, Einzel­vor­trägen und Work­shops (max. 300 Wörter auf Deutsch oder Englisch) werden bis zum 20. April 2018 erbeten an: kwg18@uni-hildesheim.de

VORSCHLÄGE FÜR PANELS, EINZELVORTRÄGE UND WORKSHOPS

(max. 300 Wörter auf Deutsch oder Englisch)

werden bis zum 20. April 2018 erbeten an: kwg18@uni-hildesheim.de