Alles außer Taxi?
Berufswege für Studierende des Kreativen Schreibensvon Annika Konegen
Früher oder später trifft sie jede*r Student*in am Literaturinstitut. An einem Sommertag im Park, während die Schwäne ihre Kreise durch den Teich ziehen. An einem regnerischen Dezemberabend, während der/ die Schreibschüler*in im Schein der Weihnachtsbeleuchtung durch die Innenstadt geht. Ihr Tempo ist nicht festgelegt, sie kann sich an Ahnungslose heranschleichen, sich gemächlich ihren Weg durch Standardfloskeln bahnen oder als Konversationseröffner dienen. Wohl keine Frage wird Student*innen des Faches Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus häufiger gestellt als: „Und was möchtest du damit beruflich machen?“ Da der Erfolg als Shooting Star im Literaturbetrieb nicht kalkulierbar ist, muss ein Plan B während des Studiums gefunden und durch Praktika erprobt werden. Um stammelnde Satzanfänge wie „Also in Verlagen…“ und „Gute Journalisten werden immer gebraucht…“ zu vermeiden, werden im Slider ein paar Berufsinspirationen geteilt. Anschließend wird die Anthologie Irgendwas mit Schreiben. Diplomautoren im Beruf, die sich größtenteils aus Essays von ehemaligen Schreibschüler*innen zusammensetzt, rezensiert.
Rezension: Irgendwas mit Schreiben. Diplomautoren im Beruf
Irgendwas mit Schreiben ist eine 2014 anlässlich einer Feuilletondebatte bei Mikrotext erschienene, von Jan Fischer und Nikola Richter herausgegebene, 2017 überarbeitete Essay-Sammlung, in der ehemalige Schreibschüler*innen von ihren beruflichen Erfahrungen nach ihrer Zeit an verschiedenen Literaturinstituten berichten. Einige der 29 Anthologie-Beiträge (30 inklusive Vorwort) stammen von Absolvent*innen des Hildesheimer Literaturinstituts, beispielsweise von Luba Goldberg-Kuznetsova, Lena Vöcklinghaus und Stefan Mesch. Die Autor*innen berichten auf persönliche, unterhaltsame Weise von ihren Erfahrungen jenseits der Mauern der Institute. Der erste Beitrag stammt von Martina Hefter, die, für die Autor*innen der Anthologie typisch, nicht nur einen einzigen Beruf ausübt, sondern vielseitige Tätigkeiten in ihrer Vita vereint (u. a. Schriftstellerin, Lektorin, Schreibcoach, Fitness-Trainerin, Ghostwriterin). In Verbindung mit der abschließenden Warnung von Tilman Strasser wird die Anthologie durch zwei für die berufliche Existenz von Schreibschüler*innen exemplarische Themen eingerahmt: die Vielseitigkeit, die Schreiber*innen im Berufsleben aufbringen müssen, und die Unsicherheit eines teilweise prekären Erwerbslebens.
Der Großteil der Essays zeichnet sich durch die ungeschönte Beschäftigung der Autor*innen mit ihrem Berufsleben aus, wobei die Absolvent*innen teilweise auch ihre Position innerhalb der Gesellschaft und des Literaturbetriebes reflektieren. In seinem durch die Veröffentlichung in der Zeit vieldiskutierten Essay Lassen Sie mich durch, ich bin Arztsohn! setzt sich Florian Kessler mit der Bedeutung der sozialen Herkunft im Literaturbetrieb auseinander. Stefan Mesch thematisiert in einer Art Text-Countdown mit Seelenstriptease-Anteilen seine soziale Herkunft und die teilweise prekären Lebensbedingungen nach seinem Abschluss am Literaturinstitut. Andere Beiträge lesen sich als Rechtfertigung pragmatischer Absolvent*innen für ihre lukrativen, aber vom Künstlerideal weit entfernten Tätigkeiten. Beispielhaften Charakter weist Aus dem Alltag eines Wirtschaftsjournalisten von Mirko Wenig auf, in dem sich der Autor durchgehend als „der kleine Mirko“ bezeichnet, oder Das andere Schreiben von Thorsten Krämer, der Offtexte fürs Fernsehen (u. a. für die Sendung Das perfekte Dinner) verfasst.
Gerade diese Essays glänzen durch die realistische Darstellung des Berufsalltags, die auch die Strukturen der jeweiligen Branche miteinbezieht.
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Perspektiven auf das Berufsleben ist der Band trotz wechselhafter Qualität der Essays für (angehende) Student*innen des Kreativen Schreibens interessant und kann als Zünglein an der Waage bei der Praktikumswahl fungieren.
Fischer, Jan/ Richter, Nikola (HG.): Irgendwas mit Schreiben. Diplomautoren im Beruf. Mikrotext Verlag, Berlin 2017, 280 Seiten, 17,99 Euro
Quellen
1. Bilder
1.1 Titel und Einleitung
Titel: Photo by Annelies Geneyn on Unsplash, URL: https://unsplash.com/photos/bhBONc07WsI
Fragezeichen Baum: Photo by Evan Dennis on Unsplash, URL: https://unsplash.com/photos/i–IN3cvEjg
1.2 Slider
1. Bild: Foto von Pille Kirsi von Pexels, URL:https://www.pexels.com/de-de/foto/braune-holzleiter-996127/
2. Bild: Photo by Waldemar Brandt on Unsplash, URL: https://unsplash.com/photos/JYPDh4ter10
3. Bild: Foto von Katelyn von Pexels, URL: https://www.pexels.com/de-de/foto/laptop-buro-internet-macbook-4726409/
4. Bild: Foto von fauxels von Pexels, URL: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-und-frau-in-der-nahe-von-tisch-3184465/
5. Bild: Photo by Headway on Unsplash, URL: https://unsplash.com/photos/5QgIuuBxKwM
6. Bild: Photo by Joe Yates on Unsplash, URL:https://unsplash.com/photos/Cc4sToR2Oc0
7. Bild: Foto von Suzy Hazelwood von Pexels, URL: https://www.pexels.com/de-de/foto/schwarze-und-rote-schreibmaschine-1995842/
8. Bild: Foto von fauxels von Pexels, URL: https://www.pexels.com/de-de/foto/foto-von-leuten-die-handshakes-tun-3183197/
9. Bild: Photo by Waldemar Brandt on Unsplash, URL: https://unsplash.com/photos/WAchuh1Gc‑0
1.2 Irgendwas mit Schreiben. Diplomautoren im Beruf
Photo by Christin Hume on Unsplash, URL: https://unsplash.com/photos/mfB1B1s4sMc
2. Sonstige Quellen
Fischer, Jan/ Richter, Nikola (HG.): Irgendwas mit Schreiben. Diplomautoren im Beruf. Mikrotext Verlag, Berlin 2017, 280 Seiten, 17,99 Euro